Es nimmt einem den Atem: „Salome“ unter Omer Meir Wellber mit Asmik Grigorian

Richard Strauss, Salome,  Hamburgische Staatsoper, 9. Oktober 2025

Doris Soffel (Herodias), Wolfgang Ablinger-Sperrhacke (Herodes), Asmik Grigorian (Salome), Kyle Ketelsen (Jochanaan), Oleksiy Palchykov (Narraboth), Aebh Kelly (Page) (Foto: RW)

Was Wellber an dynamischen Abstufungen, an expressiver Dramatik und ebenso lyrischem Schönklang aus dem Orchester herausholte, war einfach fabelhaft. Spontan kommt mir nur Karl Böhm in den Sinn, der im Hamburger Haus 1973 eine ähnlich erregende Elektra-Serie dirigierte.

Salome, Oper und Libretto von Richard Strauss nach dem gleichnamigem Schauspiel von Oscar Wilde

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Leitung  Omer Meir Wellber

Inszenierung und Bühne  Dmitri Tcherniakov
Kostüme  Elena Zaytseva

Hamburgische Staatsoper, 9. Oktober 2025

von Dr. Ralf Wegner

So etwas haben wir lange nicht erlebt, ein Orchesterspiel wie im Rausch und eine Salome, deren darstellerisches Spiel verbunden mit grandioser Sangeskunst einem den Atem nimmt. Man möchte die Luft anhalten, um nicht den geringsten Klangeindruck zu verpassen. Wellber hat das Orchester dermaßen im Griff, dass ich mich weit zurückerinnern muss, um so eine grandiose Klanginterpretation erlebt zu haben. Spontan kommt mir nur Karl Böhm in den Sinn, der im Hamburger Haus 1973 eine ähnlich erregende Elektra-Serie dirigierte. Was Wellber an dynamischen Abstufungen, an expressiver Dramatik und ebenso lyrischem Schönklang aus dem Orchester herausholte, war einfach fabelhaft.

Und Asmik Grigorian steigerte sich mit diesem Orchesterklang noch deutlich über ihre Premierenleistung im Jahr 2023 hinaus. Mit welcher Kraft und satter Stimmschönheit sie über dem Orchester lag, mit welcher Brillanz sie ihre Stimme ohne jedes störende Vibrato in der Schwebe hielt oder anschwellen ließ und wie sie tiefbeseelt die Töne band, um ihre Liebessehnsucht auszudrücken, berührten Herz und Verstand.

Omer Meir Wellber (musikalische Leitung) mit dem Salome-Ensemble (Foto: RW)

Wolfgang Ablinger-Sperrhacke als Herodes und Doris Soffel als Herodias ergänzten sie perfekt. Auch sie wurden von dem brillanten Orchesterspiel und Grigorians betörendem Gesang zu Höchstleistungen stimuliert, ebenso die übrigen Beteiligten, darunter Kyle Ketelsen und Oleksiy Palchykov als Jochanaan sowie Narraboth. Im Vergleich mit der Premierenserie rückte vor allem Doris Soffel mit ihrer ausdruckstarken kraftvollen Stimme und einer überzeugenden Rollengestaltung die Rolle der Herodias stärker in den Vordergrund. Die Begeisterung des Publikums war am Ende grenzenlos.

Dr. Ralf Wegner, 10. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Salome, Oper von Richard Strauss Staatsoper Hamburg, 15. November 2023

Richard Strauss, Salome Staatsoper Hamburg, 12. November 2023

Richard Strauss, Salome Staatsoper Hamburg, 12. November 2023

Richard Strauss, Salome Staatsoper Hamburg, 29. Oktober 2023

Asmik Grigorian, Richard Strauss, Vier letzte Lieder Musikverein Wien, 18. Jänner 2025

CD-Rezension: Asmik Grigorian, Richard Strauss 4 + 4 = 8 >br> klassik-begeistert.de, 24. Februar 2024

3 Gedanken zu „Richard Strauss, Salome,
Hamburgische Staatsoper, 9. Oktober 2025“

  1. Lieber Ralf,
    volle Zustimmung zu Deinen Eindrücken von gestern Abend. Ich habe es ebenso genossen wie Du, das war wahrlich eine grandiose Vorstellung. Dass mir das über die Tastatur geht, nach Jahrzehnten voller Tristesse, macht mich sehr optimistisch für die weitere Zukunft in Hamburg.

