Foto: Premiere 2017 © Thomas Jauk
Richard Wagner, Der fliegende Holländer
Deutsche Oper Berlin, 4. Mai 2019
Ulrich Poser aus der Deutschen Oper Berlin
Der Star des Abends war Catherine Foster als Senta. Bereits mit ihrem ersten Johohohe! bewies die britische Paradebrünnhilde eindrucksvoll, wer die Chefin im Ring war.
Diese Stimme, diese Stimme, diese Stimme! Mit ihrer aus vergangener Zeit kommend scheinenden Stimmkraft bot sie eine durchwegs sehr präsente, aber zu keiner Zeit übersteuerte vokale Darbietung. Die Spitzentöne kamen punktgenau, aber nie schrill. Die dramatischen Passagen sang sie mit gebotener Lautstärke, wobei sie dabei allenfalls 80 % ihrer vorhandenen Stimmkraft aktivieren musste. Dieses Kraftpaket aus Nottingham scheint über schier unendliche Kraftreserven zu verfügen. Und genau dieser Umstand ließ beim Rezensenten irgendwann die Frage aufkommen, ob da nicht vielleicht die legendäre Birgit Nilsson auf der Bühne steht. Wenn man kurz die Augen schloss, konnte man sich gut vorstellen, dass La Nilsson in etwa so gesungen haben muss: Gewaltig, aber nie schrill, überaus präsent, weich in den lyrischen Passagen, magisch in der Phrasierung und Dynamik, wunderbar textverständlich, akzentfrei, schlicht: An jedem Abend ein Gesamtkunstwerk schaffend. Frau Foster sang mit eineinhalb Ausnahmen alle anderen Protagonisten an diesem Abend glatt an die Wand.
Eine Ausnahme war Falk Struckmann als Daland: Er überzeugte mit seinem glasklaren Bass in jeder Hinsicht und gab den geldgeilen Vater, der sich nicht davor scheut, seine jungfräuliche Tochter an den gräßlichen Zombie aus der Tiefsee zu verkaufen, auf höchstem sängerischen Niveau. Falk Struckmann gehört neben Christian Gerhaher derzeit zu den ganz Großen. Zweifellos!
Ferner fiel an diesem Abend Thomas Blondelle als Erik äußerst positiv auf. Der Belgier sang den liebeshungrigen Jäger mit einem prächtigen Tenor, der irgendwie an den jungen Jonas Kaufmann erinnert. Wenn sich der junge Herr Blondelle seine schöne Stimme nicht mit zu frühem Wagnergesang ruiniert, sondern in den nächsten Jahre vielleicht erst einmal den stimmschonenden Mozart abarbeitet, wird man ihn sicherlich noch als Lohengrin und Parsifal erleben dürfen. Dafür ist er prädestiniert.
Gideon Poppe als Steuermann und Iain Paterson als Holländer waren mit ihren Partien überfordert. In den tieferen Stimmlagen durchaus überzeugend, gelangten beide im hohen Teil der jeweiligen Tessitura deutlich an ihre Grenzen: Herr Poppe musste dann forcieren; Meister Paterson verfiel in den Rod-Stewart-Modus.
Das Bühnenbild von Rufus Didwiszus war eine böse Zumutung. Ein sinnloser dunkler Raum mit nassem Fußboden. Der schönste Moment war, als Bühnennebel dieses misslungene Debakel verschleierte. Die 9. Klasse des Berliner Marie-Curie-Gymnasiums hätte hier ein besseres und vermutlich deutlich preiswerteres Ergebnis abgeliefert. Die Inszenierung von Christian Spuck hatte keinerlei eigene Ansätze; alles war abgekupfert. Was für ein Wahnsinn, die letzte geniale Inszenierung des Holländers von Götz Friedrich durch einen solchen Schrott und Schmarrn zu ersetzen.
Das Orchester der Deutschen Oper Berlin hat der Rezensent schon besser disponiert gehört; Axel Kober dirigierte ohne den notwendigen Schliff, so dass sich hin und wieder Patzer einschlichen.
Der Dank geht an die Abendretter Foster, Struckmann, Blondelle und den überragend singenden und tanzenden Chor
Ulrich Poser, 5. Mai 2019
für klassik-begeistert.de