Fast vom Winde verweht: William Garfield Walker fegt durch den Brahms-Saal

Nova Orchester Wien, William Garfield Walker, Alexandra Tirsu  Musikverein Wien, Brahms-Saal, 29. September 2022

Foto: William Garfield Walker © Andrej Grilc

Musikverein Wien, Brahms-Saal, 29. September 2022
Nova Orchester Wien
William Garfield Walker, Dirigent
Alexandra Tirsu, Violine

von Jürgen Pathy

In Nike und Frack zu Mozart. Wer denkt, das ginge nicht, hat sich schwer getäuscht. Allerdings nicht im Publikum, sondern auf der Bühne. Aufgrund einer Fußverletzung hat William Garfield Walker zu dieser Notlösung gegriffen. Dass dabei dieser, der große Wolfgang Amadeus Mozart, etwas auf der Strecke bleibt, ist kein großes Drama. Das liefert der junge afro-amerikanische Dirigent dann bei Prokofjew.

Ein Tornado in Wien

Mit dessen 3. Symphonie, komponiert um 1928, überzeugt William Garfield Walker. Beweist ein weiteres Mal, dass er trotz aller Hürden – Corona scheint zugeschlagen zu haben – im romantischen Repertoire ein kräftiges Wörtchen mitzureden hat. „Wir haben alles gemanagt“, bestätigt, rechtfertigt beinahe, ein mir unbekannter geschäftiger junger Herr im Anzug, der mich an der Abendkasse des Musikvereins Wien empfängt. Viele Ausfälle seien kurzerhand zu beklagen gewesen. Das Nova Ochester Wien haben die allerdings nicht umgehauen.

Das musiziert mit genauso viel Elan, wie an den Abenden bislang. Gibt bei Prokofjews Dritter ordentlich Gas. Nimmt sich zurück, hält sich im Zaum, wenn notwendig, und schlägt gewaltig zu, wenn von Garfield Walker gefordert. Dass man dabei im kleinen, aber feinen Brahms-Saal nicht davon gefegt wird, scheint fast schon wie ein Wunder. Selbst in Reihe 7 im Parkett, wo man sich mitten in einem Sturm fühlt, erreichen einen die gewaltigen Dynamiken zwar mit geballter, aber dennoch fein gezügelter Kraft. Trotz der relativ kleinen Orchesterformation eine gewaltige Leistung.

Mozart mit einem Schuss zu viel Zigeunerweisen

Dass die bei Mozarts A-Dur Violinkonzert KV 219 nicht ganz so überwältigend wirkt, könnte man der Partitur in die Schuhe schieben. Die kreist natürlich in ganz anderen Gefilden. Lässt trotz des reichen Orchesterklangs natürlich keine derartigen Tutti-Wogen zu wie bei Prokofjews Dritter. Transparent und verklärt, wünschen sich Mozart einige. Voller Elan und mutiger Spielereien mit der Agogik, wiederum andere.

William Garfield Walker findet einen ganz klassischen Zugang. Fast schon seriös: Keine Manierismen, kein romantischer Brei, wie einige zu pflegen sagen. Allerdings dann doch eine Spur zu getragen. Mit Spielraum, um der differenzierten Charakter-Gestaltung etwas mehr Platz zu genehmigen – vor allem im Solopart. Den übernimmt die junge Geigerin Alexandra Tirsu. Obwohl die begnadete Nachwuchshoffnung, 2021 Preisträgerin des Musikwettbewerbs der ARD, da mit einem enorm warmherzigen Ton sofort einen emotionalen Zugang findet, geht da ein wenig an Noblesse verloren. Ein latenter Hauch von Aristokratie hätte da ruhig schon auch mal mitschwingen dürfen.

Vor allem in Wien, ganz besonders im Brahms-Saal, wo noch aus allen Ritzen der Duft der großen Donaumonarchie zu vernehmen ist – auch wenn das Publikum an diesem Abend großteils von us-amerikanischer Politprominenz dominiert wird. John Palmer, ehemaliger US-Botschafter in Portugal und Mitglied im Nova-Orchester-Beirat, war ebenso angekündigt wie Victoria Reggie Kennedy – ihres Zeichens nicht nur US-Botschafterin in Österreich, sondern auch Witwe des Senators Edward Kennedy, dem Bruder des früheren US-Präsidenten John F. Kennedy.

Dass man in diesem Umfeld mit einer der beiden Zugaben dann auf viel Resonanz trifft, war vorprogrammiert. Mit „Prayer for Ukraine“, einem kurzen Werk, hat der ukrainische Komponist Valentin Silvestrov auf die gewalttätige Niederschlagung der friedlichen Proteste am Majdan-Platz 2014 reagiert.

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 1. Oktober 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

William Garfield Walker, Dirigent Nova Orchester Wien (NOW!) Musikverein, Brahms-Saal, 18. Mai 2022

William Garfield Walker, Rebecca Nelsen, Nova! Orchester, Gustav Mahler, Symphonie Nr. 4 G-Dur Musikverein Wien, Brahms-Saal, 15. Oktober 2021

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