Tristan als Liebesdrama ohne Tiefe: Für Bayreuth ist das nicht genug

Richard Wagner, Tristan und Isolde  Bayreuther Festspiele, 3. August 2025

Tristan 2025 © Enrico Nawrath

Aus dem Graben drang nur selten einmal tiefe Schwermut, wie mir überhaupt Semyon Bychkov den Eindruck eines Langstreckenläufers im Mezzoforte machte.

Das war wohl auch der Grund, warum die Produktion trotz vereinzelter sängerischer Glanzleistungen wenig ans Herz ging. Unterm Strich eine gute, solide Aufführung. Aber für Bayreuth ist das nicht genug.

Richard Wagner,  Tristan und Isolde
Bayreuther Festspiele, 3. August 2025

Musikalische Leitung: Semyon Bychkov

Inszenierung: Thorleifur Örn Arnarsson

von Kirsten Liese

Oftmals sind bei einem Tristan oder einer Götterdämmerung die Kräfte im letzten Akt schon verbraucht und dann tönen die Stimmen  reiflich angegriffen und angestrengt.

In dieser Vorstellung war es genau umgekehrt, aber keineswegs deshalb, weil sich die Protagonisten anfangs geschont hätten. Nein, von Anfang an haben alle alles gegeben, nur wurde im ersten Akt streckenweise ohne schöne Tongebung gesungen, das betraf allen voran Camilla Nylunds Isolde, der in den Spitzen doch so manches unschöne Flackern unterkam, dicht am Schrei. Und Ekaterina Gubanovas Brangäne, die auch in der Mittellage kein ebenmäßiges Vibrato hören ließ. Das alles bei mittelmäßiger Textverständlichkeit.

Laues Vorspiel

Zu alledem hatte sich im Vorspiel nach wenigen Takten ein irritierend falscher Ton in den Tristanakkord eingeschlichen. Schrill inmitten der Flöten. Oopps. Ich traute meinen Ohren nicht.

Die Dame neben mir – zufällig meine Generation, wie ich Berlinerin und wie ich in den 1980er Jahren groß geworden mit dem Götz Friedrich-Tristan an der Deutschen Oper Berlin mit Catarina Ligendza und Spas Wenkoff, an den Christian Thielemann damals als Korrepetitor begleitete – hat diesen merkwürdigen Ton auch gehört.

Tristan 2025 © Enrico Nawrath

Es kann ja so Manches vorkommen, aber so etwas an so exponierter Stelle habe ich in einem Tristan – und ich habe gewiss an die 50 Vorstellungen auf meinem Buckel – noch nicht erlebt.

Ziemlich spannungslos geriet das Vorspiel zudem, schmerzlos, leidenschaftslos, grob dynamisiert, ausdruckslos, unelektrisiert. Nichts machte da süchtig.  So bahnte sich wirklich ein lauer Abend an, auch wenn das imposante Brautkleid Isoldes, auf das sie während der langen Schiffahrt ihre Gedanken niederschreibt, einen starken Blickfang beschert.

Aber dann wurde der zweite Akt zumindest musikalisch deutlich besser. Und der dritte Akt unverhofft richtig gut!

Eine Klasse für sich: Andreas Schager

Dies an erster Stelle dank Andreas Schager, der sich seine große Strahlkraft bewahrt hat.

Es ist bestimmt schon sieben Jahre her, dass ich ihn weiland unter Daniel Barenboim als Tristan an der Berliner Staatsoper erlebte. Schon damals besaß seine Stimme ein außergewöhnlich großes Volumen, und so wie er damals, auf Isolde wartend, hüpfte und tobte, schien er gar nicht zu wissen, wohin mit all seiner Energie.

Tristan 2025 © Enrico Nawrath

Mittlerweile ist der Österreicher 54, fast so alt wie Jonas Kaufmann, hat sich aber, wie nun zu erleben, seine Qualitäten bewahrt und das, obwohl er sich mit großen Wagnerpartien, die er auch anderswo noch singt, stark verausgabt.

Seine Tongebung ist dabei über die Jahre noch schöner geworden, in der Mittellage erinnert sein Timbre bisweilen sogar an den vergessenen Wolfgang Windgassen und zärtlich leise singen kann er inzwischen auch. Nur hier und da mal vernehmen sich leichte Schwächen in der Intonation wie beim Duett „O sink hernieder“, dann singt Schager eine hauchfeine Spur zu tief.

Trotzdem ist er das Glanzlicht dieser Aufführung, mit der in diesem Jahr die Premierenrunde zu Ende geht, und die vor allem eines schmerzlich entbehrt: Leidenschaft, was dieses Liebesdrama seltsam ernüchtert.

Nur einmal umarmen sich Tristan und Isolde fest zu den warnenden Habet Acht-Rufen Brangänes. Aber da stellt sich kein Prickeln ein, das wirkt vielmehr wie einstudiert.

Die Bühne erinnert an Willi Schwabes Rumpelkammer

Nun verlässt sich die Inszenierung des Isländers Thorleifur Örn Arnarssons nur auf eine Bildidee, und die gibt mit all ihrem Plunder in einem Schiffsinterieur (!) Rätsel auf. Die vielen Ritterrüstungen, die Tristan und Isolde einst in Heiner Müllers viel diskutierter Inszenierung im Wege standen, wollten zwar zu dem magischen Duett „So starben wir um ungetrennt“ auch nicht so recht passen, aber immerhin referierten sie auf die Unmöglichkeit ihrer Liebe.

