Foto: Luca Salsi als Baron Scarpia © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
Schade, dass sie ihn ersticht. Ein Gedanke, der einen leider übermannt, als Scarpia dran glauben muss. Bei Puccinis „Tosca“, die gerade an der Wiener Staatsoper läuft. Immerhin ist er ja nicht gerade der Sympathieträger der Oper, die stark an den Verismo angelehnt ist. Der Bariton Luca Salsi stellt allerdings alle in den Schatten.
Giacomo Puccini
Tosca
Margarethe Wallmann, Inszenierung
Marco Armiliato, Musikalische Leitung
Wiener Staatsoper, 31. März 2023
von Jürgen Pathy
„Er war mit Abstand der Beste!“, tönt es einhellig aus den Reihen des Publikums. Im ersten Akt, als auch im zweiten Akt, wo man die etwas warmherzigeren Stellen, zwar weicher, runder gestalten kann. Die Kraft und die Präsenz, mit der Luca Salsi aber diesem Scarpia hier zu voller Manneskraft verhilft, sucht schon seinesgleichen. Da kann kaum einer mithalten.
Thomas Hampson, der Liebling aller Frauen, hat ihn vielleicht charmanter gestaltet. Damals, im Februar 2019, am selben Platz und Ort. Der Waliser Bryn Terfel in Summe vielleicht etwas ausgewogener. Luca Salsi allerdings, der gebürtige Italiener, derart packend und stimmlich viril, dass man sich schon mal beim Gedanken ertappt: Holy shit, was ist das für eine prägnante Stimme! Bei einem anderen an diesem Abend, da erging es einem fast ähnlich. Leider aber nur zu Beginn.
ItalianItÀ schmeckt anders
Auf fast allen großen Bühnen ist er bereits gestanden. New York, Mailand, London und nun auch Wien. Nur die Salzburger Festspiele würden auf seiner Liste noch fehlen, wie Michael Fabiano im Interview mit Eric A. Leuer von „The Opera Blog“ betont. Als Cavaradossi hat er in Wien nun nicht so eingeschlagen.
Da fehlt es dem US-Amerikaner, dessen Wurzen nach Italien reichen, vor allem an einem – dem Schmelz. Dem Weichen, dem Verführerischen, der sogenannten „Italianità“, mit der Piotr Beczała hier schon so oft die Herzen brechen konnte. Eklatant zum Vorschein tritt das bei Fabiano vor allem beim „E lucevan le stelle“. Der berühmten Arie, in der sich der Maler Cavaradossi – angesichts seiner bevorstehenden Hinrichtung – nochmals an eine Liebesnacht mit Tosca erinnert. Und sein Herz in einem allerletzten Liebesbrief ausschüttet.
Der Star sitzt wieder einmal im Graben
Da trifft an diesem Abend nur einer ins Ziel. Marco Armiliato, der das Staatsopernorchester zu einem Geniestreich verführt. Zu einem sanft gebetteten, der die Sterne nochmals heller leuchten lässt. Egal, wie schrecklich man sich auf der Galerie mal wieder gebärdet. Die junge Dame links vor mir mit ihren Armreifen klimpert. Oder die etwas reiferen Alters, einige Plätze rechts davon, mit ihren Ausdünstungen der empfindlichen Nase enorme Herausforderungen setzt. Wenn Armiliato und das sensationell aufspielende Orchester der Wiener Staatsoper einen derart herrlich duftenden Klangteppich in h-Moll aufziehen, rückt auch das alles in den Hintergrund.
Ebenso der lärmende Nieser, der verfrühte Applaus zum Ende des 2. Akts und – man muss es leider sagen – auch die Sängerin der Titelpartie. So oft Krassimira Stoyanova hier schon für Furore gesorgt haben will, für unvergessliche Abende und Stunden. Man möge sich hier stellvertretend nur immer wieder ihre Desdemona aus Verdis „Otello“ in Erinnerung holen. Als Floria Tosca scheint die mittlerweile 60-jährige Kammersängerin nicht wirklich prädestiniert. Das „Vissi d’arte“ sei zwar wirklich top gewesen, meint ein Gast. „Ich habe das Gefühl, sie hat sich da extra alles dafür aufgespart“. Mit der Luft und dem Legato scheint sie da aber fast an ihre Grenzen gestoßen zu sein.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 2. April 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Jürgen Pathy, Baujahr: 1976, lebt in Wien. Von dort möchte der gebürtige Burgenländer auch nicht so schnell weg. Der Grund: die kulturelle Vielfalt, die in dieser Stadt geboten wird. Seit 2017 bloggt und schreibt der Wiener für Klassik-begeistert. Sein musikalisches Interesse ist breit gefächert: Von Bach über Pink Floyd, Nick Cave und AC/DC bis zu Miles Davis und Richard Wagner findet man fast alles in seinem imaginären CD-Schrank. Zur „klassischen Musik“, wie man sie landläufig nennt, ist der Rotwein-Liebhaber und Fitness-Enthusiast gekommen, wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind: durch Zufall – aber auch relativ spät. Ein Umstand, weswegen ihn ein Freund wie folgt charakterisiert: „Du gehörst zu derjenigen ideellen Art der Zuhörer, die ich am meisten bewundere. Du verbindest Interesse, Leidenschaft und intelligente Intuition, ohne von irgend einer musikalischen Ausbildung ‚vorbelastet‘ zu sein.“
Giacomo Puccini, Tosca, Teatro alla Scala Mailand, 22. Dezember 2019