Foto: (c) Rita Newman
Winter Wonderettes
von Lothar und Sylvia Schweitzer
Wir lieben American X-mas. Es ist nicht so oberflächlich, wie es scheint, denn der/die US-Amerikaner/in ist in der Regel ein religiöser Typ, was von seiner/ihrer Begeisterungsfähigkeit herrührt. Wir erlebten einmal Weihnachten in New York, eines unsrer schönsten Weihnachten, obwohl in Wien der weihnachtliche Schmuck eleganter wirkt und in den Kaufhäusern von NYC nur das Erdgeschoß dekoriert war. Aber es liegt etwas positiv Optimistisches gleichsam in der Luft, während bei uns häufig zu Weihnachten Melancholie mitschwingt.
In der Kurstadt Baden südlich von Wien besuchten wir vor vielen Jahren zweimal die Veranstaltung „American Christmas“, eine gelungene Mischung von Sketchen und besinnlicher, musikalischer Einstimmung.
„Die Kammerspiele der Josefstadt“, vom Intendanten des Theaters in der Josefstadt Herbert Föttinger geleitet und als Publikumsmagnet im pulsierenden Zentrum Wiens in der „Inneren Stadt“ zuhause, hatten den Ehrgeiz als europäische Erstaufführung „Winter Wonderettes“ im November 2016 auf die Bühne zu stellen. Das Musical hat zwei Väter Roger Bean und Brian William Baker, der die musikalischen Arrangements und einige Liedtexte beigetragen hat. Die deutschsprachige Fassung, sowie Regie und Bühnenbild sind das Verdienst des Schauspielers, Kabarettisten und Regisseurs Werner Sobotka.
Bereits sechs Wochen vor Weihnachten (nach ambrosianischem Kalender hat der Advent sogar sechs Sonntage!) ließen wir uns in Stimmung versetzen. Zu den Evergreens wurde eine Rahmenhandlung geschaffen. Die Frauen geben gesanglich und tänzerisch den Ton an, die Männer begleiten instrumental.
Die Handlung wollen wir nicht konventionell chronologisch nacherzählen, sondern über eine Vorstellung der vier Frauentypen neugierig machen.
Betty Jean (Ana Milva Gomes) ist die stolze Vertriebsmitarbeiterin von Harper´s Haushaltswaren, die den Auftritt der Winter Wonderettes auf die Beine stellt und auf einen bleibenden Eindruck bei den anderen Angestellten hofft. Ihr Mann hat sie verlassen und ihre beste Freundin Cindy Lou ist in die Großstadt gezogen. Wie schön wäre es, bei Harper´s einen Freund für Cindy zu finden und sie so wieder zurückzuholen.
Cindy Lou (Susa Meyer) ist unabhängig, aber es ist ihr eine Herzensangelegenheit, ihrer Freundin zuliebe wieder für einen Auftritt in ihre alte enge Heimat zurück zu kehren.
Missy (Salka Weber) ist die Musterschülerin der Highschool-Zeit. Eben von der Hochzeitsreise mit ihrem ehemaligen Chorleiter zurückgekehrt ist sie der gute Geist der Show, die Seele der Truppe, für jedes Problem hat sie eine Lösung parat. „Das brave Mädchen“ lässt nur gegenüber ihrem Mann ihre erotische Seite durchblicken.
Suzy Snowflake (Ruth Brauer-Kvam) ist der chaotische Sonnenschein der Truppe, seit Kurzem Mutter von Zwillingen und wieder guter Hoffnung. Sie sorgt für Irritationen im Lauf des Abends, ist leicht ablenkbar durch ihren während der Show anwesenden Gatten und trotzdem ein fester Bestandteil der vier Freundinnen.
Zum Gelingen der Aufführung sind vier Sängerinnen gleich guter Qualität notwendig, es darf keine Schwachstelle geben. Berührend wie im Lauf des Abends die Lebensschicksale der vier Damen diskret zu Tage treten. Bei Cindy Lou sind die Wunden durch den Verlust des Vaters in der Kindheit nie vernarbt.
Die „Kammerspiele der Josefstadt“ zeigten sich der europäischen Erstaufführung würdig.
Lothar und Sylvia Schweitzer, 14. Dezember 2021, für
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Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“
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