Eindrucksvolle "Walküre" in Wien: Tomasz Konieczny überzeugt als Wotan und bekommt am meisten Applaus

Richard Wagner, DIE WALKÜRE,  Wiener Staatsoper, 12. Januar 2019

Wotan: Tomasz Konieczny, Fricka: Sophie Koch, Foto: Michael Pöhn (c)
Wiener Staatsoper, 12. Januar 2019
Richard Wagner, 
DIE WALKÜRE

29. Aufführung in der Inszenierung von Sven Erich Bechtolf

von Manfred A. Schmid (onlinemerker.com)

Am 1. Tag des Bühnenfestspiels hat Wotan bereits schwer mit den Folgen seiner verfluchten Machtgier zu kämpfen, wie er in einem ausgedehnten Monolog im 2. Aufzug gegenüber seiner Tochter Brünnhilde einräumt. Der Göttervater – eine Glanzrolle von Tomasz Konieczny, der an der Staatsoper damit weniger zu einem „Wotan vom Dienst“, wie behauptet, sondern vielmehr zu einem „Wotan aus Lust und Leidenschaft“ geworden ist – bemüht sich als Chef von Walhall weiterhin um Souveränität und herrschaftliche Fassung. Sein unverwechselbar timbrierter Bassbariton strahlt Würde aus, doch im Verlauf der sich zuspitzenden Handlung kommt es vermehrt zu starken Gefühlswallungen wie Verärgerung und Zorn – bis hin zu Wutausbrüchen. Der unbekümmerte Umgang mit ethischen Grundsätzen und gesellschaftlichen Regeln macht Koniecznys Wotan auf eine gewisse Art sympathisch. Für ihn gilt: Wo leidenschaftliche Liebe im Spiel ist, ist alles erlaubt. Dass auch Götter nicht frei von Fehlern und charakterlichen Mängeln sind, mag als tröstliche Erkenntnis auch ein Grund dafür sein – gerade für Wagner, dem Schöpfer dieses Gesamtkunstwerks, der in seinem Privatleben, als er am Ring des Nibelungen arbeitete, immer wieder mit krassen Beziehungsproblemen zu kämpfen hatte. All das hängt aber nicht zuletzt auch mit der freundlich-sympathischen Ausstrahlung Koniecznys zusammen. Sängerisch ist er  beim Parlieren und Deklamieren in der Mittellage am überzeugendsten. Vom überaus herzlichen Schlussapplaus bekam er jedenfalls am meisten ab.

Sophie Koch als Wotans Frau Fricka erweist sich bei der Durchsetzung ihrer Grundsätze als eine unnachgiebige und zähe Verhandlerin. Sie hat diese Partie schon vor Jahren gesungen, so u.a. 2012 an der Bayerischen Staatsoper, so dass ihr Rollendebüt in Wien relativ spät kommt. Das hat aber nicht zuletzt den Vorteil, dass sie schon ausreichend Erfahrung mitbringt. Sie lässt keinen Zweifel daran, wer im Haus letztlich das Sagen hat und ist in Ihrer Performance wie auch stimmlich überzeugend. Stein des Anstoßes für den Streit im Götterhaushalt ist, dass sich der Held Siegmund, der im Haus Hundings für eine Nacht Zuflucht gefunden hat, Hals über Kopf in dessen Gattin Sieglinde verliebt, sich mit ihr auf der Stelle vereinigt hat und damit nicht nur das Gesetz der Gastfreundschaft verletzt hat. Der Wagnertenor Christopher Ventris ist im Haus am Ring in dieser Partie bestens eingeführt und besticht als Siegmund mit einer starken, angenehm hellen Stimme. Leidenschaftlichkeit und Draufgängertum sind seine Sache wohl nicht. Da schwingt immer noch ein Rest britischen understatements mit. Dennoch vermag er in der romantisch aufwallenden Szene mit dem „Winterstürme wichen dem Wonnemond“ zu begeistern.

Martina Serafin zeichnet als Sieglinde eine Frau, die von ihrem gefühlskalten und harten Mann viel Leid ertragen muss und unglücklich ist, und geht an diesem langen Abend bis an die Grenzen ihrer stimmlichen Gestaltungskraft. Dass sie inzwischen auch schon als Brünnhilde in Erscheinung getreten ist, lässt sich – an diesem Abend jedenfalls – nicht ganz nachvollziehen. Konfrontiert mit dem Unbekannten, der sich alsbald als ihr verschollener Bruder herausstellen sollte, entflammt auch sie sofort in einer leidenschaftlichen Zuneigung. Sie, diese jahrelang unterdrückte Frau, ergreift dabei überraschend selbst die Initiative: Als ihr Mann sie nach seiner Heimkehr in die Küche schickt, um das Essen zu holen, geht sie nah am Fremdling vorüber und berührt ihn – von ihrem Mann nicht zu sehen – zart mit der Hand. Eine verhängnisvolle Liebe nimmt ihren – allzu kurzen – Lauf.

Sieglinde, die von Siegmund schwanger ist, überlebt das von Fricka angeordnete tödliche Finale, weil sich Brünnhilde gegen den ausdrücklichen Befehl ihres Vaters stellt und sie und ihr ungeborenes Kind rettet. Iréne Theorin ist eine markante Walküre, ihre Hojotoho-Rufe nehmen sich zwar mehr wie Hojotoho-Schrei aus, klingen aber keck, lebensbejahend und übermütig. Alle drei Damen bestätigen an diesem Abend, dass sie selbstverständlich schöne, gut geführte Stimmen haben, dass es aber bei Wagner – wie auch bei Verdi – in erster Linie nicht um Schöngesang geht, sondern um dramatische Gestaltung. Und es ist eine Freude, in ihren extremen Gefühlsregungen die eindrucksvollen Ecken und Kanten dieser wohlgeformten Stimmen zu vernehmen, wie sie hier darangehen, aktiv das Geschehen zu steuern: Frauenpower hoch drei.

Die Strafe für Ungehorsam folgt sogleich. Brünhilde, unter Walküren seine Lieblingstochter, wird von Wotan schweren Herzens aus dem Kreis der Walküren ausgeschlossen, verliert ihre Unsterblichkeit, die von Wotan weggeküsst wird, und wird in einen Schlaf versetzt, bis sie ein würdiger Held erlöst und zur Frau nehmen wird. Da hat man es mit einem zunächst zorneserregten Wotan zu tun, der sich in diesem Disput immer milder und versöhnlicher ihr gegenüber zeigt. Der herzzerreißende Abschied eines Vaters von seiner geliebten Tochter ist eine Liebesszene, die – mit zarten Tönen und berührenden zwischenmenschlichen Schwingungen – auch in dieser Inszenierung und in der Gestaltung durch Konieczny und Theorin tief und bewegend ist.

Die acht Gefährtinnen Brünnhildes sind mit Fiona Jopson, Olga Meszmertna, Anna Gabler, Stephanie Houtzeel, Ulrike Helzel, Minika Bohunec, Bongiwe Nakani, Svetlina Stoyanova erstklassig besetzt und machen so dem Titel dieses Abends – Die Walküre – alle Ehre. Axel Kober und das Staatsopernorchester haben den Rheingold-Auftakt offenbar gut für letzte Abstimmungen genützt. Es wird zügig und kontrastreich musiziert. Viel Applaus – über 10 Minuten – ist der wohlverdiente Dank für einen eindrucksvollen Opernabend.

Manfred A. Schmid

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