Schammis Klassikwelt 3: requiescat in pace Maestra Enza Ferrari

Schammis Klassikwelt 3: RIP Maestra Enza Ferrari  klassik-begeistert.de 25. September 2022

Foto: Enza Ferrari und Jean-Nico Schambourg © Jean-Nico Schambourg

Sie war eine der größten Korrepetitorinnen, Musik- und Gesangslehrerinnen Italiens unserer Zeit und arbeitete während ihrer Karriere mit den berühmtesten Sängern der Welt. Ende August ist die Maestra Enza Ferrari im Alter von 81 Jahren verstorben. Ein sehr persönlicher Nachruf.

 von Jean-Nico Schambourg (Text und Fotos)

Ihr Name erweckt sogleich Assoziationen mit Enzo Ferrari, dem Gründer der berühmten Automarke. Jedoch die Boliden, die Maestra Enza Ferrari vorbereitete, haben nicht vier Räder, sondern zwei Stimmbänder, ihre Motoren heulen nicht laut auf, sondern stimmen angenehmere Töne an. Enza Ferrari war einer der größten Korrepetitorinnen und Musiklehrerinnen unserer Zeit. Sie ist Ende August im Alter von 81 Jahren verstorben.

Ich hatte das große Glück, diese außergewöhnliche Musikerin kennenzulernen und mit ihr während fast zehn Jahren jeden Sommer eine Woche zusammen arbeiten zu dürfen. Seit 2013 kam sie jedes Jahr nach Luxemburg, um ihr Wissen an der Sommerakademie “Sequenda Luxembourg”, organisiert von der Mezzosopranistin und Gesangslehrerin Luisa Mauro, an Sänger und Klavierbegleiter weiterzugeben.

Die Musiklehrerinnen 2013 von „Sequenda Luxembourg”: Mireille Alcantara, Enza Ferrari, Monika Lukacs und Luisa Mauro (vlnr)

So habe ich mich auch dieses Jahr auf ein Wiedersehen mit der Maestra gefreut. Leider hat uns einige Tage vor Beginn der Kurse die traurige Nachricht erreicht, dass sie nach einem kurzen Aufenthalt im Hospital verstorben ist.

Es war ein Erlebnis, diese leidenschaftliche Musikerin bei ihrer Arbeit zu erleben. Sie schaute sich die Partitur kurz an, setzte sich ans Klavier. Ihre Finger flogen über die Tasten. In ihren Augen loderte das Feuer der Leidenschaft für die Musik. In dem Moment war sie nicht nur Klavierbegleiterin, nein, sie war das ganze Orchester und der Dirigent zugleich.

Ihre Anweisungen wurden von ihren Schülern aufgesaugt und akribisch verfolgt. Alle wussten, dass ihre Ratschläge richtig und nützlich waren und dass sie das Resultat einer langen Erfahrung auf höchster musikalischer Ebene waren. Eine Gesangstunde mit der Maestra war auch eine Lehrstunde über fünfzig Jahre Theater- und Musikgeschichte.

Enza Ferrari und Magda Olivero (c) Jean-Nico Schambourg

Sie selbst zeichnete sich durch eine große Demut aus. Nie stellte sie sich und ihre Karriere in den Vordergrund. Bezugnehmend auf meine Fragen hat sie mir in all den Jahren oft erzählt von den großen Sängern, denen sie in ihrer Karriere begegnet ist und mit denen sie zusammengearbeitet hat. Aus ihren Erzählungen hörte man ihre ehrliche Bewunderung für all diese bedeutenden Künstler heraus: Maria Callas, Giuseppe Di Stefano, Magda Olivero, Nicola Rossi Lemeni, Renato Capecchi, Ghena Dimitrova, Maria Chiara und viele andere.

Ob großer Gesangstar, junger Musikstudent oder einfacher Amateursänger wie ich, stets zeugte ihre Arbeit von immenser Leidenschaft, aber auch von tiefem Respekt gegenüber dem Sänger oder Schüler. Im September 2021 nach meiner letzten Gesangstunde mit ihr, sagte sie: “Ich freue mich jedes Jahr, dich wiederzusehen, denn du lässt mich immer wieder Werke entdecken, die ich noch nicht kannte!

Welch ein Kompliment von einer Musikerin, die seit über 50 Jahren an den größten Musikhäusern aktiv war, mit den berühmtesten Sängern musiziert hat und auf der ganzen Welt ihr musikalisches Wissen an hunderte junger Musiker weitergegeben hat!