    Viele Grüße,
    Patrik Klein

  2. Lieber Herr Dr. Ralf Wegner,

    Omer Meir Wellber hat mir ein orchestrales Highlight serviert, das ich so schnell nicht vergessen werde. Sein Gesamtkonzept, mit dem er Mahlers Fünfte über gut 70 Minuten zu einem dramatischen Fünf-Akter der Sonderklasse erhoben hat, war sensationell. Jede Feinheit war herausgearbeitet: die Ländler, die glühenden Streicher, die Wiener Hörner haben dunkelrot geblutet und Wellbers jüdische Wurzeln haben das Schtetl erweckt, das Mahler in Musik verpackt hat. Alles, vom markanten Trauermarsch bis zum krönenden Rondo-Finale, ein einziger Traum. Wellber hat in Polen mit den Wiener Symphonikern eine Duftmarke gesetzt, die dort so schnell niemand löschen wird.

    ABER: Als Operndirigent hat er bislang schwer enttäuscht. Da wäre etwa sein Versuch, den Lohengrin zu „entnazifizieren“, wie er es selbst genannt hat – das ging gründlich daneben und hat nicht nur viele Staatsopernbesucher in Wien ratlos zurückgelassen. Auch so mancher Künstler zeigte sich wenig begeistert, nachdem Wellber über alle Übergänge hinweggefetzt war und der Oper jede Spannung geraubt hatte.

    An der Volksoper Wien, die er nach einem kurzen Zwischenspiel als GMD nun Richtung Hamburgische Staatsoper verlassen hat, konnte er ebenfalls kaum überzeugen. Selten habe ich eine so lasche Salome gehört – ohne Konzept, ohne Spannung, ohne Klangschönheit, ohne Dramatik.

    Natürlich kann die neue Umgebung ihn motivieren: der Posten an einem Opernhaus, das auf ein große Geschichte zurückblicken kann. Das Orchester, das mir komplettes Fremdland ist. Das sind alles äußere Umstände, die zweifellos Einfluss auf das Klangbild und die Interpretation haben können. Mit den Wiener Philharmonikern muss man mal zurecht kommen. Und das Orchester der Volksoper Wien spielt vermutlich nicht auf demselben Niveau wie in Hamburg und keineswegs wie an der Wiener Staatsoper.

    Ich trau’s dem Eigenbrödler aber zu, dass er den Geist, den er in Mahlers Fünfter gefunden hat, auch an der Oper bergen kann.

    Liebe Grüße,
    Jürgen Pathy

  3. Für mich braucht’s kein neues Opernhaus in Hamburg. Wenn ich eine erstklassige Opernaufführung erleben darf, wie die Salome am 9. Oktober in der Staatsoper Hamburg, dann ist das Musikereignis da. Ohne neues äußerliches Gewand, ohne schmückendes Beiwerk. Einfach Oper (in diesem Fall Richard Strauss) pur. Mich hat jeder Ton erreicht. Das Beben, das Sehnen, das Wüten, das Frieren. Alles war da. War das Philharmonische Staatsorchester dasselbe wie in der letzten Saison? Es hat phänomenal gespielt. Ein grosses Dankeschön geht an den neuen GMD Omer Meir Wellber. Mir wurde ein musikalisch unvergesslicher Abend bereitet. Ein Hochgenuss.
    Asmik Gregorian hat sich stimmlich auf dem Klangteppich entfalten können. Ihre Salome ist hinreissend packend, traurig, flehend, trotzig, sehnsüchtig, sich hingebend – ihr ganzes furchtbares Leid wurde im Zuschauerraum spürbar. Ein unvergesslicher Abend, ein Erlebnis!

    Iris Röckrath

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