Derek Collins: “The Country Band”
Lebendige Tiere haben auf der Opernbühne oder im Konzerthaus nichts verloren. Da sollte man sich mit dem “gewöhnlichen Bagagi” begnügen: zwitschernde Soprane, schnatternde Alte, blökende Tenöre, röhrende Baritone und brummende Bässe. Dazwischen ein Dirigent, der wild herumfuchtelt wie ein Zirkusdirektor, um alle zu bändigen. Nicht zu vergessen das Publikum, das, wie ein Pfau aufgeplustert, sich teilweise benimmt wie im Schweinestall!
von Jean-Nico Schambourg
Tiere stehen im Mittelpunkt von unzähligen Opern und Oratorien. In Haydns “Schöpfung” wird fast das ganze Tierreich aufgezählt. Die Vogelwelt spielt nicht nur in Braunfels “Die Vögel” eine zentrale Rolle.
Auch Wagner scheint eine Vorliebe für das Gefieder gehabt zu haben, begegnen wir doch in seinen Opern einem Waldvöglein, einem Schwan, einer Taube, sofern diese nicht vorher in Webers “Freischütz” abgeschossen wurde. In fröhlicheren Werken taucht ebenfalls das eine oder andere Klein- und Großvieh auf: Zsupáns Schweine im “Zigeunerbaron”, die Fliege in Offenbachs “Orpheus in der Unterwelt”. Unzählige andere Tiere sind in Bühnenwerken aufgelistet und stellen Regisseure vor die schwierige Aufgabe deren Darstellung.
Einfacher hat man es da im Liederabend. Auch für diese Kunstgattung wurden die verschiedensten Tiere von den Komponisten verewigt. Ich will hier einige dieser “tierischen” Kompositionen aus meinem eigenen Lied-Repertoire vorstellen.
Beginnen wir mit unseren beliebtesten Haustieren, der Katze und dem Hund. Erstere hat Arnold Schönberg in seinen Brettl-Liedern verewigt. “Der genügsame Liebhaber” erzählt die Geschichte eines, wie ich selbst, haarlosen Mannes, der sich seine Streicheleinheiten von seiner Freundin mit Hilfe deren Mieze abholt. Er legt die schwarze Katze auf seine blitzblanke Glatze. Dann streichelt die Freundin die Katze! Und lacht!
Kinder wollen alle einen Hund haben! Die Freude am vierbeinigen Familienmitglied verfliegt aber schnell, wenn es heißt, jeden Abend noch Gassi gehen! Dazu wird meistens der Vater verdonnert, was dieser zwar mürrisch, aber schlussendlich doch ausführt. Der abendliche Spaziergang spornt dann manchmal zu einem kleinen Umweg übers Wirtshaus an. Aber Wauwau kennt ja Gott sei Dank den Weg nach Hause! Und das nicht nur in Wien!
Peter Alexander: “Wenn ich mit meinem Dackel von Grinzing heimwärts wackel”
https://youtu.be/gOYdnDeJi5E?si=wtUnmq6HX7HZ_GWT (Video ist nur auf YouTube verfügbar)
Unsere lieben vierbeinigen Freunde bringen uns dann öfters unerwünschte Gäste mit nach Hause: Flöhe! Darüber freuen wir uns nicht so sehr wie der König in Goethes Gedicht, das dieser Mephisto in seinem Faust zugedichtet hat. Vertont wurde dieser Spaß von mehreren Komponisten, u.a. Beethoven, Busoni, Kienzl und sogar von Richard Wagner.
Meine Lieblingskomposition ist allerdings die Vertonung von Modest Mussorgski. In dieser kommt der Sarkasmus von Mephisto besonders gut zur Geltung. Mussorgski hat zwischen den einzelnen Versen von Goethe jeweils Mephistos zynisches Lachen eingefügt. Im Übrigen lässt sich auch der deutsche Originaltext eins zu eins auf Mussorgskis Version übertragen, für den Fall, dass man der russischen Sprache nicht mächtig ist. Es gibt das Lied mit Orchester- und mit Klavierbegleitung.
Auf dem Bauernhof trifft man eine ganze Reihe von Tieren, von klein bis groß. Im nächsten Lied geben sich Katze, Ente, Gans, Henne, Schwein, Kuh, Pferd und… Ehefrau die Ehre. Der amerikanische Komponist Aaron Copland hat in seinen beiden Sammlungen “Old American Songs” (1950 & 1952) Lieder verschiedener Stilrichtungen aus den ganzen US-Staaten zusammengetragen: Hymnen, Spirituals, Balladen, Kinderlieder, usw. Die erste Sammlung wurde 1950 von Peter Pears und Benjamin Britten uraufgeführt, die zweite von 1952 vom amerikanischen Bassbariton William Warfield.
Als fünftes Lied der ersten Sammlung fügte Copland das Kinderlied “I bought me a cat” ein. Das Lied bietet dem Interpreten die Möglichkeit, die Laute der verschiedenen Tiere auf eigene Art und Weise wiederzugeben. Die Herausforderung besteht darin, all die Tiere mit ihren Geräuschen nicht durcheinanderzubringen. Mir gelingt dies nicht immer, was ich mit dem Hinweis versuche zu entschuldigen, dass auch Tiere Fremdsprachen mächtig sind! Es gibt die Zyklen in Klavier- und Orchesterfassung.
