Foto: Ausrine Stundyte (Salome), Christian Natter (Oscar Wilde)
Credits: Monika Rittershaus
Staatsoper Unter den Linden Berlin, 13. Dezember 2019
Richard Strauss, Salome
von Peter Sommeregger
Über Jahrzehnte hat der Regisseur Hans Neuenfels durch seine zum Teil extremen Theater-und Opernproduktionen polarisiert. Gemeinsam war diesen aber jeweils eine diskussionswürdige Sicht auf das inszenierte Werk. In der Inszenierung der Oper Salome für die Staatsoper Unter den Linden im Jahr 2018 verletzt er aber ein ungeschriebenes Gesetz des Regie-Handwerks: Er denunziert das Stück und gibt sowohl das Drama als auch seine handelnden Personen der Lächerlichkeit preis.
Von seinem bevorzugten Bühnenbildner Reinhard von der Thannen ließ er sich Dekorationen in strengem schwarz-weiß bauen. Der Prophet Jochanaan, laut Text in einer Zisterne gefangen gehalten, steckt in dieser Produktion in einer penisförmigen Metallkapsel, deren Innenansicht stark an eine ICE-Toilette erinnert. Da diese Lösung sich nicht mit dem Libretto in Einklang bringen lässt, wird die monströse Kapsel von der Statisterie nach Bedarf beiseite geschoben.
Reich an ähnlichen Verlegenheitslösungen und Ungereimtheiten schreitet die Handlung voran. Extrem störend und unsinnig ist die Einführung einer stummen Rolle, die den Textdichter Oscar Wilde verkörpern soll. Der bedauernswerte Darsteller wird mit künstlichen, übergroßen Hoden „ausgestattet“ und irrlichtert abendfüllend über die Bühne. In Salomes Schleiertanz, der natürlich nicht als solcher ausgeführt wird, übernimmt er die Rolle eines Tanzpartners für die Prinzessin von Judäa.
Der Gipfel der Ungereimtheiten ist erreicht, als nach Jochanaans Enthauptung ein Tableau mit etwa drei Dutzend abgeschlagenen Köpfen auf der Bühne erscheint. Zwei davon darf Salome im Laufe des Schlussgesangs fallen lassen, sie zerbrechen spektakulär in tausend Scherben.
Dies ist dann der Schlusspunkt einer Aufführung, die offenbar schon vor der Premiere den verständlichen Unmut des vorgesehenen Dirigenten Christoph von Dohnanyi erweckte, der 2018 kurzfristig aus der Produktion ausstieg. Wer will es ihm verdenken? Der junge Dirigent Thomas Guggeis erhielt dadurch eine Riesenchance, die er auch genutzt hat.
Inzwischen wird er am Haus verstärkt für die Betreuung des Repertoires eingesetzt. Auch diese Wiederaufnahme der Salome ist ihm anvertraut, er hat den großen Apparat, den diese Oper erfordert, sehr gut im Griff, begleitet die Sänger sensibel und lässt das Orchester üppig aufblühen.
Die Sänger sind noch weitgehend mit der Premierenbesetzung identisch. Der Jochanaan des Thomas J. Mayer lässt trotz Ansage vor Beginn der Vorstellung kaum Wünsche offen. Warum er ein Ballkleid tragen musste, bleibt Neuenfels‘ Geheimnis. Auch Peter Sonn als Narraboth und Annika Schlicht als Page, ebenso wie Marina Prudenskaya als Herodias werden ihren Rollen ausgezeichnet gerecht. Neu ist der Herodes von Vincent Wolfsteiner. Dieser besticht neben sicher geführtem, kernigem Heldentenor durch große Textverständlichkeit, in dieser Rolle selten anzutreffen.
Neben der Regie ist die Besetzung der Salome das zweite große Manko dieser Aufführung. Die optisch und darstellerisch eindrucksvolle Ausrine Stundyte ist dieser anspruchsvollen Rolle stimmlich in keiner Weise gewachsen. Ihre Stimme, die in der Mittellage und im Piano sogar einzelne schöne Töne hervorbringt, trägt aber in den dramatischen Ausbrüchen nicht. Tiefe Register sind nicht vorhanden, einzelne Passagen sind kaum hörbar, im Forte gerät die Stimme schnell an ihre Grenzen. Insgesamt hat man den Eindruck eines beschädigten und überforderten Organs.
Das sind dann der Defizite doch zu viele. Etwas verstimmt verlässt man das Haus, in dem viele Plätze leer geblieben waren.
Peter Sommeregger, 14. Dezember 2019, für
klassik-begeistert.de
Ausrine Stundyte Salome
Vincent Wolfsteiner Herodes
Marina Prudenskaya Herodias
Thomas J. Mayer Jochanaan
Peter Sonn Narraboth
Annika Schlicht Page
Hans Neuenfels Regie
Reinhard von der Thannen Bühne
Thomas Guggeis Dirigent
Ich kann dem Kritiker nur zustimmen. Die salome 1979 im selben Haus hatte ein anderes Niveau.
Henning Beil