Bayreuther Festspiele 2025: „Parsifal“ auf LSD

Richard Wagner, Parsifal  Festspielhaus Bayreuth, 30. Juli 2025

Andreas Schager und die Blumenmädchen © Enrico Nawrath

Eine Regie, bei der anfangs nur Ablenkung herrscht. Die „AR“-Brillen von Regisseur Jay Scheib sind eher Barriere statt Hilfe. Erst in Klingsors Zaubergarten entwickeln sich im Bayreuther „Parsifal“ Farbe und Szene natürlich, wenn auch in einer Dystopie endend. Andreas Schager reißt als reiner Tor alles an sich. Michael Volle siecht als Gralskönig Amfortas herrlich dahin. Die Travestie-Revue von Klingsor ist optisch eine Zumutung, stimmlich macht Jordan Shanahan alles wett.

Parsifal, Richard Wagner
Festspielhaus Bayreuth,
30. Juli 2025

von Jürgen Pathy

In Bayreuth ist alles anders. Rucksäcke müssen in den Spind – vor dem Festspielhaus. Ticket alleine reicht nicht, am Eingang wartet die Ausweiskontrolle. Drinnen angelangt, versperrt man die Türen. Simultan, fast choreografisch einstudiert; das ist nichts für Klaustrophobe. Dann erst startet Jay Scheibs Versuch, den „Parsifal“ in „Augmented Reality“ zum Leben zu erwecken. „Kinder, schafft Neues!“ Dieses Zitat Richard Wagners ist bereits gänzlich ausgelutscht. Vögel, Kaninchen, Bäume – alles Mögliche hoppelt einem virtuell entgegen. Die Brillen selbst: 90er-Rave-Style, alles ganz lustig eine Zeit lang. Irgendwann aber ermüdend und vor allem – ABLENKUNG pur!

Pablo Heras-Casado – das Maximum herausgeholt

Das Orchestervorspiel nimmt man gerade noch so wahr. Nicht nur, weil diese „AR“-Spielereien dem Essentiellen noch mehr den Hals zuschnüren. Auch, weil der „mystische Graben“ in Bayreuth sowieso fast alles verschluckt. Das Orchester wird in Bayreuth zum Statisten. Deckel auf den Graben, Sound begraben. Die Illusion des Theaters wollte Wagner damit erschaffen, die Feinheiten des Orchesters hat er damit gekillt.

„No, you cannot build a big sound in Bayreuth“, bestätigt Dirigent Pablo Heras-Casado den Eindruck. Nichts habe er an der Lautstärke geändert. Dass die Kraft der Musik erst im letzten Aufzug wirkt, liegt womöglich an den Hörgewohnheiten. Der gebürtige Spanier holt das Maximum heraus. „You cannot believe how loud it is in the orchestra pit.“ Ernüchternd ist das dennoch, vor allem für Wiener Hörgewohnheiten.

© Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Genauso wie der Versuch, eine weitere Dimension ins Spiel zu bringen. „Zum Raum wird hier die Zeit“, passt zwar zu Jay Scheibs virtuellem LSD-Trip. Den beiden Buben hinter mir gefällt’s, der Rest stammt aber aus einer anderen Generation. Die Brillen landen bald in ihrer Halterung am Stuhl.

Nix Jesus Christ Superstar – Andreas Schager Superstar!

Einer, der diesen „Parsifal“dennoch rockt, ist Andreas Schager. Endlich weiß man, wieso diese Oper diesen Namen verdient. Klar, des Sujets wegen – Bühnenzeit ist es ja nicht. Aber bei Andreas Schager mutiert diese nicht so große Partie zu etwas Gigantischem, Heroischem, mit viel Kraft und Präsenz. Dass Schagers Piani bis ins letzte Ecke verständlich sind, war wohl Richard Wagners Idee, weswegen sich der beschnittene Orchesterklang relativieren lässt. „Parsifal“ ist ja die einzige Oper, die Wagner für das Bayreuther Festspielhaus geschrieben hat. Mit Schager in der Titelpartie geht dieses Konzept voll auf.

© Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Die Travestieshow von Klingsor könnte man sich sparen. High Heels, pinker Anzug samt silberner Glitzermaske mit Hörnern – Kopfschütteln für diesen Trend, der sich durch alle Opernhäuser zieht. Jordan Shanahan macht daraus das Beste.

Ekaterina Gubanova hat Mühe, sich als Kundry groß in Szene zu setzen. Sie hat Jesus einst am Kreuze ausgelacht, deshalb ist sie verdammt. Ihr Schrei geht dabei ebenso etwas unter wie die Deutlichkeit der deutschen Aussprache.

© Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Dass Georg Zeppenfeld diese beherrscht, hat er schon oft bewiesen. Als Gurnemanz fließen seine Erzählungen ein weiteres Mal klar, deutlich und wohltönend. Michael Volle ist neben Andreas Schager aber der heimliche Star des Abends. „Amfortas“ wollte die Oper noch niemand nennen. „Gurnemanz“, ja, „Kundry“ ebenso – teils aufgrund deren Auftrittsdauer, teils wegen des Erzählstrangs oder der Wichtigkeit ihrer Figuren wegen. Bei so viel Würde wie bei Volle wäre es aber eine Überlegung wert. Selbst das Dahinsiechen wird bei Volle zum staatstragenden Akt.

Der Applaus des Publikums gilt am Ende vor allem ihm und Georg Zeppenfeld. Bravi samt Getrampel inklusive. Andreas Schagers Leistung hätte den ebenfalls in dieser Intensität verdient. Seine Interpretation legt offen, warum diese Oper zu Recht „Parsifal“ heißt.

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