Rising Stars 14: Das Arcis Saxophon Quartett – immer offen für Neues

Rising Stars 14: Arcis Saxophon Quartett

Die Entwicklung und Karriere vielversprechender NachwuchskünstlerInnen übt eine unvergleichliche Faszination aus. Es lohnt sich dabei zu sein, wenn herausragende Talente die Leiter Stufe um Stufe hochsteigen, sich weiterentwickeln und ihr Publikum immer wieder von neuem mit Sternstunden überraschen. Wir stellen Ihnen bei Klassik-begeistert jeden zweiten Donnerstag diese Rising Stars vor: junge SängerInnen, DirigentInnen und MusikerInnen mit sehr großen Begabungen, außergewöhnlichem Potenzial und ganz viel Herzblut sowie Charisma.

Arcis Saxophon Quartett: Live in concert 2018

von Lorenz Kerscher

Es waren einmal vier junge Lehramtsstudenten an der Münchner Musikhochschule, die mussten als Nebenfach ein Melodieinstrument spielen und wählten dafür das Saxophon. Sie studierten dieses Instrument bei dem ebenfalls noch jungen, vielfach ausgezeichneten Koryun Asatryan und sollten miteinander Kammermusik üben. Ohne ihre Phantasie besonders zu beanspruchen, nannten sie sich nach der Arcisstraße, in der die Musikhochschule liegt. Doch auf einmal gewannen sie Preise und wurden zu zahlreichen Auftritten eingeladen. Der Kompositionsprofessor Enjott Schneider ließ sie eine CD mit seinen Werken aufnehmen und zu ihrem Studienabschluss führten sie Anfang 2015 das „Concerto for Saxophone Quartet and Orchestra“ von Philip Glass auf.

Glass: Concerto for Sax. Quartet 1. Satz / Arcis Saxophon Quartet

Von solchen Erfolgen beflügelt, absolvierten sie bis 2016 ein Masterstudium in der Klasse des Artemis Quartetts an der Universität der Künste Berlin. Nun stellte sich die Frage nach der beruflichen Zukunft. Nur zwei der bisherigen Mitglieder des Ensembles, Claus Hierluksch (Sopransaxophon) und Ricarda Fuss (Altsaxophon) wollten den erfolgversprechenden Weg als Kammermusikensemble weitergehen, während die anderen beiden als Lehrer tätig wurden. In jüngeren Kommilitonen fand man adäquaten Ersatz, so dass ab 2015 der Slowene Jure Knez den Bariton spielt und seit 2017 Edoardo Zotti aus Italien mit dem Tenorsaxophon dabei ist.

Da es nur wenig Repertoire für klassisch orientiertes Saxophonquartett gibt, musste das junge Ensemble ein hohes Maß an Innovationskraft entwickeln. So manches ließ sich sehr dankbar für diese Besetzung bearbeiten, etwa das „Amerikanische Streichquartett“ von Antonín Dvořák oder die Bagatellen von György Ligeti für klassisches Bläserquintett. Auch Werke von George Gershwin und Leonard Bernstein mit ihren stilistischen Wurzeln im Jazz eigneten sich sehr gut, sodass Suiten aus Porgy and Bess und der West Side Story zu besonderer Wirkung kommen konnten. Darüber hinaus schlossen sie Partnerschaften mit anderen innovativen Nachwuchskünstlern, so etwa mit der Cellistin Raphaela Gromes und ihrem Pianisten Julian Riem, der Arrangements für die gemeinsame Sextettbesetzung ausarbeitete. So entstand ein Konzertprogramm aus dem 1. Cellokonzert von Camille Saint-Saëns, Ravels Rhapsodie espagnole und Gershwins Rhapsody in Blue, in der der Pianist solistisch brillieren konnte. Dies erlebte ich einmal live und war erstaunt, wie gut das Quartett den Orchesterklang abdecken konnte.

Arcis Saxophon Quartett und Duo Gromes/Riem

Weitere Kooperationsprojekte etwa mit dem Klavierduo Ferhan & Ferzan Önder oder mit twoWell (Maria Well, Cello und Matthias Well, Violine) wurden im Rahmen einer halbjährigen Konzertreihe „ASQ plus“ vorgestellt, die, wie ich mich selbst überzeugen konnte, auch bei jungem Publikum sehr gut ankam. Zusammen mit den Önder-Schwestern wurde das Auftragswerk „Russian Dance Suite“ von Aleksey Igudesman aufgeführt, der zugegen war und ausdrücklich darauf hinwies, dass seine Musik Spaß machen soll und nach jedem Satz geklatscht werden kann. Für ein Gemeinschaftsprojekt mit der italienischen Tänzerin und Choreographin Roberta Pisu vom Münchner Gärtnerplatztheater mieteten sie sogar den großen Saal der Philharmonie. Pandemiebedingt konnten sie diese Konzert- und Tanzperformance mit Titel „Heimat“ dann leider nur vor reduzierter Zuschauerzahl aufführen.

Um noch mehr interessantes Repertoire aufzubauen, vergibt das Arcis Saxophon Quartett Kompositionsaufträge an junge Tonschöpfer und achtet dabei auch darauf, dass Frauen in gleicher Zahl zum Zuge kommen wie Männer. Hierbei darf auch gerne mit neuen klanglichen Möglichkeiten experimentiert werden, und sei es ein zugespieltes Audio-Track wie in „Jesus is coming“ von Jacob Ter Veldhuis (*1951).

JACOB TV: Jesus is coming / Arcis Saxophon Quartett

Mit einer ebenso originellen wie stimmigen Konzeption, die von jungen Menschen für junge Menschen gedacht ist, bringt dieses Ensemble viel frischen Wind in den Konzertbetrieb, sorgt für Abwechslung und hat zweifellos das Potenzial, neues und vor allem junges Publikum für die Klassikwelt zu gewinnen. Mit Ende der Pandemie (ja, ich bin aus guten wissenschaftlichen Gründen optimistisch!) haben sie wieder einen vollen Konzertkalender. Vielerorts wird sich also die Möglichkeit bieten, sich von ihnen zum Erlebnis klassischer Musik aus neuer Perspektive einladen zu lassen. Es lohnt sich!

Weiterführende Information:

Biografisch sortierte Playlist in Youtube

Offizielle Webseite

Arcis Saxophon Quartett in Wikipedia

Lorenz Kerscher, 9. September 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Lorenz Kerscher, Jahrgang 1950, in Penzberg südlich von München lebend, ist von Jugend an Klassikliebhaber und gab das auch während seiner beruflichen Laufbahn als Biochemiker niemals auf. Gerne recherchiert er in den Internetmedien nach unentdeckten Juwelen und wirkt als Autor in Wikipedia an Künstlerporträts mit.

Dr. Lorenz Kerscher

„‘Musik ist Beziehungssache’, so lautet mein Credo. Deshalb bin ich auch als Chorsänger aktiv und treffe mich gerne mit Freunden zur Hausmusik. Eine neue Dimension der Gemeinsamkeit eröffnet sich durch die Präsenz vieler, vor allem junger Künstler im Internet, wo man Interessantes über ihre Entwicklung erfährt, Anregungen zur Entdeckung von musikalischem Neuland bekommt und auch in persönlichen Kontakt treten kann. Man ist dann kein Fremder mehr, wenn man ihnen als Autogrammjäger begegnet oder sie sogar bei einem Konzertbesuch im Publikum trifft. Das ist eine schöne Basis, um mit Begeisterung die Karrieren vielversprechender Nachwuchskünstler mitzuerleben und bei Gelegenheit auch durch Publikationen zu unterstützen.“

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