Tristan 2025 © Enrico Nawrath

Aber was sollen nun hier all die Globen, kleinen Statuetten und Antiquitäten? Auf Vytautas Narbutas’ Bühne sieht es aus wie in Willi Schwabes Rumpelkammer, wenn Ihnen das noch etwas sagt, eine beliebte Musik-Sendung des DDR-Fernsehens in lange zurückliegenden Zeiten.

Gewiss, ein Gutes hat diese Regiearbeit: Die Szene stört nicht, sie verordnet den Sängerinnen und Sängern keine Unsinnigkeiten, die Musik hat die Vorfahrt!

Aber streng genommen ist dieses Bild überflüssig.

Unscheinbare Kostüme

Und vielleicht hätte es doch ein bisschen geholfen, wenn man Andreas Schager, der hier in unscheinbaren Klamotten auftritt (Kostüme: Sibylle Wallum) eleganter gekleidet und ausstaffiert hätte, um ihn begehrlicher ausschauen zu lassen. Machen wir uns doch nichts vor: Die Optik wirkt beim Zuschauenden mit, erinnere ich mich nur daran, wie hoch attraktiv einst ein René Kollo in jungen Jahren als Tristan ausschaute, seine Erscheinung war so attraktiv, dass damit allein schon eine starke Anziehungskraft einherging. Oder denke ich an Waltraud Meier, die eine strahlend schöne, sinnliche Isolde darstellte, gleichermaßen begehrenswert für Männer und Frauen!

Tristan 2025 © Enrico Nawrath

Davon können wir heute wohl nur noch träumen.

Und dann braucht es natürlich eine gewisse Spannung zwischen den Figuren auf der Bühne, die fehlte hier ganz und gar.

Zugegeben, das ist eine schwierige Aufgabe, aber was bleibt schon von dem Drama zweier Liebender, die eines Dritten wegen nicht zusammenkommen können, übrig, wenn sich so gar kein Prickeln einstellt?

Camilla Nylund eine achtbare Isolde

Camilla Nylund entspricht mit ihrer blonden Haarpracht und dem langen Gewand schon eher einer Isolde, wie man sie sich vorstellt.

Sie ist diejenige, die aktuell auf der Rolle sitzt, um im Sängerjargon zu reden. In früheren Jahrzehnten war das einmal eine Birgit Nilsson, über viele Jahre eine Waltraud Meier, zuletzt Nina Stemme. Nun also die Finnin, die für mich an die Vorgenannten nicht heranreicht, aber immerhin singt sie sehr achtbar ihre Partie. Eine bessere steht aktuell meines Wissens nicht zur Verfügung.

Tristan 2025 © Enrico Nawrath

Vor allem steigert sie sich bemerkenswert von Akt zu Akt, am schönsten tönt ihr Sopran im Duett mit Tristan und in ihrem ersten Auftritt im dritten Akt vor dem Liebestod.

Auch Gubanova steigert sich, gefällt mir persönlich am besten im zweiten Akt im Dialog mit Isolde, wo sie immerhin phasenweise einmal gerade Linien singt und deutlich weniger forciert. Ihr Mezzo hat nun einen deutlich besseren Fokus.

Jordan Shanahans’ Kurwenal hat im dritten Akt seinen großen Auftritt, schlank und agil durch alle Register führt er seinen profunden Bariton, den treuen, aufgewühlten, um Tristan barmenden Kameraden gibt er auch darstellerisch sehr überzeugend.

König Marke als Grobian

Und dann wäre da natürlich noch Günther Groissböck, der mit mächtiger Stimme sehr kultiviert und äußerst textverständlich den König Marke singt. Nur seitens der ihm verordneten Rollengestaltung gefällt er mir nur bedingt, wirkt er doch als der „Betrogene“ allzu grimmig, wenn er Tristan mehrfach rüde zu Boden stößt. Als einen solchen Grobian weist ihn Richard Wagners Partitur indes nicht aus, ist doch sein Part seitens der Partitur erfüllt von endlos tiefer Traurigkeit.

Tristan 2025 © Enrico Nawrath

Aber dafür fehlte in dieser Produktion vielleicht auch die Inspiration, aus dem Graben jedenfalls drang nur selten einmal tiefe Schwermut, wie mir überhaupt Semyon Bychkov den Eindruck eines Langstreckenläufers im Mezzoforte machte.

Das war wohl auch der Grund, warum die Produktion trotz vereinzelter sängerischer Glanzleistungen, die auch so kleine Partien wie den Hirten, Steuermann und Jungen Seemann einschließen, wenig ans Herz ging. Unterm Strich eine gute, solide Aufführung. Aber für Bayreuth ist das nicht genug.

Kirsten Liese, 4. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Richard Wagner, Tristan und Isolde Bayreuther Festspiele, 3. August 2024

Richard Wagner, Tristan und Isolde Bayreuther Festspiele, 3. August 2023

Richard Wagner, Tristan und Isolde  Bayreuther Festspiele, 12. August 2022

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert