Was soll so ein Blödsinn, werter Herr „Regisseur“ Valentin Schwarz aus Oberösterreich? Dieser Schwach-Sinn hat nichts mit den Intentionen und dem Libretto Richard Wagners zu tun.
Bayreuther Festspiele, 28. Juli 2024
Richard Wagner, Das Rheingold
von Andreas Schmidt (Text und Foto)
Eine gute Leistung in Bayreuth: „Das Rheingold“, der Vorabend des Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“, startete mit überwiegend guten und einigen sehr guten Solisten und einer Inszenierung, die von Dummheit, Weltfremdheit, Borniertheit, Hass (Kindesmissbrauch) nur so trotzt. Richard Wagner wird diese Oper im Himmel nicht verstehen… und, sorry: kotzen… aber ich habe versprochen, nicht über die Inszenierung zu schreiben eines RINGES, der hoffentlich nach dem dritten Jahr abgesetzt wird, einem RING, der 2024 nur zweimal durchläuft auf dem Grünen Hügel.
Nur eine Frage: Was soll der depressiv-schwarze Hybrid-SUV mit reichlich PS, der für die Handlung vollkommen! bedeutungslos war – die Riesen steigen zweimal ein –, nicht bewegt wurde und offensichtlich nur penetrante Schleichwerbung für einen baden-württembergischen Automobilhersteller war.
„Tief ist der Brunnen der Vergangenheit.“ Mit diesen Worten beschrieb Thomas Mann, immer der von Wagner inspirierte Autor, das Uranfängliche. Ein waberndes Kontra-Es steigt aus dem Graben, der Vorabend zum Ring nimmt seinen Anfang.
In diese düster-ernstliche Stimmung mischt sich der Klang der Wellen, der Vorhang geht auf und die Rheintöchter verstecken sich unter der Bettdecke. Die Sopranistinnen Evelin Novak (Woglinde) und Natalia Skrycka (Wellgunde) und die Mezzosopranistin Marie Henriette Reinhold (Floßhilde) sind drei stimmlich starke Schwestern.
Aber die Musik!!!!! Was für eine hinreißende Musik. Schon der Beginn überwältigt mit dem tiefen Es der Kontrabässe – die Ursuppe, der Anfang allen Seins – erwidert vom Fagott, von den Hörnern mit einer aufsteigenden Melodie übernommen und schließlich in Woglindes vokalbetontem, aus dem Orchesterklang heraus entwickeltem Weia! Waga! Woge, du Welle, walle zur Wiege wagala weia! Walala, weiala mündend. Wellgunde und Floßhilde stimmen ein. Musikalisch nimmt der Rhein, Metapher des ewig dahin strömenden Lebens, Fahrt auf. Vom Grunde kommt ein Liebe suchender Alberich, missgestaltet, ein oben Ausgestoßener. Die Rheintöchter necken ihn, versprechen ihm Liebe, die sie ihm gleich wieder entziehen. Alberich schwört der Liebe ab, gewinnt dafür das im Rhein verborgene, Macht versprechende Gold. Wenn schon nicht Liebe, dann wenigstes Macht, mit der man sich Liebe erkaufen oder erzwingen kann.
Richard Wagners geniale Kunst hinterlässt in Summe ein staunendes Publikum im schönen Oberfranken zurück. Das „Rheingold“, dessen Uraufführung zuwider Richard Wagner am 22. September 1869 im Nationaltheater in München von seinem Gönner Ludwig II. in die Bahnen geleitet wurde, annähernd in Worte zu fassen, wird immer ein hoffnungsloses Unterfangen bleiben – man muss dieses alle Sinne erfassende Kunstwerk einfach live erleben!
Erst später im Jahr 1876 erklang der gesamte vierteilige Zyklus im Rahmen der ersten Bayreuther Festspiele.
Die Rheintöchter sind Wagners persönliche Schöpfung, die übrigen Figuren, Göttergestalten, Riesen und Zwerge, entspringen der nordischen Mythologie. Wasser und Wellen befinden sich in Aufruhr, Wagner lässt es wogen und wallen. Gleich zu Beginn der Aufführung wird man nassgemacht – vom Plätschern und Sprudeln der Musik, von strudelnden Es-Dur-Figurationen. Man wird mitten hineingesogen.
Die australische Dirigentin Simone Young und das Festspiel Orchester waren sehr gut, tief am Rheingrund und locker in den Höhen. Sie gaben der Komposition Noblesse und Würde.
Wir schreiben hier bei klassik-begeistert viel über Stimmen. Das fällt heute kürzer aus, da fast alle Stimmen leider „nur“ maximal gut waren, was ein Zuhörer in Bayreuth sicher auch mindestens erwarten darf.
Es gab nur vier Sänger, die herausstachen:
Weltklasse war Ólafur Sigurdarson als Nibelung Alberich. Was dieser kleine Mann an Energie, an Hingabe, an Vielfalt in der Klanggebung, an vollkommener Professionalität darbot, war von einem anderen Stern. Lieber Ólafur, Sie sind DER BESTE Alberich der Welt. Sie sind Power pur und stemmen vom piano bis zum fortissimo alles in Perfektion. Sie kommen mitten aus dem Meer, aus Island. Dass Ihr für deutsche Verhältnisse kleines Volk (380.000 Einwohner) einen so herausragenden Bariton hervorbringt, ist beachtlich und beneidenswert. 2000 Menschen waren aus dem Häuschen im Festspielhaus.
Okka von der Damerau als Erda, die Frau aus Hamburg ist die Inkarnation der Erda. Sie kommt aus der Tiefe, lässt die knapp 2000 Menschen im Festspielhaus mit ihrem tiefen Register vor Glück erschauern und bleibt trotz ihres kurzen Auftritts im Herzen und in der Seele der Wagner-Liebhaber zurück.
Der norwegische Bass Jens-Erik Aasbø war ein perfekter, tief-schwarzer Fasolt, tusen takk , lieber Norweger… Deine Stimme hat den Wohlfühlfaktor 10.
Auch Tobias Kehrer als Fafner war ein bärenstarker, männlicher Bass – beiden Sängern gehört die Zukunft… Diese Riesen sind riesig.
Die Wortdeutlichkeit ALLER Sänger – besonders des Polen Tomasz Konieczny als Wotan – ließ sehr zu wünschen übrig.
Bislang hat nur Georg Zeppenfeld als König Marke in „Tristan und Isolde“ und Gurnemanz im „Parsifal“textstark vollkommen überzeugt.
Andreas Schmidt, 29. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Wagner, Das Rheingold Wiener Staatsoper, 21. Mai 2022
Richard Wagner, Das Rheingold Bayerische Staatsoper, Nationaltheater, 3. Juli 2021
„Weia! Waga! Woge, du Welle, walle zur Wiege wagala weia! Walala, weiala.“
Wie sagte Jochen Malmsheimer, freilich in einem anderen Kontext: „Ich lass den Satz mal so stehen.“
Grüße vom Rhein, au weia!
Dr. Brian Cooper