Der fliegende Holländer: Eine szenisch grandiose Inszenierung mit vielen musikalischen Höhepunkten

Richard Wagner, Der fliegende Holländer  Oper im Steinbruch (St. Margarethen im Burgenland), 9. Juli 2025

Der fliegende Holländer Fotoprobe © operimsteinbruch.at/wearegiving

Erstmals wagte sich die „Oper im Steinbruch“, Sankt Margarethen im Burgenland – in den Worten des Intendanten Daniel Serafin mit ihrer 70 Meter breiten Freiluftbühne eine der „Big Three“ unter den sommerlichen Open-Air-Opernfestspielen weltweit, neben Verona und Bregenz – an ein Werk Richard Wagners.

Richard Wagner, Der fliegende Holländer

Musikalische Leitung:  Patrick Lange

Inszenierung:  Philipp M. Krenn
Bühnenbild:  Momme Hinrichs
Kostüme:  Eva Dessecker
Lichtdesign:  Paul Grilj
Chorleitung:  Walter Zeh
Sound:  Volker Werner
Video:  Roland Horvath

Philharmonia Chor
Piedra Festivalorchester

Oper im Steinbruch (Sankt Margarethen im Burgenland), 9. Juli 2025

von Charles E. Ritterband

Und was wäre effektvoller für die wie immer alle Register der technischen Effekte ziehenden Opernfestspiele in der großartigen Naturkulisse des Römersteinbruchs als „der fliegende Holländer“ mit dem Geisterschiff, seiner der lebendtoten Besatzung, dem Fluch, der magischen Zahl von sieben Jahren und der melodramatischen Liebesgeschichte?
Eine szenisch grandiose Inszenierung mit vielen musikalischen Höhepunkten – allerdings auch mit offenkundigen Mängeln. Und die Witterung spielte gleichsam ungefragt mit: Nach der hochsommerlichen Hitzewelle herrschte an diesem Abend herbstlich-nordische Kälte, passend zum Stück, aber für manche allzu leicht gekleidete Besucher Anlass zum Verlassen des Schauplatzes in der großen Pause.

Richard Wagner hatte in Begleitung seiner Ehefrau Minna auf dem Schiff „Thetis“ – auf der Flucht von Riga nach London im Jahr 1839 – vor der englischen Küste tatsächlich einen fürchterlichen Sturm erlebt, der ihn zweifellos zur Handlung des „Holländer“ inspiriert hatte: von „Todesgrauen“ vor einem „drohenden Seeunglück“, von „furchtbarer Gewalt, mit welcher das Schiff auf- und abgeschleudert wurde“ sprach der Komponist.

Zuvor wäre die „Thetis“ um ein Haar vor der Küste Norwegens auf ein Riff aufgelaufen. Diese traumatischen Erlebnisse inspirierten den „Holländer“ und machen die gewaltige Kraft dieses Frühwerk Wagners aus: „Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer“ singt der Steuermann…

Der fliegende Holländer Fotoprobe © operimsteinbruch.at/wearegiving

Eine phänomenale Inszenierung, kein Zweifel: Von Anfang an ziehen uns die gigantischen, beidseits der Bühne zwölf Meter hoch aufragenden Kunststoff-Wogen in den Bann; die Bühne wird beherrscht durch Wellen (mit Zwischengängen!), die an barocke Bühnen erinnern.

Raffiniert eingesetzte künstliche Felsen, von den natürlichen des Steinbruchs nicht zu unterscheiden, ergänzen das Bühnenbild. Hoch oben, auf den Klippen, ein nordisches Fischerdorf mit bunt bemalten Häusern und vor allem ein großartiger Leuchtturm, der nach dem Eindunkeln ganz realistisch seinen Strahl rundum sendet. Eine dramatische Meer Welt, mitten in diesem mächtigen Steinbruch, tausende Kilometer von der Nordsee entfernt: Das ist an sich schon eine szenische Meisterleistung (Bühnenbild: Momme Hinrichs).

Als dann gegen Ende des 3. Akts die Stürme toben, machen raffinierte Video-Projektionen aus der Kulissenlandschaft ein tobendes Meer; Wasserfälle stürzen auf die Bühne, schließlich geht die Szenerie in Feuerschwaden auf: Wagners Schauerromantik wird unversehens zum packenden 3-D-Spektakel, in dem wir uns unwillkürlich an den eiskalten Metallsitzen festklammern…

Der fliegende Holländer Fotoprobe © operimsteinbruch.at/wearegiving

Allerdings: Die Spinnstube (hier: dampfgetriebene Weberei-Unternehmung), wo Senta mit ihren Kolleginnen ihre Arbeit verrichtet, ist wie ein kleines Puppenhaus ganz hinten auf der Bühne aufgebaut – ohne scharfen Operngucker (und selbst mit diesem) hat das Publikum, vor allem auf den hinteren Plätzen, keine Chance, wahrzunehmen, was da in Puppengröße und in beträchtlicher Distanz vor sich geht (Chor der Mädchen: „Summ und brumm, du gutes Rädchen!“). Da hilft auch die modische live-Videoprojektion (Roland Horvath), obwohl hübsch „vintage mäßig“ in Sepiatönen gehalten, wenig: Diese bietet kaum zusätzliche Aufschlüsse über die Handlung. Naja, diese kann man schließlich im reich bebilderten Programmheft nachlesen.

