Ausgezeichnete Sänger sind die Edelsteine dieses „Rings“, Teil 2: die Musik

Richard Wagner, Der Ring des Nibelungen,Teil 2: Die Musik  Bayreuther Festspiele 2022

Elisabeth Teige (Gutrune). Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Bayreuther Festspiele 2022

Richard Wagner, Der Ring des Nibelungen,
Aufführungen vom 10. August bis 15. August 2022

Jolanta Łada-Zielke berichtet von den Bayreuther Festspielen, wo gerade die zweiten Aufführungen stattgefunden haben.

Die Substanz dieses „Rings“ ist vor allem die Musik. Nach der Premiere warf die Presse dem Dirigenten Cornelius Meister zu viel Zurückhaltung, langsame Tempi, rhythmische Schwankungen und falsch eingesetzte Dynamik vor. Anscheinend nahm sich Meister das zu Herzen, weil er die zweiten Aufführungen mit Energie und Präzision geleitet hat. Zwar haben einige Stellen ungleichmäßig geklungen, die meisten Festspielgäste haben dies jedoch verzeihlich gefunden. Schließlich hat der Maestro diesen Auftrag kurzfristig bekommen, als er mit Markus Poschner tauschen musste.

Das Publikum hat nur den zweiten „Siegfried“ ganz ohne Buhrufe aufgenommen; bei den drei anderen hat der Dirigent einige Äußerungen der Unzufriedenheit von Einzelpersonen bekommen. Ich glaube, seine Interpretation der Tetralogie Wagners wird sich in die gewünschte Richtung entwickeln. Lieber Herr Meister, lassen Sie sich nicht entmutigen und machen Sie Ihren Job weiter!

Selbst die umstrittenste Produktion kann durch gute Sänger gerettet werden. Hier glänzen Christa Mayer als Fricka, Waltraute und Schwertleite, die dramatische Elisabeth Teige in den Rollen von Freia und Gutrune sowie Okka von der Damerau als Erda, mit ihrem tiefen Mezzosopran von schöner, dunkler Farbe. Daniel Kirch als Loge und Arnold Bezuyen (Mime) kreieren die hervorragenden Charakterfiguren. Genauso gut sind Wilhelm Schwinghammer und Jens-Erik Aasbø als Fafner und Fasolt.

Mit Vergnügen habe ich die ersten Szenen von „Walküre“ mit Lise Davidsen (Sieglinde), Klaus Florian Vogt als Siegmund (noch besser als Lohengrin!) und Georg Zeppenfeld (Hunding) erlebt. In „Siegfried“ hat Andreas Schager in der Titelrolle die Herzen der Zuschauer erobert. Ich bewundere seine stimmliche Kondition, obwohl man im dritten Akt die Müdigkeit in seiner Stimme hören konnte. Seine Partnerin Daniela Köhler verlieh der Brünnhilde Charme und Frische. Die Sopranistin verfügt über eine starke Stimme und ein dichtes Vibrato, das sie sehr geschickt verwendet.

Bayreuther Festspiele 2022; Siegfried, Insz. Valentin Schwarz. Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele
Bayreuther Festspiele 2022; Siegfried, Insz. Valentin Schwarz. Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Eigentlich  hätte sie die ganze Brünnhilde singen können. Ebenfalls charmant und technisch perfekt ist Alexandra Steiner als Stimme des Waldvogels. Michael Kupfer-Radecky  spielt und singt großartig den psychopatischen Gunther in „Götterdämmerung“.

Tomasz Konieczny als Wotan und Wanderer verdient einen eigenen Absatz, nicht nur wegen seiner Verletzung bei der ersten „Walküre“, mit der er den zweiten Akt bis zum Schluss tapfer gesungen hat. Die zweiten Vorstellungen sind störungsfrei gelaufen, und Konieczny hat den menschlichsten Wotan dargestellt, den ich in den letzten neunzehn Jahren in Bayreuth gesehen habe. Da waren drei Inszenierungen, in denen sich der Göttervater eher steif und statisch präsentierte (vielleicht mit Ausnahme von Alan Titus im Jahr 2004).

Tomasz Konieczny. Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Dieses Jahr schafft der Pole, besonders in „Die Walküre“, einen vielschichtigen Charakter, voller Widersprüche, benommen von unterschiedlichen Begierden und zugleich zärtlich und liebevoll.

Hinter der Maske eines zynischen und autoritären Familienältesten verbirgt sich ein unglücklicher Vater, in dem die Liebe zu seiner Tochter gegen den Zwang, sie zu bestrafen, kämpft. Konieczny drückt mit Stimme, Mimik, Gestik und Körperhaltung eine ganze Reihe von Emotionen aus: Zorn, Wut, Hilflosigkeit, Verzweiflung. Sein Piano nach dem Abschied von Brünnhilde klingt wie ein unterdrücktes Schluchzen. Der Sänger hat den stürmischen Applaus vom Bayreuther Publikum zu Recht verdient. Die ältesten Wagnerianer (70+) sagen, dass Konieczny der beste Wotan ist, den sie je in ihrem Leben gesehen und gehört haben.

Die Anwesenheit von Iréne Theorin in der Besetzung hat mich überrascht. Bereits letztes Jahr kritisierte man ihr wackeliges, unkontrolliertes Vibrato, aggressive hohe Töne und zu scharfe Bruststimme. Die Gestikulation der Sängerin beschränkt sich darauf, die Arme auf und ab zu bewegen. Man sieht das besonders in den gemeinsamen Szenen mit Tomasz Konieczny, der jede Emotion mit einer anderen Geste ausdrückt. Der Kontrast zwischen den beiden ist enorm. In „Die Götterdämmerung“ war Theorin noch schlechter als in „Die Walküre“, und die Zuschauer haben sie gnadenlos ausgebuht; ungefähr die Hälfte des Publikums hat sich mit Buhrufen geäußert. Wenig überzeugend hat auch der lettische Bassbariton Egils Silins als Wotan im „Rheingold“ gesungen.

Das letzte Mal läuft die Tetralogie Wagners bei den diesjährigen Bayreuther Festspielen vom 25. bis zum 30. August 2022.

Ich hoffe, der RING III wird musikalisch noch besser sein. Man braucht diesen „Ring“ nicht neu umzuschmelzen. Es reicht, manche Stellen glattzuschleifen und den Edelstein namens Brünnhilde unbedingt zu ersetzen. Dies ist nämlich eine wunderbar inszenierte Figur, darum soll eine  Sängerin diese Rolle übernehmen, die stimmlich fit und technisch besser ist. Obwohl am Ende sowohl Brünnhildes enge Gefährten als auch ihr Sohn sterben, trägt sie in sich zwei neue Kinder, die einander mit Liebe umarmen. Dieses letzte Bild ist berührend und hoffnungsvoll; selbst wenn der böse Gunther diese Zwillinge gezeugt hat.

Und noch eine Bitte an manche Zuschauer: Wenn Sie selten oder überhaupt nicht in die Oper gehen und zum ersten Mal nach Bayreuth kommen, lesen Sie zunächst die Savoir-vivre-Regel, wie man sich dort verhalten soll.

Jolanta Łada-Zielke, 20. August 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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