Schammis Klassikwelt 2: Ich bin ein Bass!

Schammis Klassikwelt 2: Ich bin ein Bass!  klassik-begeistert.de

Foto: Günther Groissböck, Salzburger Festspiele, Foto: Monika Rittershaus 

Wie oft habe ich mir früher gewünscht, einer anderen Stimmlage anzugehören. Nein, um Himmelswillen, nicht Tenor! Meine Wunschstimme war Bariton. Entweder ein leichter Bariton-Martin damit ich die vielen wunderbaren Operettenrollen singen könnte, oder aber ein markanter Heldenbariton der Verdi’s Arien strömen lassen kann.

 von Jean-Nico Schambourg

Mir scheint, mit dem Wunsch nach einer anderen Stimmlage stehe ich nicht alleine da. Bei den männlichen Stimmlagen kommt dieser Wunsch aber hauptsächlich bei den Bässen vor, oder kennen sie einen Tenor der “freiwillig” auf seinem stimmlichen Zenith, die Stimmlage wechseln will?

Bestimmte Rollen wie Scarpia, Escamillo, Don Giovanni, Wotan und Sachs sind immer wieder das Ziel dieser Fachwechsel und einige Bässe haben diesen Ausflug auch mit mehr oder weniger Erfolg geschafft.

Eine Erklärung des Wunsches nach dem Fachwechsel ist sicherlich in den Charakteren zu finden, die der Bassstimme meistens in Opern zugeschrieben, oder soll ich schreiben, zugemutet werden: es ist nie die des jugendlichen Liebhabers, sondern Typen wie die des alternden Herrschers, des sturen Vaters, des (nicht immer sehr christlichen) Geistlichen, des Gauners, des Tölpels. Diese sind selten die Titelhelden des Abends. Und wer möchte denn nicht auch einmal auch der gefeierte Held des Abends sein?

Tomasz Konieczny als Wotan an der Wiener Staatsoper © Michael Pöhn

Und trotzdem ist dieser Wunsch total unnötig. Denn schaut man sich die Partituren vieler Bassrollen an, findet man haufenweise wunderbare Musik, wofür eigentlich die anderen Sänger uns beneiden müssten.

Viele dieser Bassrollen benötigen außerdem etwas, was anderen Stimmlagen oft vom Komponisten vorenthalten wird: Humor! Und Humor ist doch seit jeher eines der besten Mittel die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

René Pape, Staatsoper Berlin, (c) Jiyang Chen

Darum liebe Bässe, bleibt bei euren Leisten, beziehungsweise Rollen und Partituren und belebt dabei auch wieder vergessene Rollen wie zum Beispiel Sir Morosus aus “Die schweigsame Frau” von Richard Strauss, Abul Hassan aus “Der Barbier von Bagdad” von Peter Cornelius oder Van Bett aus Lortzing’s “Zar und Zimmermann”.

Ich selbst habe mich mit meiner eigenen tiefen Bassstimme in der Zwischenzeit angefreundet, auch nachdem einige Damen mir von der “erotischen” Wirkung des “warmen, balsamischen“ Klangs meiner Stimme auf sie erzählt haben!

 “Was ist denn schon das hohe C ? (…)

Das singt man mal als kleines Kind,

Doch nicht als ausgewachsner Mann!” *

Jean-Nico Schambourg, 11. September 2022, für
klassik-begeistert.de und k
lassik.begeistert.at

* Zitat aus dem Lied: “Ich bin ein Bass” (Musik: Edmund Kötscher; Text: Horst Heinz Henning)

 

Schammis Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Sonntag.

                                                                                                         

Jean-Nico SchambourgJahrgang 1959. Gehört einer weltlichen Minderheit an: Er ist waschechter Luxemburger! Und als solcher war es normal, Finanzwirtschaft zu studieren. Begann seine berufliche Karriere bei der Kriminalpolizei, ehe er zur Staatsbank und Staatssparkasse Luxemburg wechselte. Seit jeher interessiert ihn jede Art von Musik, aber Oper wurde seine große Liebe. Er bereist ganz Europa, um sich bekannte und unbekannte Opern und Operetten anzuhören. Nebenbei sammelt der leidenschaftliche Hobbykoch fleißig Schallplatten über klassischen Gesang (momentan ungefähr 25.000 Stück). Sang in führenden Chören in Luxemburg, verfolgt seit einigen Jahren aber ausschließlich eine Solokarriere als Bass. Sein Repertoire umfasst Lieder und Arien in zwölf Sprachen. Unter der Bezeichnung “Schammilux Productions” organisiert er selbst jährlich zwei bis drei Konzerte. Perfektionierte sein Singen in Meisterkursen mit Barbara Frittoli, Jennifer Larmore sowie Ramón Vargas, organisiert von “Sequenda Luxembourg”, einer Organisation zur Förderung junger Sängertalente, geleitet von seiner Gesangslehrerin Luisa Mauro. Neu auf klassik-begeistert.de: Schammis Klassikwelt, alle zwei Wochen.

Schammis Klassikwelt 1: Meine Gänsehaut-Momente in der Oper Klassik-begeistert.de, 28. August 2022

3 Gedanken zu „Schammis Klassikwelt 2: Ich bin ein Bass!
klassik-begeistert.de“

  1. Ein sehr amüsanter Artikel. Ich war ein schwerer Mutant (ein Jahr lang!), weil sich meine Mutter an meine Männerstimme nicht gewöhnen konnte, glaubte, ich presse künstlich und sagte: „Lothar, sprich nicht so tief.“ Gott sei Dank gab es da den Schlager „Brennend heißer Wüstensand“ mit dem stimmschönen Freddy Quinn, den ich immer wieder im Originalton nachsang, sonst hätte ich eine Fistelstimme bekommen. Der HNO-Arzt erklärte meiner Mutter dann, dass ich wahrscheinlich eine Bassstimme entwickle, ich bekam Stimmübungen wie für einen Sänger aufgetragen und ich trat mit dauerhafter Männerstimme aus der Ordination. Zu meinem Bedauern hat sich meine Stimme zu einem alltäglichen Bariton aufgehellt, der häufigsten männlichen Stimmlage, und von einem tiefen F oder E kann ich nur träumen.

    1. „und von einem tiefen F oder E kann ich nur träumen.“

      … die, lieber Lothar, sing ich Dir dann mal in Wien im Kaffeehaus vor….

      Herzlich

      Andreas

  2. Tja, das leidige Thema der Männerstimmen. Entweder wir kommen als gestandene Sänger mit Kraft und Wucht aus dem Stimmbruch oder er hinterlässt uns schwer traumatisiert.
    Bei mir ist eher Letzteres der Fall – wo ich davor richtiges Volumen und mehrere Oktaven fassen konnte, sind es danach nicht einmal mehr eineinhalb in Tenorlage. Seitdem ist mir jeder Gesang auch mehr Qual als Freude.

    Daniel Janz

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