Foto: Christian Thielemann. © Matthias Creutziger
Bayreuther Festspiele, 29. Juli 2019
Richard Wagner, Lohengrin
von Kirsten Liese
Zum Glück gibt es immer noch einen ganz Großen, der die Fahne hoch hält und einen Besuch der Festspiele lohnt: Christian Thielemann!
Niemand dirigiert den „Lohengrin“ derzeit besser als er. Ätherisch wie aus dem Nichts erheben sich die Violinen im Vorspiel mit einer fast schon schmerzhaften Schönheit. Und was für eine Spannung braut sich im Graben auf, wenn unter aufziehenden Wolken am malerisch ozeanblauen Himmel (neoromantische Bühnenbilder: Neo Rauch und Rosa Loy) Ortrud ihrem zerknirschten Gatten Telramund Mut einschlürft, Elsa in eine Falle zu locken. Beim beliebten Vorspiel zum dritten Akt schließlich, majestätisch und schwungvoll musiziert mit best disponiertem Blech, will man nur noch jubeln.
Ein neuer Trend in Bayreuth scheint es zu sein, große Partien zunehmend aufzuteilen, um Sängerstars aufbieten zu können, die wegen anderer Verpflichtungen in Salzburg anderweitig nicht zu haben wären. In Zeiten von Wolfgang Wagner war das anders, da mussten sich die Sängerinnen und Sänger entscheiden, ob sie im Sommer der Mozart- oder Wagnerstadt den Vorzug geben. Anna Netrebko, die uns mit ihrer schönen, warmen Stimme schon in Dresden für ihre Elsa einnahm, konnte leider nur zwei Vorstellungen im August möglich machen. Die von uns besuchte zweite Vorstellung rettete Annette Dasch als kurzfristige Einspringerin für die erkrankte Camilla Nylund, weiland schon in Neuenfels’ Ratten-Lohengrin keine Elsa par excellence, aber zumindest mit ihrer mädchenhaften Erscheinung und brauchbaren Pianotönen eine solide Wahl.
Den Lohengrin teilte sich Piotr Bezcala im zweiten Jahr mit Klaus Florian Vogt, dem ätherischsten Lohengrin aller Zeiten. Vogts Abschied von seinem Schwan berührt mit überirdischer Schönheit, mühelos legt sich sein knabenhafter, luzider Tenor über den starken Festspielchor. Dies auch dank Yuval Sharons unaufdringlicher Regie, die „Lohengrin“ im Umfeld eines Umspannwerks zum Elektrisierer einer erstarrten Brabanter Motten-Gesellschaft macht, aber überwiegend vor unnötigen Aktionen verschont. Nur jene zentrale Szene, in der er Elsa zur Strafe für die unerlaubte Frage nach seinem Namen fesselt, will zu der edlen Figur nicht passen.
Bei den übrigen Protagonisten galt es kleine Abstriche zu machen: Tomasz Konieczny gab einen Telramund von gewaltiger stimmlicher Präsenz, sang aber gelegentlich in der Höhe ein wenig steif und mit schlechter Textverständlichkeit. Elena Pankratova agierte mit stolzer Attitüde als eine divenhafte Ortrud, sang aber mit unschönem Flackern und Schärfen in den Spitzen. Dafür machte Georg Zeppenfeld mit seinem profunden, runden großen Bass aus der kleineren Figur des König Heinrich eine ganz große.
Der größte Beifall galt freilich Christian Thielemann, der ungeachtet von Hitze und stehender Luft im Festspielhaus seinen hohen Ansprüchen treu blieb.
Kirsten Liese, 31. Juli 2019, für
klassik-begeistert.de