von Lothar Schweitzer
Da wir in unsrer Wohnung keinen alten Plattenspieler haben und wir bis dato verabsäumten, die Aufnahme auf CD umspielen zu lassen, kann ich diesen Opernquerschnitt nur aus dem Gedächtnis besprechen. Ich habe die Schallplatte, geprägt im Jahr des österreichischen Staatsvertrags 1955 mit 25 cm Durchmesser, schon Jahrzehnte nicht mehr gehört, aber in meiner Gymnasialzeit ein halbes Jahr fast jeden Tag einmal. Es war für mich als Fünfzehnjähriger meine erste Begegnung mit dieser Mozartoper. Die Aufnahme ist für mich bei jenen Stellen, an die ich mich noch heute lebendigst erinnern kann, die ich so zusagen im Ohr habe, ein Maßstab geblieben. Höre ich bei einer Aufführung in der Oper die in das „Vinyl“ meiner Gehirnwindungen gepressten Arien, Duette und Ensembles dieser Decca-Produktion nicht mehr lästig parallel im Geist mit, so spricht das für die jeweilige Aufführung.
Der Querschnitt beginnt nach Ausschnitten der Ouvertüre mit der Registerarie. Beim ersten Anhören war ich etwas enttäuscht. Fernando Corena singt mit einer derartigen hellstimmigen Leichtigkeit, wie ich sie mir für eine Basspartie nicht vorgestellt habe. (In einer Radioübertragung von den Salzburger Festspielen hörte ich ihn später als profunden Osmin.) Der Bassist Cesare Siepi ist als Don Giovanni für mich prägend geblieben. Viril und mit einer bewundernswerten Geläufigkeit. Mit reinen Baritonen in der Partie (Waechter, Skovhus) weiß ich durch Siepi geprägt nichts anzufangen.
Suzanne Danco singt eine Donna Anna ohne zu forcieren, wie wir das heute bei der Partie leider allzu oft erleben, wenn lyrische Soprane sich zu früh an diese Partie wagen. Lisa della Casa ist bei Mozart in ihrem Element.
Man war in der Entstehungszeit der Aufnahme gewöhnt, sich die Arien der Donna Elvira teilweise vor einem barocken Zwischenvorhang gesungen vorzustellen. In den Fünfzigerjahren war es noch undenkbar, dass diese Dame einen Trolley hinter sich nachzieht. Ebenso war die Fantasie noch nicht so weit, dass sich Donna Elvira einen abgelegten Mantel Don Giovannis anzieht, ihre erotischen Bedürfnisse kompensierend. Diese Idee von Regisseur Sven-Eric Bechtolf sahen meine Frau und ich bei den Salzburger Festspielen 2014.
Hilde Güden singt die Zerlina mit ihrem typischen seidenglänzenden Timbre, etwas brav. Anton Dermota galt zu der damaligen Zeit als der idealtypische Mozartinterpret. Die digitale Video-Disc war noch nicht erfunden. Sein etwas phlegmatisches Auftreten war daher nicht zu sehen, vielleicht für sensiblere Hörer zu spüren. Schöngesang pur, in den Ohren eines Kollegen zu larmoyant. Ich wage die Kritik, dass die Musik zu „Il mio tesoro“ nicht zum Text passen will.
Altgediente neben damals gerade aufstrebenden jungen Kräften: Kurt Böhme als Komtur und Walter Berry als Masetto. Ob Böhmes Komtur damals auf der Bühne die durchschlagskräftige Bühnenreife eines Ludwig Weber erreichte, bezweifle ich. Die Szene Leporello – Masetto ist ein besonderes Gustostückerl, ersetzte mir Schlagermusik.
Diese Schallplatte ist auch ein wertvolles Tondokument von Josef Krips und den Wiener Philharmonikern, nach meinen Nachforschungen im Internet als Gesamtaufnahme auf Compact Disc erhältlich.
Lothar Schweitzer, 23. Mai 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“