Schammis Klassikwelt 15: Bekannte Melodien unbekannter amerikanischer Komponisten – Teil 1

Schammis Klassikwelt 15: Bekannte Melodien unbekannter amerikanischer Komponisten – Teil 1  klassik-begeistert.de

Foto:  Foster Wikipedia – Public Domaine

 

 

 

 

Bei der Erstellung des Programms zu meinem letzten Konzert, das der Musik Nord- und Lateinamerikas gewidmet war, entdeckte ich viele sehr interessante Komponisten. In diesem Artikel will ich einige von ihnen aus Nordamerika vorstellen. Ihre Namen sind bei uns weitgehend unbekannt, obschon mancher “Hit” von ihnen geschrieben wurde. Des öfteren tauchen diese auch heute noch in Liederabenden oder auf Aufnahmen von aktuellen Gesangstars auf. Einige dieser Melodien möchte ich in Beispielen von YouTube hier vorstellen.

Die Komponisten sind gemäß ihrem Geburtsjahr aufgeführt.


von Jean-Nico Schambourg

George Gershwin, Leonard Bernstein, Aaron Copland, Charles Ives, Samuel Barber sind bekannte Namen der nordamerikanischen Klassik. Aber wer kennt schon Charles Wakefield Cadman, Ethelbert Nevin, Ernest Charles, Reginald De Koven, Walter Damrosch, John Philip Sousa?

 Am ehesten noch bekannt dürfte Stephen Foster (1826-1864) sein, der oft als “Vater der amerikanischen Musik” betitelt wird. Foster schrieb über 200 Lieder, darunter „Oh! Susanna“, „Hard Times Come Again No More“, „Camptown Races“, „Old Folks at Home“ (auch bekannt als „Swanee River“), „My Old Kentucky Home” (seit 1928 die offizielle Hymne des US-Staates Kentucky), „Jeanie with the Light Brown Hair” (seiner Frau Jane Denny McDowell gewidmet), „Old Black Joe” und „Beautiful Dreamer”, Lieder, die auch heute noch fester Bestandteil der amerikanischen Kultur sind.

Viele der Lieder von Stephen Foster waren für die damals in den Vereinigten Staaten beliebten “Blackface Minstrelsy” verfasst, eine Theaterform, wo sich weiße Darsteller das Gesicht dunkel färbten und Schwarze spielten. Foster versuchte allerdings die Texte der Lieder von beleidigenden Passagen frei zu halten und dem Geschmack des gebildeteren Publikums anzupassen. Er beeinflusste die weißen Interpreten seiner Lieder dahin, sich nicht über die Sklaven lustig zu machen, sondern ihr Publikum dazu zu bringen, Mitgefühl mit ihnen zu empfinden. Obschon Foster nur einmal in die Südstaaten gereist ist, haben viele seiner Melodien Themen dieser Region. Dies ist auch vielleicht der Grund, warum einige seiner Texte  heute umstritten sind und als rassistisch gelten.

Foster verband später den Stil dieser “minstrel songs” mit demjenigen der Salonlieder seiner Zeit und komponierte so einige seiner schönsten Melodien und Balladen.

 Er versuchte als erster in den Vereinigten Staaten als professioneller Komponist zu leben. Allerdings war er ein schlechter Geschäftsmann, so dass Verleger und Performer das meiste Geld mit seinen Kompositionen verdienten. Für “Oh! Susanna” bekam er zum Beispiel nur 100 $. Foster starb 1864, im Alter von nur 37 Jahren, in völliger Armut.

Eine seiner schönsten Melodien ist “Beautiful Dreamer”, die 1864 veröffentlicht wurde. Ob es wirklich das letzte der von Foster geschriebenen Lieder ist, bleibt umstritten: ungefähr 20 Melodien teilen sich diesen Anspruch. Sicherlich ist es aber das beste, das er in seinen letzten Lebensjahren komponierte. Das Lied wurde von vielen Sängern verschiedener Musikrichtungen aufgenommen: neben klassischen Sänger wie zBsp. Thomas Hampson, Robert Merrill, Marilyn Horne, Richard Crooks, Evelyn Lear und Thomas Stewart, haben es auch Bing Crosby, Jerry Lee Lewis, Jim Reeves, Roy Orbinson und sogar die Beatles aufgeführt. Eine deutsche Version hat Udo Jürgens eingespielt unter dem Titel “Beautiful Dreamgirl”.