Pferde findet man nicht nur auf dem Bauernhof. In Wien gehören sie zum Stadtbild, seien es die Lipizzaner in der Spanischen Hofreitschule, oder die Fiaker-Pferde. Diese werden in vielen Liedern besungen, sodass ein musikalischer Abend mit Wiener Liedern ohne Fiakerlied schwer vorstellbar ist. Mein Lieblingslied dabei heißt “Genoveva, ich könnte weinen”, komponiert von Robert Stolz und unvergleichlich gesungen von Leo Slezak im Film “Der Herr ohne Wohnung”. Und hören sie bitte genau hin: Im Gegensatz zu Robert Schumanns “Genoveva” handelt es sich hier nicht um eine angebetete Frau, sondern um ein altes Pferd, das besungen wird! Auch wenn der Text manchmal irreleiten könnte!
Es ist übrigens das einzige Lied dieses Artikels von dem mir die Partitur fehlt. Wenn ein Leser dieses Artikels die Partitur besäße, wäre ich für eine Kopie davon sehr dankbar.
Der französische Schriftsteller Jean de la Fontaine hat eine ganze Reihe von Tierfabeln gedichtet, die manchen Komponisten inspiriert haben. Eine der bekanntesten davon ist die Fabel vom Raben und vom Fuchs (“Le corbeau et le renard”). Der Rabe sitzt auf dem Baum mit einem Käse im Schnabel. Der Fuchs schmeichelt ihm so lange betreffend seine, angeblich, schöne Stimme, bis der Rabe anfängt zu singen, oder besser gesagt zu krächzen, und den Käse fallen lässt, den der Fuchs schnell an sich nimmt.
Und die Moral von der Geschicht’:
Glaubt einem Schmeichler lieber nicht!
Mehrere bekannte französische Komponisten haben diese Fabel vertont, u.a. Offenbach, Gounod, Lecocq, Caplet. Von der zeitgenössischen französischen Komponistin Isabelle Aboulker (*1938) existiert eine lustige, abwechslungsreiche Vertonung dieser Fabel, mit deren Interpretation ich in meinen Liederabenden stets großen Erfolg habe.
Von den im Wasser lebenden Tieren werden natürlich die Fische besonders oft besungen. Schuberts “Forelle” ist davon wahrscheinlich das berühmteste Lied, fehlt aber in meinem Repertoire. Nein, das Tier was ich besinge, ist viel größer, wenn auch kein reines Wassertier. Es handelt sich um das Flusspferd oder Hippopotamus genannt. Und wenn es am Nil wohnt, nennt man es natürlich Nilpferd.
Das englische Komiker- und Komponisten-Duo (Michael) Flanders und (Donald) Swann hat das schwergewichtige Tier in einem Lied verewigt, das in England Kult-Status erlangt hat, und dies nicht nur in Schulen. Swann und Flanders waren übrigens auf Lieder über außergewöhnliche Tiere spezialisiert. Außer dem Flusspferd kamen bei ihnen u.a. der Elefant, das Nashorn, das Gürteltier, das Gnu, das Warzenschwein, das Faultier und viele andere Exoten zu musikalischen Ehren.
Bryn Terfel hat das Lied vom Hippopotamus vor einigen Jahren mit Orchester aufgenommen. Die Version vom englischen Bass Ian Wallace mit Klavierbegleitung versprüht aber mehr Komik und kommt der Grundidee der Autoren meines Erachtens näher.
Manch weitere Partitur anderer Komponisten liegt schon zu Hause auf meinem Klavier zum Einstudieren bereit: Benjamin Britten und sein Krokodil, die Zyklen ”Le bestiaire” (Das Bestiarium) von Francis Poulenc mit dem Dromedar, der tibetischen Ziege, der Heuschrecke, dem Delphin, dem Flusskrebs und dem Karpfen, sowie die “Histoires Naturelles” (Naturgeschichten) von Maurice Ravel mit dem Pfau, der Grille, dem Schwan, dem Eisvogel und dem Perlhuhn.
Ich freue mich schon “tierisch” auf das Erlernen dieser Melodien.
Jean-Nico Schambourg, 17. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Schammis Klassikwelt (c) erscheint regelmäßig am Sonntag.
Jean-Nico Schambourg, Jahrgang 1959. Gehört einer weltlichen Minderheit an: Er ist waschechter Luxemburger! Und als solcher war es normal, Finanzwirtschaft zu studieren. Begann seine berufliche Karriere bei der Kriminalpolizei, ehe er zur Staatsbank und Staatssparkasse Luxemburg wechselte. Seit jeher interessiert ihn jede Art von Musik, aber Oper wurde seine große Liebe. Er bereist ganz Europa, um sich bekannte und unbekannte Opern und Operetten anzuhören. Nebenbei sammelt der leidenschaftliche Hobbykoch fleißig Schallplatten über klassischen Gesang (momentan ungefähr 25.000 Stück). Sang in führenden Chören in Luxemburg, verfolgt seit einigen Jahren aber ausschließlich eine Solokarriere als Bass. Sein Repertoire umfasst Lieder und Arien in zwölfSprachen. Unter der Bezeichnung “Schammilux Productions” organisiert er selbst jährlich zwei bis drei Konzerte. Perfektionierte sein Singen in Meisterkursen mit Barbara Frittoli, Jennifer Larmore sowie Ramón Vargas, organisiert von “Sequenda Luxembourg”, einer Organisation zur Förderung junger Sängertalente, geleitet von seiner Gesangslehrerin Luisa Mauro. Neu auf klassik-begeistert.de: Schammis Klassikwelt, regelmäßig am Sonntag.