Richard Strauss' „Arabella“ in der Semperoper Dresden kredenzt musikalische Sternstunden

Richard Strauss, Arabella,  Semperoper Dresden
Foto © Klaus Gigga
Semperoper Dresden, 7. Dezember 2018
Richard Strauss, Arabella
von Pauline Lehmann

Dieser Opernabend beglückt mit sängerischen Sternstunden und einem lyrischen Orchesterklang. Es gelingt dem Dirigenten Asher Fisch, Strauss’ Klanggewebe zu durchdringen. Die musikalische Sprache folgt der Handlung. Gesprochene Dialoge, kecke Parlandi und schwelgerische Passagen wechseln sich ab und schaffen Kurzweil. Orchester, Chor und Solisten bilden eine Einheit.

„Arabella“ ist die letzte gemeinsame Oper von Richard Strauss und seinem kongenialen Librettisten Hugo von Hofmannsthal. Am 1. Juli 1933 – als sich der politische Himmel über Deutschland bereits verdunkelt hatte – erlebte die lyrische Komödie in der Dresdner Staatsoper unter Clemens Krauss und mit Viorica Ursuleac in der Titelpartie eine umjubelte Premiere.

Die Inszenierung von Florentine Klepper ist eine Koproduktion mit den Osterfestspielen Salzburg und seit der Spielzeit 2014/15 auf der Bühne der Semperoper zu erleben. Klepper zeichnet die Protagonisten als facettenreiche Persönlichkeiten fernab von Klischees, aber ohne, dass sich letztendlich ein klares Bild ergibt.

Die Bühne eröffnet den Blick auf eine Hotelsuite. Der frühere Glanz schimmert hindurch, doch die Zeit hat sichtbar ihre Spuren hinterlassen. Gräfin Adelaide lässt sich von einer Wahrsagerin die Zukunft aus den Karten lesen, während Zdenka – als Junge verkleidet – Rechnungen entgegennimmt.

Die Bühnenbildnerin Martina Segna platziert die Zimmer der Hotelsuite auf einem Bühnenwagen, so dass immer wieder andere Ausschnitte ins Blickfeld rücken und das Publikum verschiedene Handlungen gleichzeitig überblickt. Die Protagonisten werden nahbarer und es gelingt eine diffizilere Darstellung der Bühnenwelt.

Graf Waldner kommt mit neuen Spielschulden nach Hause. Der letzte Fünfziger ist dahin und die Smaragdbrosche ist verpfändet. Auf Zimmer 8 wird nichts mehr serviert. Um den finanziellen Ruin der Familie abzuwenden, sucht der Vater einen reichen Mann für seine ältere Tochter. Indessen wartet Arabella weiter auf den Richtigen.

Das Duett der Schwestern Und selig werd ich sein und gehorsam wie ein Kind. – Werd ich dich segnen, meine Schwester ist klanglich wunderschön. Das dynamisch sensible Zusammenwirken von Orchestergraben und den beiden Solistinnen – Camilla Nylund und Katharina Konradi – beeindruckt.

Arabella findet den richtigen Mann in dem Fremden, dem sie auf der Straße begegnet. Es ist Mandryka, ein reicher Großgrundbesitzer und Neffe eines ehemaligen väterlichen Regimentskameraden. Mandryka erscheint als hünenhafte Gestalt im schwarzen Mantel und mit Bärenpelz. Er hat sich in Arabellas Bild verliebt und bittet Graf Waldner um ihre Hand: So gib das Mädel mir zur Frau und Herrin.

Bo Skovhus verkörpert einen souveränen Mandryka. Sein authentisches Spiel lässt vergessen, dass die Figur nur eine Rolle ist.

Auf dem abendlichen Fiakerball kommen sich Arabella und Mandryka zögerlich näher. Das Bühnenbild entführt in das herrschaftliche Wien. Die Halle des Hotels glänzt in hellem Marmor und ist in kühle Farben getaucht. Dahinter zeichnen sich die Silhouetten der Kutschen in der kalt-nebligen Winterluft ab.

