Andreas Schmidt © Artist Management Hartmut Haase
SCHUBERTIADE: SCHWANENGESANG
Mit Andreas Schmidt (Bariton) und Maharani Chakrabarti (Klavier, Moderation)
Silbersaal des Deutschen Theaters, München, 13. Oktober 2023
von Dr. Lorenz Kerscher
Im Herbst 2022 überlegte Thomas Linsmayer, geschäftsführender Direktor des Deutschen Theaters in München, wie er mehr kulturelles Leben in den wunderschön verzierten Silbersaal im Nebengebäude bringen könnte. Hierbei kam ihm die in München wirkende Pianistin Maharani Chakrabarti in den Sinn. Er hatte schon erlebt, dass sie nicht nur ausgezeichnet Klavier spielt, sondern auch ebenso fundiert wie charmant die Moderation eines Konzertabends übernehmen kann.
So war seine Idee, mit ihr als Gastgeberin und Kuratorin musikalische Salons zu veranstalten. Die Gäste sollten dabei nicht in Reihen sitzen, sondern zu viert an runden Tischen, an denen sie auch ein Getränk und Kleinigkeiten zum Essen konsumieren konnten. Auf dem Programm sollte klassisches Lied stehen, das in seiner Blütezeit gerne in bürgerlichen Salons dargeboten wurde. Diese Idee wurde themenbezogen umgesetzt und so startete die Reihe im November 2022 mit „Der freche Mozart“, dessen Lieder der auch als Chorleiter geschätzten Bariton Thomas Gropper interpretierte.
Im April 2023 war ich zum ersten Mal bei einer „Soirée bei Clara Schumann“ zu Gast, bei der die Sopranistin Talia Or deren Lieder wie auch die von befreundeten Komponistinnen, insbes. Fanny Hensel und Pauline Viardot-García, als Schwerpunkt des Programms darbot. Etwas über 40 Gäste waren zugegen, erfuhren Interessantes über den historischen Hintergrund und erlebten ein Kaleidoskop schöner Liedkunst. Im Juni zog Judith Spießer, in vorangegangenen Spielzeiten zu einem Publikumsliebling des Gärtnerplatztheaters avanciert, zu einer „Nuit française“ mit Liedern aus dem Paris des Fin-du-siècle sogar um die 60 Besucher an. Mein Eindruck war so positiv, dass ich des Weiteren keinen dieser Salons mehr verpassen wollte!
So begab ich mich am Freitag, den 13. Oktober wieder in den Silbersaal des Deutschen Theaters, um eine „Schubertiade“ zu erleben. Bariton Andreas Schmidt, der vor ca. 20 Jahren u.a. durch große Rollen bei den Bayreuther Festspielen internationale Beachtung fand, lockte allerdings nur etwa 30 Besucher an. Das mag daran liegen, dass seine Präsenz auf den Opernbühnen schon länger zurückliegt, war aber sehr schade, denn es wurde Liedgesang auf höchstem Niveau geboten. Auf dem Programm standen Schuberts „Schwanengesang“ und acht Lieder von Robert Schumann.
Zuerst als charmante Moderatorin und dann als vielseitige Klangmalerin am Klavier eröffnete Maharani Chakrabarti den Abend und erläuterte als biografischen Hintergrund die Syphiliserkrankung, die kurz vor Schuberts Tod auf seinem Wesen lastete. Dann stimmte Andreas Schmidt mit der „Liebesbotschaft“ den ersten Block aus den Gedichten von Ludwig Rellstab an. Dieses den Zyklus noch freundlich einleitende Lied gestaltete der Bariton mit leicht hingetupften Tönen. Dass ich mir hier etwas mehr Legato gewünscht hätte, ist Auffassungssache. Denn dass er auch Melodiebögen ebenso wie dramatische Zuspitzung gestalten kann, bewies er im weiteren Verlauf des Abends. Er konnte seine vielseitigen Mittel der Liedgestaltung sehr überzeugend in die Waagschale werfen, um das breite Spektrum der Gefühle zum Ausdruck zu bringen: Sehnsucht, Todesahnung und Heimweh in den Liedern nach Rellstab sowie die Verzweiflung, die dann später in den Heine-Vertonungen herausbrach.
Doch vor diesem zweiten Block waren vor und nach der Pause je vier Lieder von Robert Schumann eingeschoben, die auch der Pianistin gerne genutzte Möglichkeiten ausdrucksvoller Gestaltung gaben. Das waren zunächst vier Lieder nach Gedichten von Christian Andersen aus op. 40, die mir noch nicht bekannt waren und die ebenfalls düstere Themen ansprechen und dramatische Dimensionen eröffnen. Diese verstand der versierte Liedinterpret Andreas Schmidt auszufüllen und den Zwiespalt zum Ausdruck zu bringen, in dem sich etwa der Soldat befindet, der bei der Hinrichtung seins Freundes den tödlichen Schuss abgeben muss, oder die Mutter, die ihr Kind liebt, ohne zu ahnen, dass es als Verbrecher am Galgen enden wird.
Nach der Pause folgten dann vier Balladen, darunter die bekannten von den zwei Grenadieren, deren einer an der Niederlage ihres Landes verzweifelt, und das Drama um Belsazar, der durch sein Lästern Gottes Rache heraufbeschwört. Letzteres ist ein häufig gewähltes Wettbewerbsstück, mit dem der Sänger bewies, dass er dem preiswürdigen Nachwuchs in nichts nachsteht. Zur Auflockerung des Programms nahmen die Künstler dann inmitten des Publikums Platz und führten ein interessantes Gespräch über Möglichkeiten der Programmgestaltung, durch die der Schwanengesang zu einem abendfüllenden Programm aufgestockt werden kann. Mit den Schumann-Liedern haben sie ohne Zweifel eine gute Wahl getroffen, bevor dann der Block der Schubert’schen Heine-Vertonungen dramatische Schlaglichter in die Abgründe der Seele warf. Das gelang mit Überzeugungskraft, insbesondere „Die Stadt“, „Der Doppelgänger“ und der ans Ende des Konzerts gestellte „Atlas“ ließen einem geradezu das Blut in den Adern gefrieren.
Die vom Verleger etwas willkürlich in den Schwanengesang aufgenommene, wenn auch nicht ganz dazu passende „Taubenpost“ entließ als Zugabe das Publikum mit freundlichen, nicht mehr verstörenden Tönen. Die Gäste gingen in dem Gefühl nach Hause, dass sie durch einen Altmeister der Liedkunst und eine kongeniale Pianistin erfahren haben, was Schubert mit den abschließenden Werken seines Liedschaffens zu Ausdruck bringen wollte. Und ich bin gewiss nicht der einzige, der Maharani Chakrabartis musikalischem Salon in dem einzigartigen Ambiente weiterhin treu bleiben möchte! Da ist einiges einen Eintrag in den Terminkalender wert:
- Dez. 2023: Hommage an Heinrich Heine: ein musikalisch-literarischer Abend
- Feb. 2024: Tango Nuevo: Musik von Astor Piazzolla
- Mai 2024: Die Schöne Magelone
- Juni 2024 Kennst du das Land? Lieder nach Goethe und Shakespeare
Für die in München und Umgebung lebenden Musikfreunde sind das außergewöhnlich interessante kulturelle Angebote, die zum erschwinglichen Eintrittspreis von 30 € auf der Webseite des Deutschen Theaters gebucht werden können. Diese Initiative, um das klassische Lied von seinem verstaubten Image zu befreien, verdient ein zahlreiches und aufgeschlossenes Publikum.
Dr. Lorenz Kerscher, 19. Oktober 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at