Foto: Iréne Theorin © Chris Gloag
Königliche Oper Stockholm, 27. Januar 2018
Richard Strauss, Elektra
Simone Young, Dirigentin
Staffan Valdemar Holm, Inszenierung
Bente Lykke Møller, Bühne/Kostüme
Iréne Theorin, Elektra
Katarina Dalayman, Klytämnestra
Cornelia Beskow, Chrysothemis
von Yehya Alazem
Mit „Elektra“ begann eine der besten Zusammenarbeiten zwischen Librettist und Komponist in der Operngeschichte – Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal wurden ein Dream Team. Mit seiner vierten Oper ging Richard Strauss an die Grenze seiner musikalischen Schaffenskraft. „Elektra“ wurde sein expressionistischstes Werk, er sollte danach keine Musik mehr schreiben, die so atonal und experimentell war.
Das Thema der Psychoanalyse von Siegmund Freud war in der Zeit der Komposition sehr aktuell, die Uraufführung war am 25. Januar 1909 an der Dresdner Hofoper. In „Salome“ und „Elektra“ wollte Strauss durch seine Titelheldinnen das Verflossene und das Unterbewusstsein des Menschen herausstellen.
Die Inszenierung der „Elektra“ von Staffan Valdemar Holm an der Königlichen Oper in Stockholm, die ihre Premiere im Dezember 2009 feierte, geht von dem psychologischen Kern des Dramas aus. Die Inszenierung ist zeitlos, minimalistisch, und das Hauptthema des Bühnenbildes von Bente Lykke Møller ist Klaustrophobie. Elektra lebt zwischen blutgefärbten Wänden, wo ihr Hass und ihre Rache von Tag zu Tag wachsen. Das ganze Haus zittert vor der entsetzlichen Mutter Klytämnestra, die trotz ihres Lachens nach dem Dialog mit Elektra innerlich gestorben ist.
Die ehemalige Hamburgische Generalmusikdirektorin und Intendantin der Hamburgischen Staatsoper Simone Young leitet die Königliche Hofkapelle mit solider Hand. Young lässt die Sänger atmen und die Stimmen über das Orchester frei fließen. In den schönen, tonalen Passagen spielen die Musiker unglaublich angenehm, und in den dramatischen und atonalen Stellen verliert das Orchester nie die Präzision und Transparenz.
Klytämnestra ist eine Rolle, die keinen schönen Gesang verlangt. Aber Katarina Dalayman, die ihre Karriere als dramatische Sopranistin begonnen und die Elektra in der Premiere dieser Inszenierung gesungen hat, zeigt, dass sie eine Stimme hat, die auch im tiefen Register begeistert. Die böse, hässliche Ausdruckskraft und die atonalen Linien gelingen ihr souverän.
Cornelia Beskow, geboren 1986, ist eine der interessantesten kommenden Sopranistinnen in Skandinavien. Im Mai 2017 sang sie im selben Haus die Rolle der Sieglinde, was eigentlich zu früh für sie war. Es gibt keinen Zweifel, dass sie ein hervorragendes Stimmmaterial besitzt, sie sollte jedoch warten, bis sie reif ist für dramatische Rollen.
Ihre Stimme hat überhaupt keinen Mangel an dramatischer Kraft. Diese Kraft muss aber runder werden: im Moment klingt sie so scharf, dass man sich bei ihren höheren Tönen die Ohren zuhalten muss. Sie besitzt eine wunderbare Ausstrahlung und Bühnenpräsenz sowie eine Stimme mit großem Potenzial, muss aber aufpassen, dass sie diese Stimme nicht zu früh ruiniert.
Die Titelpartie singt eine außerordentliche Sopranistin, die ALLES für diese Rolle hat. Die in Småland geborene schwedische Sopranistin Iréne Theorin ist seit ihrem Debut in Salzburg 2010 eine der zuverlässigsten Sängerinnen, die diese Rolle beherrschen. Elektra hat sie auch in Paris, Antwerpen, München und Dresden gesungen – nun zum zweiten Mal in ihrer Heimat Schweden.
Theorin liefert eine facettenreiche Interpretation dieser Rolle und begeistert in allen Lagen und allen Situationen. Ihre solide, elastische Stimme bringt mit strahlender Höhe und dramatischer Kraft die tiefen psychischen Motive hervor, vor allem in der ersten Szene „Allein“ und in der Szene mit Klytämnestra. Ihre warme Mittellage und phantastische Pianissimi machen die Erkennungsszene mit Orest einfach traumhaft. Dies ist eine Leistung der absoluten Spitzklasse, die kaum besser werden kann.
Yehya Alazem, 29. Januar 2018, für
klassik-begeistert.de
Foto: Chris Gloag