Tomasz Konieczny als „Wanderer“- Foto © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Wiener Staatsoper, 16. Januar 2019
Richard Wagner, Siegfried
Tomasz Konieczny glänzt als Wanderer im „Siegfried“ – und ist jetzt Kammersänger
von Karl Masek (onlinemerker.com)
Nach der „24. Aufführung in dieser Inszenierung“ von Sven-Eric Bechtolf in der Bühnenausstattung und den Kostümen von Rolf und Marianne Glittenberg (man kann sich auf „praktikables Bebildern einer Stückvorlage fürs Repertoire“ einigen – nicht mehr, aber auch nicht weniger) gab es auf offener Bühne eine besondere Festlichkeit: Die Ernennung von Tomasz Konieczny zum Kammersänger. Der am 10. Januar 1972 in Lodz (Polen) Geborene studierte zunächst Schauspiel in Warschau und Dresden. Erst dann ging es mit dem Singen los. Nach Engagements in Posen (Nozze-Figaro), Leipzig, Mannheim, Stuttgart u.a. debütierte Konieczny am 27.4. 2008 an der Wiener Staatsoper in dieser „Siegfried“-Inszenierung bei der Premiere als Alberich und war seither in 23 der 24 Aufführungen dabei (14x Alberich, 9x Der Wanderer). Insgesamt hat das international renommierte Ensemblemitglied (etliche Male auch kurzfristig einspringend) bisher 164 Aufführungen (21 Rollen) gesungen, wie Direktor Meyer in seiner Laudatio betonte.
Auch an diesem Ehrenabend war Konieczny als Der Wanderer ein Wagner-Singschauspieler, wie ihn sich jedes Haus von Format nur wünschen kann. Große Bühnenpräsenz, eine Stimme von riesiger Dimension, eherner Kraft, großer dynamischer und ausdrucksmäßiger Bandbreite, schier grenzenloser Belastbarkeit und unverwechselbarer Charakteristik. Und nach diesem „Ring“-Durchlauf geht es im Februar gleich weiter mit dem „Mandryka“ in Arabella …
Rund um ihn waren an diesem Abend aber auch andere Recken am Werk, die erklecklichen Anteil an einem ziemlich glanzvollen Wagner-Abend hatten:
Stephen Gould war ebenfalls schon bei der 2008er Premiere als „Jung-Siegfried“ dabei und sang ihn am besprochenen Abend bereits zum 21. Mal. Gould ist für Wiener Besetzungen im hochdramatischen Tenorfach kaum wegzudenken. Auch er mit unglaublicher sängerischer Kondition von den Schmelz- und Schmiedeliedern bis zum mörderischen Finale, staunenswerten Kraftreserven, mit Höhenpracht, aber auch mit vielschichtigen Piano-Qualitäten beim Waldweben – und wenn der tenorale Kraftlackel dann plötzlich ganz schüchtern und furchtsam wird, wenn es gilt, Brünnhilde aufzuwecken. Wenn man sich jetzt noch die mögliche österreichische Alternative Andreas Schager in derselben Rolle vorstellt: Opernglück pur für die nächsten Saisonen! Man müsste den Ring – und überhaupt Richard Wagner als Kernrepertoire – halt endlich wieder mehr spielen …
Herwig Pecoraro singt den garstigen Zwerg Mime auch schon zum 20. Mal seit der Premiere mit nimmermüdem Einsatz seines großdimensionierten, grellen Charaktertenors, der sich mit Siegfried im 1. Akt herrlich matcht. Ein „seltsames Paar“, das sich gegenseitig fürchterlich auf die Nerven geht. Wenn Mime erfolglos hämmert, Sud bereitet und ein Wollpulloverl für Siegfried strickt(!): da bleibt kein Auge trocken. Mit der baritonalen Lage des Beginns („Fafner, der wilde Wurm …der Niblungen Hort hütet er dort…“) hat er wie die meisten Rollenkollegen seine Mühe.
Jochen Schmeckenbecher ist ein schönstimmiger Alberich, der sicherlich auch einmal als Wotan/Wanderer durchgehen würde. Durchaus mit Konieczny als Alberich, auch wenn er diesen gar nicht mehr so gerne zu singen scheint.
Monika Bohinec hat eine besonders intensive Saison. Nach dem gloriosen Einspringen bei „Les Troyens“, der Mitwirkung bei der „Weiden“-Uraufführung, den Hexenrollen in Rusalka und Hänsel und Gretel jetzt in kurzer Folge die einschlägigen Ring-Rollen, Erda, und in der Walküre, gleich darauf die Quickly im Falstaff: Immer verlässlich, hochmotiviert ihren pastosen Edelmezzo präsentierend.
Iréne Theorin führt eine lange skandinavische Tradition hochdramatischer Soprane von Astrid Varnay, Birgit Nilsson, Ingrid Bjoner, Catariana Ligendza, Nina Stemme,… fort. Eine ideale, „gestandene“ Brünnhilde, mit urgesundem, stabilem Sopran, gleißenden, explosiven Höhen. Aber eben nicht nur Trompetentöne, sondern auch schwebendes Piano, das man so nicht immer zu hören bekommt. Theorin habe ich im Vorjahr als fabelhafte „Elektra“ an der Königlichen Oper Stockholm erstmals gehört – und für mich hat sich dieser Eindruck auch jetzt in Wien bestätigt.
Einziges Rollendebüt des Abends: Maria Nazarova mit idealtypischer Gestaltung als Stimme des Waldvogels.
Axel Kober hat sich in seinem ersten Ring-Durchgang als souveräner Könner am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper erwiesen. Er ist selbstsicher, nervenstark. Ihm kann man (wie weiland Heinrich Hollreiser, Horst Stein, aber in jüngerer Vergangenheit auch Peter Schneider, Adam Fischer, Donald Runnicles, die das oft und oft bewiesen haben!) Aufführungen auch ohne vorherige Orchesterproben anvertrauen. Und es kommt zumeist Glanzvolles heraus. Am besprochenen Abend wurde höchst konzentriert, klangvoll und spannend musiziert, machtvolle Steigerungen wurden nicht ausgespart.
Dass auch Orchestermusiker nur Menschen und keine Maschinen sind, zeigte sich im 3. Akt, kurz vor „Heil dir, Sonne…“ bei einem Konzentrationsausfall samt mehrmaligem völlig zerbröselten Hörnereinsatz. Die Hornisten (und da vor allem Manuel Huber mit perfektem Hornruf im 2. Akt!) spielten einen Abend lang hervorragend und werden sich wohl selber am meisten geärgert haben. Auf die abschließende Götterdämmerung kann man sich auf jeden Fall freuen und eine Wiederbegegnung mit dem Orchester-„Bergführer“ Kober im Haus am Ring ist sehr erwünscht! Er kennt „seine Berge“, sprich: seinen Wagner, aber auch anderes Repertoire. Und er möchte sich – wie er in einem Online-Merker-Interview betont hat – nicht nur in eine Schublade stecken lassen!
Stürmischer Jubel für alle (bloß ein völlig unverständlicher Misston in Form eines Buhrufs für Frau Theorin störte), Blumensträuße flogen für den frischgebackenen Kammersänger aus den Logen.
Karl Masek, 16. Janaur 2019
Der Buhruf aus der Galerie für Frau Theorin ist mir auch ein Rätsel gewesen!!
Jürgen Pathy