Evelyn Lear & Thomas Stewart: https://youtu.be/lB-z2F1uGOU

Udo Jürgens: https://youtu.be/DSxyWSzLTjE

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John Philip Sousa © Elmer Chickering

John Philip Sousa (1854-1932) ist vor allem als Komponist von Militärmärschen bekannt: “Stars and Stripes Forever” (Sousa schrieb hiervon auch eine Version mit Text), “Semper Fidelis” (der offizielle Marsch der US-Marine), “The Liberty Bell” (bekannt auch als Titelmelodie der englischen Fernsehserie “Monty Python Flying Circus”) sind nur drei Beispiele hiervon. Er wurde „The March King“ (der Marschkönig) oder  „American March King” genannt.

Auch gab er seinen Namen einer Tuba-Variante, deren Anwendung vor allem in Fanfaren und im New-Orleans-Jazz beliebt ist: das Sousaphon.

Wenn Sousa üblicherweise auf seine Kompositionen von Märschen beschränkt wird, so schrieb er   doch Musik in vielen Formen. Zwischen 1879 und 1915 schrieb er 11 Operetten, von denen “El Capitan” (1896), “The Charlatan” (1898) und “The Free Lance” (1906) besonders erfolgreich waren. Von ersterer liegt eine Gesamtaufnahme von der Ohio Light Opera vor (Albany TROY1236/37). Mit ihren kurzen Rezitativen und Chorfinalen zeigen seine Operetten starke Einflüsse der englischen Autoren Gilbert und Sullivan.

Darüber hinaus schrieb er mindestens 70 Lieder, 11 Walzer, 12 andere Tanzstücke, 11 Suiten, 14 Humoresken und 27 Fantasien. Eines dieser Lieder ist das humorvolle Strophenlied mit dem wahrheitsträchtigen Titel “You’ll Miss Lots of Fun When You’re Married” (Du verpasst viel Spaß, wenn du verheiratet bist)!

Sousa war ein unermüdlicher Arbeiter und verkündete: „Wenn Sie von Sousas Pensionierung hören, werden Sie von Sousas Tod hören.“ So kam es, dass er nach einer Probe am 6. März 1932 einem Herzinfarkt erlag.

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Reginald De Koven (1859-1920) war ein amerikanischer Musikkritiker und begabter Komponist, vor allem von Operetten. 1870 reiste er nach Europa, wo er in Stuttgart Klavier, in Frankfurt Komposition, in Florenz Gesang studierte. Es folgten Studien in Operettenkomposition in Wien bei Richard Genée und in Paris bei Léo Delibes. Zurück in den Vereinigten Staaten komponierte er 20 Operetten. Sein größter Erfolg war seine Operette “Robin Hood”, die 1890 in Chicago uraufgeführt wurde. Die einzige mir bekannte Gesamtaufnahme hiervon stammt von der “Ohio Light Opera” (Albany Records TROY712/13).

De Koven war auch Komponist ernster Werke, darunter zwei Klaviersonaten, sowie am Ende seiner kompositorischen Laufbahn die Opern “The Canterbury Pilgrims” (1917) und “Rip Van Winkle “(1920). Er verstarb allerdings vor der Aufführung dieser Letzteren.

Auch viele seiner Liedkompositionen wurden populär. Das Lied “Oh promise me”, auf einen Text von Clement Scott, war einer seiner größten Erfolge und war bis vor geraumer Zeit noch auf Hochzeitsfeiern sehr gefragt. Besonders bekannt ist die Version des amerikanischen Bariton Nelson Eddy, der das Lied unter Tränen zur Hochzeit seiner langjährigen Film- und Gesangpartnerin Jeannette MacDonald gesungen hat.

