Klaus Florian Vogt ©️ Harald Hofmann
“Zu viel, zu viel” sind die ersten Worte, die Tannhäuser singt. Am Schluss der Oper möchte man als Zuschauer antworten: “Noch mehr, noch mehr”! Von solch einer großartigen musikalischen Aufführung kann man eigentlich nicht genug bekommen. An der Deutschen Oper Berlin triumphiert Klaus Florian Vogt im Sängerwettstreit als Tannhäuser in einer musikalisch hochklassigen Aufführung, zu deren Erfolg auch Elisabeth Teige und Samuel Hasselhorn sowie der Dirigent John Fiore beitragen.
Richard Wagner (1813-1883)
Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg
Romantische Oper in drei Aufzügen – Dresdner Fassung
Uraufführung am 19. Oktober 1845 in Dresden
Premiere an der Deutschen Oper Berlin am 30. November 2008
Musikalische Leitung: John Fiore
Inszenierung: Kirsten Harms
Bühne & Kostüme: Bernd Damovsky
Orchester der Deutschen Oper Berlin
Chor und Extra-Chor der Deutschen Oper Berlin (Einstudierung: Jeremy Bines)
Deutsche Oper Berlin, 13. April 2025
von Jean-Nico Schambourg
Man kennt und bewundert seinen Lohengrin, dem Vogts helle Stimme einen androgynen mystischen Klang gibt. Dass diese Tenorstimme aber auch männlich erotische Farben enthält, zeigt der Sänger hier in seiner Darstellung vom Ritter und Dichter. Alle Gefühlswelten Tannhäusers weiß Vogt stimmlich hervorragend umzusetzen: Verzweiflung, Liebe, Abscheu, Ironie, Wut…
Manchmal überreizt er sein klares helles Timber absichtlich: Zum Beispiel wenn Tannhäuser sich über die Liebesdarstellungen seiner Sängerkollegen lustig macht oder auch wenn er die Stimme des Papstes imitiert, der Tannhäuser den Ablass seiner Sünden nicht geben will.
Seine “Erbarm’ dich mein”-Rufe am Ende des zweiten Aufzugs setzen sich mühelos im Tutti durch und gehen unter die Haut. Für die Rom-Erzählung am Schluss hat er genügend Reserven, um dem Zuhörer Tannhäusers Reisestrapazen und dessen Wut über das für ihn enttäuschende Resultat darzubringen.

Objekt von Tannhäusers sexuellem Verlangen sowie geistiger Minne ist in dieser Aufführung auf eine einzige Person, Elisabeth Teige, die sowohl die Rolle der Venus als auch diejenige der Elisabeth singt. Mit ihrem jugendlich dramatischen Sopran erfüllt sie die hohen Ansprüche beider Rollen. Klang ihre Stimme als Venus im Duett mit Tannhäuser noch ein wenig angestrengt, so blüht sie in der Hallen-Arie der Elisabeth voll auf und entfaltet alle Klangfarben. Wie Vogt hat auch sie dabei nie Probleme, um sich gegen das voll auftrumpfende Orchester durchzusetzen. Sehr gefühlvoll, mit langen Bögen auf dem Atem gesungen, gibt sie Elisabeths Gebet zum Besten.
Neben Klaus Florian Vogt haben es die anderen Sänger beim Sängerkrieg auf Wartburg natürlich schwer. Samuel Hasselhorn als Wolfram von Eschenbach besticht durch klare Diktion und gepflegten Vortrag, in dem man den ausdrucksstarken Liedsänger heraushört, besonders bei seinem Vortrag an den holden Abendstern. Allerdings erscheint die Stimme ein wenig klein, sobald er von der Regie nach hinten auf die Bühne verbannt wird. Dieses kleine Manko teilt er aber auch mit den anderen Rittern.
Tobias Kehrer lässt als Landgraf Hermann seine warme Bassstimme erklingen, die zwischendurch auch einige kratzige Töne hören lässt. Kangyoon Shine Lee singt mit klarer Stimme den Walther von der Vogelweide, Joel Allison gibt den “grimmigen Biterolf”. Jörg Schörner und Gerard Farreras vervollständigen die Rittergarde. Lilit Davtyan lässt als Hirte mit angenehmen Sopran aufhorchen.
Einen Großanteil des Erfolgs des Abends ist der Glanzleistung des Chors und Extrachors der Deutschen Oper Berlin (Jeremy Bines) zu verdanken. Machtvoll und mit viel Intensität gestalten sie die verschiedenen Chorszenen. Im Orchestergraben sorgt John Fiore für großen imposanten Wagnerklang. Klangvoll und mit viel Präzision spielt das Orchester auf. Das Publikum dankt es dem Dirigenten und seinem Orchester schon zwischen den Akten mit starkem Applaus und vielen Bravo-Rufen.

Was die Inszenierung von Kirsten Harms angeht, so muss ich sagen: Ich nehme sie heute nach mehrmaligem Sehen nicht mehr wahr. Das geht natürlich sehr einfach, wenn man sich an der musikalischen Darbietung ergötzen kann. Dann vergisst man die plump wirkenden tänzerischen Einlagen im Venusberg, die geräuschvoll herumstampfenden Ritter, das Hin- und Her-Rennen im Lazarett zwischen den Betten der dahinsiechenden Pilger. Auch mit der Auffassung, dass es sich bei Venus und Elisabeth um ein und dieselbe Person handelt, kann ich mich nicht anfreunden.
Aber das ist alles wie schon gesagt an diesem Abend nebensächlich. Jubelnder Applaus lässt die Sänger berechtigterweise noch lange nicht von der Bühne gehen.
Jean-Nico Schambourg, 14. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Wagner, Tannhäuser Deutsche Oper Berlin, 26. Mai 2022
Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg, Richard Wagner, Deutsche Oper Berlin, 11. Mai 2019
Richard Wagner, Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg, Deutsche Oper Berlin, 5. Mai 2019
Richard Wagner, Tannhäuser Bayreuther Festspiele, 4. August 2024