Foto: Sol Gabetta und Paavo Järvi © Blende Drei
Manchmal muss man Hermann Hesses Satz aus dem Gedicht „Stufen“ heranziehen, um seine Eindrücke zu formulieren. Denn Paavo Järvi, der aktuelle Chefdirigent des Tonhalle-Orchesters Zürich, präsentierte mit den Symphonien Nr. 1 und 2 von Gustav Mahler den Beginn des neuen Mahler-Zyklus mit seinem hervorragenden Orchester.
Robert Schumann: Konzert für Violoncello und Orchester a-moll, op. 129
Gustav Mahler: Symphonie Nr. 1 D-Dur
Sol Gabetta, Violoncello
Paavo Järvi, musikalische Leitung
Tonhalle-Orchester Zürich
Musikverein Wien, 21. November 2025
von Herbert Hiess
Das Schweizer Orchester ist eines der führenden Klangkörper in Europa und nimmt auch weltweit einen gebührenden Platz ein. Und unter Paavo Järvi und zuvor unter David Zinman hat es berechtigterweise einen wohlverdienten Platz innerhalb der Orchesterlandschaft eingenommen.
Paavo Järvi präsentierte an diesem Abend die erste Symphonie des österreichischen Komponisten Gustav Mahler. Dieses Werk wird von vielen Dirigenten (und auch Orchestern) nicht wirklich ernst genommen; manchmal hat man den Eindruck, dass diese Symphonie bei den Interpreten keinen besonderen Stellenwert einnimmt – und dann als lästiges aber notwendiges Übel angesehen wird.
Jedoch nicht bei Paavo Järvi und seinem Orchester. Von Anfang an hört man schon die Größe der Symphonie und den Ausblick auf Mahlers Spätwerke.
Endlich beginnt diese Symphonie mit einem wunderschönen Flageolett der Streicher quasi „aus dem Nichts“. Und endlich wird der zweite Satz tatsächlich als „Landler“ (mit Elementen der österreichischen Volksmusik) gespielt und nicht einfach linear durchgeführt. Der dritte Satz mit dem „Frère Jaques“ allein war schon den Besuch des Konzertes wert – hier muss der großartige Kontrabassist hervorgehoben werden; die Musikalität des Orchesters und des Solisten war einfach umwerfend. Und in der Mitte dieses Satzes hörte man, wie die „Lindenbaumpassage“ klingen kann und muss; mit einem fast unhörbaren Pianissimo erlebte man Gänsehaut pur. Auch bestechend die klezmerartigen Einwürfe der Holzbläser. Und im Finalsatz zeigten Järvi und die Orchestermusiker, dass die langsamen Teile schon viel von Mahlers letzten Symphonien enthalten; das brillante Finale rief völlig zurecht großen Jubel hervor.
Auch bei der Probe der 2. Symphonie konnte man die Brillanz des Orchesters erkennen. Mit den großartigen Sängerinnen Mari Eriksmoen (Sopran) und Anna Lucia Richter (Alt) sang der hervorragende Wiener Singverein ein mehr als brillantes Finale. Auch der innig gesungene 4. Satz („Oh Röschen rot“) war überaus beeindruckend.
Maestro Paavo Järvi sagte in einem kurzen Gespräch, dass sie den Mahlerzyklus innerhalb der nächsten beiden Jahre vollenden wollen. Auf die Frage nach weiteren Terminen in Wien antwortete er (leider!), dass da noch nichts geplant sei. Da sollten die Veranstalter also rasch handeln.
Nun zurück zum Konzert vom 21. November. Die hervorragende argentinische Cellistin Sol Gabetta verzauberte mit einer unnachahmlichen Musikalität und einer ebensolchen Technik. Das Konzert ist griffmäßig und bogenführungsmäßig eines der schwersten. Oft können die gewaltigen Legatobögen zu „schiefen“ Tönen führen; das passierte hier der Solistin ganz selten. Gemeinsam mit dem hervorragenden Orchester, das manchmal allzu sehr in den Hintergrund rückte, konnte die Cellistin eine hervorragende Interpretation hinlegen.

Musikalisch ganz besonders war die Zugabe! Sol Gabetta und die Cellogruppe des Orchesters spielten die Fassung für Celloensemble und Violoncello der „Fünf Stücke im Volkston“ für Violoncello und Klavier op. 102 von Robert Schumann. Wunderbar mit welcher Hingabe und Musikalität Sol Gabetta und die Orchestercellistin dieses Werk interpretierten. Und auch die Bearbeitung ließ das Fehlen des Klavieres absolut nicht bemerken!
Alles in allem war das Konzert ein großer Wurf; hoffentlich kann man Paavo Järvi und die Züricher Musiker bald in Wien wieder hören!
Herbert Hiess, 23. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
DKPB Paavo Järvi/Janine Jansen Alte Oper Frankfurt, 16. Mai 2025
Auf den Punkt 57: Paavo Järvi /Janine Jansen Elbphilharmonie, 11. Mai 2025
Tonhalle-Orchester Zürich, Paavo Järvi Elbphilharmonie, 10., 11. und 12. November 2022