Weitere Unstimmigkeiten sind die plötzlich durch die Fluten wandernden Seeleute, als wäre es der seichte Neusiedlersee. Verwirrend auch die vor allem mit den Kostümen angedeutete Zeit, in der diese Produktion angesiedelt wird: Der Seefahrer Daland, hier ein entsprechend gekleideter Unternehmer des frühen Industriezeitalters mit seiner Dampf-Weberei, der angesichts der Schätze des Holländers umgehend bereit ist, für jene Reichtümer die Tochter zu verschachern, ohne diese um ihre Meinung zu fragen.

Dann die Zombie-Mannschaft des „Holländers“, die direkt der Filmserie „Fluch der Karibik“ entsprungen scheint und überflüssigerweise (auch dies offenbart der scharfsichtige Operngucker) die Oper ziemlich unpassend mit infantilen Grimassen bereichert. Am Bug des Geisterschiffs prangt ein gigantischer Kunststoff-Krake und darunter gibt eine Öffnung einen Teil der mitgeführten Schätze preis: Hier erhält die Inszenierung statt Wagner’scher Schauerromantik einen billigen Disneyland-Charakter, auf den man angesichts der sonstigen visuellen Stärken allzu gerne verzichtet hätte.

Auch dass der arme Erik, der stets überflüssigerweise einen Blumenstrauß im Arm trägt (welcher seine Destination nie erreichen sollte), die angebetete Senta aus beträchtlicher Distanz erfolglos zu bezirzen hat – da kommt nun wirklich keinerlei Erotik auf und Erik hat tatsächlich nicht die geringsten Chancen, zumal nicht in dieser großräumigen Inszenierung.

Dass sich Senta in halsbrecherischer Pose und feuerrotem Kostüm auf dem Dach der Spinnerei in Sehnsucht nach ihrem geheimnisvollen Seefahrer ergeht, mag poetisch sein – erinnert aber grotesker- und unpassenderweise irgendwie an „Fiddler on the Roof“.

Spaß beiseite – dass Regisseur Philipp M. Krenn mit diesem kühnen Ausflug der Protagonistin auf den Dachfirst zum Ausdruck bringen wollte, dass Senta der spießig-biederen Enge ihres Daseins entfliehen und gewissermaßen „davonfliegen“ will, darf man durchaus als gelungenen Regieeinfall mit poetischem Touch gelten lassen.

Der fliegende Holländer Fotoprobe © operimsteinbruch.at/wearegiving

Das Orchester, wie immer in seinem separaten Gehäuse und durch die ganz zeitgemäße Lautsprecheranlage auf die Bühne übertragen, wird leider dem Wagner-Sound nicht völlig gerecht: das klingt eher flach und wie durch eine Wand von Watte statt grandios, wie man eigentlich erwarten möchte.

Ob der Dirigent (Patrick Lange) mit einem ohne inadäquate technische Umwege direkt aus dem Orchestergraben wirkenden Orchester diesem Werk völlig gerecht geworden wäre – das ist nur schwer zu beurteilen.

Die vokalen Leistungen hingegen sind tadellos: Elisabeth Teige, die hochdramatische norwegische Sopranistin als Senta mit strahlender, anmutiger, ausdrucksstarker Stimmkraft; der „Holländer“ des George Gagnidze steigert sich vor allem in seiner letzten Arie zur unheimlichen Größe, welche diese Figur ausmacht – der Schmerz und der aussichtslose Kampf gegen den alten Fluch wird plastisch spürbar in der intensiven, drängenden und sonoren Stimme dieses weltweit führenden georgischen Baritons.

Der chinesische Bassist Liang Li stattet den Daland mit bemerkenswerter Klangfülle aber wenig Charisma aus. Der Erik des amerikanischen Tenors
AJ Glueckert – bekannt aus Glyndebourne, der MET, der Oper Frankfurt und anderen bedeutenden Spielstätten, bringt mit samtener Wärme und tenoralem Schmelz die Aussichtslosigkeit seines Liebeswerbens um Senta zum Ausdruck. Gegen Gespenster haben selbst die bravsten Tenöre keine reellen Chancen.

Dr. Charles E. Ritterband, 9. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

CD-Besprechung: Richard Wagner, Der Fliegende Holländer klassik-begeistert.de, 9. Juli 2025

Richard Wagner, Der fliegende Holländer Staatsoper Hamburg, 12. Januar 2025

Richard Wagner, Der fliegende Holländer Opernhaus Zürich, 30. November 2024

Richard Wagner, Der fliegende Holländer Staatsoper Unter den Linden Berlin, 3. Juni 2023

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