Lohengrin, Fotos der Wiederaufnahme am 29. Oktober 2023; Davis Philip Green Matochkina © Bettina Stöß
Eingeklemmt zwischen zwei Lindenoper-Ringen spielte die Deutsche Oper Lohengrin. Zwar zündete Nina Stemmes Ortrud ein fesselndes Wagner-Feuerwerk in der Bismarckstraße, trotz durchwegs sauberen Gesangsleistungen reihte sich diese Aufführung in der einfallslosen Inszenierung von Kasper Holten dennoch deutlich hinter dem Berliner Stadtrivalen ein.
Deutsche Oper Berlin, 4. Oktober 2025
Lohengrin
Musik und Libretto von Richard Wagner
Romantische Oper in drei Akten
Uraufführung am 28. August 1850 in Weimar
Premiere an der Deutschen Oper Berlin am 15. April 2012
Musikalische Leitung: Marc Albrecht
Chor der Deutschen Oper Berlin
Orchester der Deutschen Oper Berlin
von Johannes Karl Fischer
Nach vier sensationellen Herheim-Ring-Abenden im letzten Jahr schien die Deutsche Oper Berlin kräftig in der ersten internationalen Wagner-Liga mitzumischen. Leider nicht so nach diesem Lohengrin. So wirklich schlecht war’s ja nicht, das Orchester spielte souverän und gesungen wurde weitgehend solide. Aber eben auch nicht mehr, und das alles vor Kasper Holtens ideenloser und statischer Inszenierung. In Ordnung, ja, gemessen am Berliner Stadtrivalen Unter den Linden blieb der Wagner-Zauber aber weitgehend aus.
Die Sensation des Abends in der Bismarckstraße lautete indessen Nina Stemmes Ortrud. Ihre kraftvolle, höchst selbstbewusste Stimme wurde zur stimmlichen Strippenzieherin der Handlung und schmetterte die Macht dieser Musik eindrucksvoll in den Raum. Fast im Alleingang zündete sie an diesem Abend ein regelrechtes Gesangsfeuerwerk, der böse Zauber ihrer Partie donnerte durch den Saal und sorgte für packend fesselnde Wagner-Stimmung.
Auch Florina Stucki sang eine überzeugende Elsa, die sich mit viel Leidenschaft in ihre Melodien legte. Ihr blühender, warmer Sopran segelte souverän über die visuell eher blasse Bühne, die ganze Liebe ihrer Partie streichelte sanft die musikalischen Herzen des Publikums. Als ihr Retter und Geliebter stand mit Attilio Glaser ein ebenfalls exzellenter Lohengrin am Start, eifrig und kämpferisch stürzte sich der Tenor in seine Partie. Besonders seine strahlende Gralserzählung setzte dem musikalischen Abend nochmal eine heldenhafte Krone aufs Haupt, sein Singen war sein stolz Gewähr!
Weniger überzeugend sang allerdings Egils Silinš den Telramund. Falsche Noten oder Text waren nicht das Problem, allerdings wirkte seine Darbietung des eigentlich kampfeslustigen Grafen ein wenig mutlos, als hätte er sich im Kampf gegen Lohengrin schon von vornherein geschlagen gegeben. Vor allem gegenüber seiner Frau Ortrud trat dieser Telramund fast schon brav, gar nett auf. Gesanglich absolut in Ordnung, aber leider hat Wagner hier eine charakterlich etwas andere Partie geschrieben. Auch Dean Murphy ließ seine Stimme zu großen musikalischen Künsten aufblühen, doch klang sein Heerrufer eher wir ein lyrischer Mozart-Bariton als ein Vorsprecher eines kriegsbegeisterten Königs. Ein toller Sänger, aber in dieser Rolle ein wenig fehl am Platz…
Der König selbst steuerte anfangs ein wenig übereifrig seinen Edlen von Brabant entgegen, doch setzte Byung Gil Kims Heinrich insbesondere im dritten Aufzug sein Reichsrecht mit kräftigem, röhrendem Bass souverän und herrschend durch. Sehr stark besetzt waren die zahlreichen Nebenrollen dieses Werks, insbesondere die vier Edeldamen ließen ihre Partien mit stolzer Stimme zu glanzvollem Ruhm aufsteigen.
Mit einem gewohnt edlen, den Ohren sehr wohltuenden Klang ließ das Orchester unter der Leitung von Marc Albrecht die Partitur zauberhaft aus dem Graben emporsteigen. Der Chor hatte zwar einige Wackler in den zahlreichen mehrstimmigen Chornummern, feierte den Helden von Brabant aber sehr feurig und meisterte seine Aufgabe unterm Strich souverän.
Ganz anders allerdings Kasper Holtens einfallslose, mittlerweile in ihrer 46. Aufführung stehende Inszenierung. Glaubt man den omnipräsenten Opernstammgästen, so hat die derzeitige Regiewelt längst künstlerische Insolvenz angemeldet, Regisseuren wie Dmitri Tcherniakov, Kirill Serebrennikov oder insbesondere Calixto Bieito bleibt der Publikumszorn nicht erspart. Die dortigen Buh-Rufer haben anscheinend diesen Lohengrin nicht gesehen, denn außer ein paar im Mittelalter steckengebliebene Kostüme und Schwertkämpfe hatte Herr Holtens Regie nicht viel zu bieten.
Die Figuren blieben weitgehend statisch und eine nachvollziehbare Erzählung, ganz geschweige denn die dringend notwendige kritische Aufarbeitung von Wagners zurecht umstrittener Handlung, war hier nicht zu erkennen.
Der Kirsten-Harms-Tannhäuser wird am 2. November zum letzten Mal in der Bismarckstraße gespielt, dieser Lohengrin sollte dem schleunigst in Regie-Rente folgen! Dann lieber noch die sinnfreie, lächerliche Wieler/Morabito/Viebrock-Regie an der Wiener Staatsoper. Darüber kann man sich wenigstens aufregen. Und sorry, aber musikalisch musste sich die Bismarckstraße heute eindeutig hinter der Lindenoper anstellen. Für ein Haus dieser Klasse war das zu wenig.
Johannes Karl Fischer, 4. Oktober 2025 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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Johannes Karl Fischers Rezension macht direkt Lust, sich diesen Lohengrin in Berlin anzuschauen. Neben einer sensationellen Ortrud, einer überzeugenden Elsa, einem exzellenten Lohengrin, einem kräftig röhrenden Heinrich und einem aufblühenden Heerrufer sowie glanzvollen Edeldamen war zuletzt auch noch Telramund gesanglich in Ordnung. Zu stören schien einzig die „statische“ Personenführung mit „im Mittelalter stecken gebliebenen Kostümen und Schwertkämpfen“ sowie eine fehlende „dringend notwendige kritische Aufarbeitung von Wagners zurecht umstrittener Handlung“.
Wie toll, die Regie hat sich offenbar an das Libretto gehalten, und gesungen wurde offensichtlich mehr als ausgezeichnet. Also auf nach Berlin in die Bismarckoper. Aber leider fahren zwischen Hamburg und Berlin derzeit keine Züge mehr. Hoffen wir, dass der beschriebene Lohengrin noch aufgeführt wird, wenn dereinst die beiden größten deutschen Städte wieder über eine direkte Bahnverbindung verfügen.
Meine allerherzlichsten Grüße gehen an Johannes Karl Fischer für seine immer wieder erfrischenden Rezensionen, Ihr Ralf Wegner