Cara Maestra, wir werden Sie sehr vermissen!

Jean-Nico Schambourg, 25. September 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Lebenslauf von Enza Ferrari:

Enza Ferrari wurde in Mailand geboren, wo sie im Alter von 15 Jahren ihr Klavierstudium am Verdi-Konservatorium mit Bestnote abschloss und später auch ein Diplom in Komposition erhielt. Sie studierte Dirigieren bei Antonino Votto.

Sie war die Gewinnerin von fünf Stipendien der Stadt Mailand und drei des Projekts Venice Musical Holidays. Sie war Assistentin von Prof. Maria Carbone am Gesanglehrstuhl des Mailänder Konservatoriums und außerdem Korrepetitorin am selben Institut und am Liceo Musicale Viotti in Vercelli. 1959 erhielt er den ersten Preis für junge Konzertspieler von Riva del Garda. Von 1966 bis 1970 war sie Stellvertretende Maestra am Teatro Massimo in Palermo. Von der Gründung an bis 1982 war sie die offizielle Klavierbegleiterin des Vittorio Veneto National Violin and Cello Competition. Von 1971 bis 1998 war sie Pianistin des Internationalen Gesangwettbewerbs Toti Dal Monte des Stadttheaters von Treviso und Koordinatorin des von Maestro Peter Maag geleiteten Workshops.

In ihrer Karriere hat Enza Ferrari mit den wichtigsten internationalen Gesangwettbewerben (u.a. Adria, Vercelli), mit den größten Theatern der Welt (insbesondere der Mailänder Scala und dem Teatro Comunale von Florenz, aber auch dem Teatro Real in Madrid, dem Teatro Saõ Carlos Lissabon), mit den berühmtesten internationalen Festivals (u.a. Aix-en-Provence, Edinburgh, Valle d’Itria, Estati Musicali di Verona), mit zahlreichen Universitäten und Lehrinstituten, wie zum Beispiel der Akademie der Mailänder Scala, zusammengearbeitet.

Sie hat mit den berühmtesten Opernsängern gearbeitet und sie am Klavier begleitet (u.a. Maria Callas, Giuseppe Di Stefano, Renato Capecchi, Nicola Rossi Lemeni, Bianca Maria Casoni, Ghena Dimitrova, Nicola Martinucci, Maria Chiara, Maria Luisa Nave, Alfredo Mariotti, Vincenzo Bello, Gianfranco Cecchele, Beniamino Prior, Giovanni Furlanetto, Roberto Scandiuzzi, Giorgio Surian, Walter Fraccaro, Vivica Genaux).

Ihre Arbeiten und Auftritte wurden von Radio- und Fernsehsendern in Italien, Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Spanien, der Schweiz und Mexiko ausgestrahlt und dokumentiert.

Sie hat mit den Plattenfirmen Curci, Fabbri, Ensayo, Rivo Alto zusammengearbeitet.

Schammis Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Sonntag.

                                                                                                         

Jean-Nico SchambourgJahrgang 1959. Gehört einer weltlichen Minderheit an: Er ist waschechter Luxemburger! Und als solcher war es normal, Finanzwirtschaft zu studieren. Begann seine berufliche Karriere bei der Kriminalpolizei, ehe er zur Staatsbank und Staatssparkasse Luxemburg wechselte. Seit jeher interessiert ihn jede Art von Musik, aber Oper wurde seine große Liebe. Er bereist ganz Europa, um sich bekannte und unbekannte Opern und Operetten anzuhören. Nebenbei sammelt der leidenschaftliche Hobbykoch fleißig Schallplatten über klassischen Gesang (momentan ungefähr 25.000 Stück). Sang in führenden Chören in Luxemburg, verfolgt seit einigen Jahren aber ausschließlich eine Solokarriere als Bass. Sein Repertoire umfasst Lieder und Arien in zwölf Sprachen. Unter der Bezeichnung “Schammilux Productions” organisiert er selbst jährlich zwei bis drei Konzerte. Perfektionierte sein Singen in Meisterkursen mit Barbara Frittoli, Jennifer Larmore sowie Ramón Vargas, organisiert von “Sequenda Luxembourg”, einer Organisation zur Förderung junger Sängertalente, geleitet von seiner Gesangslehrerin Luisa Mauro. Neu auf klassik-begeistert.de: Schammis Klassikwelt, alle zwei Wochen.

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