Es ist ein besonderer Moment, als Mandryka von seiner verstorbenen Frau singt. Die Sächsische Staatskapelle trägt Mandrykas emotionale Wallungen. Arabellas Bild verbrennt ihm die Seele. Kraftvoll und gefühlvoll bricht es aus ihm heraus. Vor den Marmorstufen geben sich Arabella und Mandryka das Jawort.

Der Opernabend begeistert mit einem sängerischen Spitzenensemble. Camilla Nylund verzaubert durch ihr warmes Timbre. Besonders ihre dynamische, einfühlsame Interpretation von Arabellas Und selig werd ich sein und gehorsam wie ein Kind berührt tief. Die Finnin zeichnet eine kluge, lebensfrohe Arabella. Nur im ersten Aufzug wirkt sie schauspielerisch etwas schwerfällig.

Kurt Rydl glänzt als Graf Waldner und zeichnet den Rittmeister mit humorvollen Zügen und Wiener Dialekt. Katharina Konradi beeindruckt als Zdenka mit ihrem hellen Sopran und klaren Höhen.

Die Ballgesellschaft – uniform schwarz-weiß gekleidet, mit Gehrock, Zylinder und weißen Handschuhen – bildet eine geschlossene Reihe, die bedrohlich näherkommt. Vor den schwarz maskierten Augen der Wiener Kutscher sagt Arabella ihren früheren Verehrern Adieu.

Auf einer Rundbank ist Mandryka in den Armen einer lebensgroßen weiblichen Puppe zusammengesunken – eine Anspielung auf Oskar Kokoschkas Puppe seiner ehemaligen Geliebten Alma Mahler-Werfel. Die Puppe sowie eine weitere, überdimensionale Frauenfigur, die derSphinx des Malers Franz von Stuck nachempfunden ist, verzerren den Maskenball ins Groteske.

Ein Brief mit einem Zimmerschlüssel sorgt für Turbulenzen. Doch die Missverständnisse lösen sich auf. Zdenka gibt sich als Matteos Verführerin zu erkennen. Die Ballgesellschaft zieht sich zurück und der Bühnenraum schließt sich. Arabella verzeiht Mandryka. Nach altem Brauch seiner Heimat reicht sie ihm ein Glas Wasser und gibt sich ihm in Treue hin: Und so sind wir Verlobte und Verbundene auf Leid und Freud und Wehtun und Verzeihen! Die Sächsische Staatskapelle lässt Strauss’ Musik nochmals aufblühen. Wieder beeindrucken die hohe Kunst der Dynamik und der lyrische Orchesterklang.

Pauline Lehmann, 10. Dezember 2018, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Musikalische Leitung Asher Fisch
InszenierungFlorentine Klepper
Bühnenbild Martina Segna
Kostüme Anna Sofie Tuma
Licht Bernd Purkrabek
Choreografie Volker Michl
Chor Jörn Hinnerk Andresen
Dramaturgie Sophie Becker
Arabella Camilla Nylund
Mandryka Bo Skovhus
Graf Waldner Kurt Rydl
Gräfin Adelaide Christa Mayer
Zdenka Katharina Konradi
Matteo Thomas Blondelle
Graf Elemer Patrick Vogel
Graf Dominik Martin-Jan Nijhof
Graf Lamoral Alexandros Stavrakakis
Die Fiakermilli Olga Pudova
Eine Kartenaufschlägerin Sabine Brohm
Ein Zimmerkellner Rafael Harnisch
Welko Werner Harke
Djura Andreas Soika
Jankel Tobias Schrader
Tänzer Yevgen Bondarenko, Eugen Boos, Winfried Haas, Björn Helget, Christoph Uckermark, Hannes-Detlef Vogel
Komparserie Tobias Genswein, Maria Fiedler, Eva Maria Ganze, Anna-Luise Grumbt, Mandy Grünberg, Pauline Köhler, Jenny Mathias, Petra Müller, Dietmar Fiedler, Johannes Wissmann, Tobias Wünsche
Sächsischer Staatsopernchor Dresden
Sächsische Staatskapelle Dresden

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