Lauritz Melchior: https://youtu.be/jg72fO7YawE

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Foto: Nevin © Wikipedia – Public Domaine

Ethelbert Nevin (1862-1901) war Pianist und Komponist. Von 1884 bis 1886 ging er ein erstes Mal nach Berlin, wo er Schüler von Hans von Bülow wurde. Spätere Studienreisen nach Europa führten ihn neben Berlin auch nach Paris, Rom, Florenz und Venedig, wo er ein Jahr lang lebte. 1897 zog es ihn definitiv zurück nach Amerika.

Nevin war ein begabter Konzertkünstler, der klassische Stücke für Orchester und Klavier, sowie populäre Lieder komponierte. Seine Musik war im späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert sehr beliebt. Im Laufe seiner Karriere veröffentlichte Ethelbert Nevin über fünfhundert Kompositionen. Er ist vor allem für seine populären Lieder “Mighty Lak’ A Rose“, “The Rosary“ und seine Klavierstücke “Narcissus“, “May in Tuscany“ und “A Day in Venice“ bekannt.

“Mighty Lak’ a Rose” wurde u.a. von der bedeutenden Sopranistin Lilian Nordica aufgenommen. Spätere Aufnahmen gibt es zBsp von Geraldine Farrar, Marilyn Horne, Paul Robeson, aber auch von Frank Sinatra, Bing Crosby, Mahalia Jackson, Mario Lanza, Coleman Hawkins und vielen anderen.

Lilian Nordica (ab Minute 5:30): https://youtu.be/_PW1dr1Ph6M

Geraldine Farrar & Fritz Kreisler: https://youtu.be/K8oNEIe4Ov0

Nevins bekanntester Song ist aber sicherlich “The Rosary”, das 1898 erstmals aufgeführt wurde und das von vielen berühmten Sängern interpretiert wurde: Rosa Ponselle, John McCormack, Alfred Piccaver, Mario Lanza, Stuart Burrows u.a.

Trotz seiner musikalischen Erfolge hatte Nevin gegen Ende seines Lebens große Schulden. Er litt unter Depressionen und verfiel zunehmend dem Alkohol. Er war öfters überarbeitet, was seine Gesundheit schwächte. Er verstarb 1901. Nach seinem Tode erarbeite seine Frau Anne die Copyright-Gesetze, die von Präsident Theodor Roosevelt unterschrieben wurden.

Jean Nico Schambourg, 7. Mai 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Schammis Klassikwelt (c) erscheint regelmäßig am Sonntag.

                                                                                                         

Jean-Nico SchambourgJahrgang 1959. Gehört einer weltlichen Minderheit an: Er ist waschechter Luxemburger! Und als solcher war es normal, Finanzwirtschaft zu studieren. Begann seine berufliche Karriere bei der Kriminalpolizei, ehe er zur Staatsbank und Staatssparkasse Luxemburg wechselte. Seit jeher interessiert ihn jede Art von Musik, aber Oper wurde seine große Liebe. Er bereist ganz Europa, um sich bekannte und unbekannte Opern und Operetten anzuhören. Nebenbei sammelt der leidenschaftliche Hobbykoch fleißig Schallplatten über klassischen Gesang (momentan ungefähr 25.000 Stück). Sang in führenden Chören in Luxemburg, verfolgt seit einigen Jahren aber ausschließlich eine Solokarriere als Bass. Sein Repertoire umfasst Lieder und Arien in zwölfSprachen. Unter der Bezeichnung “Schammilux Productions” organisiert er selbst jährlich zwei bis drei Konzerte. Perfektionierte sein Singen in Meisterkursen mit Barbara Frittoli, Jennifer Larmore sowie Ramón Vargas, organisiert von “Sequenda Luxembourg”, einer Organisation zur Förderung junger Sängertalente, geleitet von seiner Gesangslehrerin Luisa Mauro. Neu auf klassik-begeistert.de: Schammis Klassikwelt, regelmäßig am Sonntag.

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