„Die Perlen der Cleopatra“ erzählen von Liebe am Nil und anderen Katastrophen

Oscar Straus, Die Perlen der Cleopatra  Komische Oper im Schillertheater, 12. April 2025 (Wiederaufnahme)

© Iko Freese / drama-berlin.de

Wäre es doch möglich, die blutigen Konflikte auf der Welt so zu lösen, wie in dieser Operette: Nicht auf dem Schlachtfeld, sondern im Boudoir! Der Friede würde besiegelt und begossen werden mit einem kühlen Bier. Vorzugsweise mit  Berliner Dosenbier. Das wärs doch!

Eine der schrägsten Operetten der Ära Barrie Koskys ist zurück. Mit Dagmar Manzel als Königin vom Nil, die wegen der Kunst ihrer sprachlichen Nuancen wirklich eine Königin ist.

DIE PERLEN DER CLEOPATRA
Operette von Oscar Straus
Libretto von Julius Brammer und Alfred Grünwald

Uraufführung im Theater an der Wien am 17. November 1923
Premiere in der Komischen Oper Berlin am 3. Dezember 2016

Inszenierung: Barrie Kosky
Choreografie: Otto Pichler
Kostüme: Victoria Behr

Musikalische Leitung: Adam Benzwi

Es spielt das Orchester der Komischen Oper Berlin

Komische Oper Berlin im Schillertheater, 12. April 2025 (Wiederaufnahme)

von Ralf Krüger

Wäre das ein Film, einer dieser Lustspielfilme der 50er- oder frühen 60er-Jahre, hätte man aus diesem Stoff eine Klamotte gemacht. Bei all den Turbulenzen im Stück, bei der Hektik und schnellen Abfolge der Handlung eine logische Konsequenz. Aber dies hier ist Theater und bedeutet harte Arbeit – und wie es Barrie Kosky inszeniert hat, bedeutet es Schwerstarbeit. Die „Perlen“ bieten so viel punktgenauen Witz, da darf niemand schlafen oder seinen Einsatz verpassen, sonst verpufft der Spaß.

Es ist ein Vorzug des Schillertheaters, dass man als Zuschauer der ersten Reihe im Rang nicht nur den Dirigenten des Orchesters und einen kleinen Teil seiner Musiker sehen kann, sondern alle, die dort unten musizieren. Dabei fällt mir auf, dass Adam Benzwi die Partitur völlig auswendig kennt, ebenso die Liedtexte und neben dem Dirigieren auch den Klavier-Part im Orchester übernimmt. Der Mann steht und sitzt in enger Abfolge und es ist eine Freude, so einem Profi bei der Arbeit zu zuschauen.

Regieren ist gar nicht so einfach und wann soll man damit beginnen, fragt sich Cleopatra in ihrem Regierungssessel am Nil und hat die Lacher auf ihrer Seite. Wann wird unser Land mal wieder richtig regiert, fragen sich sicher viele Zuschauerinnen und Zuschauer an diesem Abend und jeder hat seine eigenen Gedanken dazu. In Ägypten ist die Lage jedoch weitaus dramatischer als (noch) bei uns. Der Nil führt Niedrigwasser, die Felder an den Ufern vertrocknen, eine Palastrevolte droht und die Römer sind auf dem Vormarsch nach Alexandria.

Die Herrscherin gibt indes stimulierende Perlen in Gläser mit rotem Wein, rührt gut um und reicht es Mann um Mann, um sie alle zu vernaschen. Der ein oder andere wird es nicht überleben und die Krokodile im Fluss haben nachträglich ihren Spaß mit ihnen, andere werden begnadigt, zu einem bürgerlichen Leben verurteilt oder ins Leibregiment übernommen.

So also ist Cleopatra, launisch und liebeshungrig, uneins beim Regieren und träge beim Entscheiden, aber auf den Mund gefallen ist sie nie.

Und so ist Dagmar Manzel, urkomisch und souverän in dieser Rolle. Und wenn sie knallhart und in (unserer so ruppigen) Berliner Mundart ihre Befehle erteilt, da geht jeder Mann freiwillig auf die Knie und winselt um Gnade. Sie kann aber auch leise säuselnd und schüchtern ihre Stimme variieren und sie spricht zu uns als Katze Ingeborg.

© Iko Freese / drama-berlin.de

Die Idee, Cleopatra eine Gesprächspartnerin direkt an die Hand zu geben, entstand bei den Vorbereitungen zum Stück, erzählt Barrie Kosky im Programmheft. Ingeborg ist eine Art Handschuhpuppe und Frau Manzel wird zu ihrer Bauchrednerin. Auch das macht sie gut.

Der Bariton Dominik Köninger singt und spielt Viktorian Silvius, einen römischen Offizier und Legionär mit Heldenstatus und blondgelocktem Haar. Er wird zwar von der Königin für Liebesdienste herangezogen, hält aber seiner Freundin, der Hofdame Charmian (Julia Domke), die Treue. Der Zuschauer weiß, er befindet sich auf ägyptischem Boden, aber wenn die Musik erklingt und Viktorian und Charmain ihr Liebesduett singen, wird eine Brücke nach Wien geschlagen, zu Oscar Straus und ein jeder merkt, wir sind immer noch in einer österreichischen Operette, mit den Noten eines Genies seiner Zeit.

Der Tenor Johannes Dunz singt Beladonis, einen Prinzen aus Persien, dem Schöngeist des Werkes, gehüllt in üppige Kleider, mit einer Liebesflöte auf dem Rücken und er buhlt ganz offiziell um die Königin. Aber die Braven will sowie niemand.

Zuletzt sei Kammersänger Peter Renz genannt. Seit Jahrzehnten ist er durch Operetten- und Musical-Produktionen mit Barrie Kosky und der Komischen Oper verbunden. Es sind meist die kleinen Rollen, die er verkörpert, aber in den „Perlen“ darf er als Marcus Antonius mit Cleopatra das erwähnte Dosenbier öffnen und… – nein, das weitere wird hier nicht verraten.

© Iko Freese / drama-berlin.de

Zum Schluss liegen wir alle dieser Produktion zu Füßen und feiern mit ihnen auch das Ballett. 6 Damen und 6 Herren, die in den fast drei Stunden eigentlich immer auf der Bühne in Action sind. In raffinierten Kostümen, bei denen mit Stoff mächtig gegeizt wurde, was aber niemanden stört. Der Zeitgeist der 1920-er Jahre, mit seinen neuen, wilden und erotischen Tänzen, umgarnt diesen Operetten-Fund, der in Wien 1923 zur Welt kam und schon ein halbes Jahr später auch nach Berlin herüber schwappte. Hier haben die „Perlen der Cleopatra“ ein ständiges Zuhause gefunden.

Ralf Krüger, 13. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Für die Spielzeit 2025/26 kündigt die Komische Oper die Wiederaufnahme einer weiteren Oscar Straus-Operette an. „Eine Frau, die weiß, was sie will“ inszenierte Barrie Kosky als Zweipersonenstück mit Dagmar Manzel und Max Hopp. Start ist am 23. Dezember 2025 und schon zwei Tage zuvor ist eine Operetten-Neuproduktion am Haus zu bewundern. „In Frisco ist der Teufel los“ von Guido Masanetz setzt die mit „Messeschlager Gisela“ begonnene Reihe des „Heiteren Musiktheaters der DDR“ fort.

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