Frederick Ashton langweilt in London mit seinem Cinderella-Ballett

Sergej Prokofjew, Cinderella, Ballett in drei Akten   Royal Opera House, Royal Ballett, 12. April 2023

Cinderella, The Royal Ballet © 2023 Tristram Kenton

Die Choreographie ist aus dem Jahre 1948, wurde für diese Serie völlig neu eingerichtet und mit der heutigen Aufführung in 977 Kinos in 19 Länder übertragen. Im Kino wird man wohl die schönen Bühnenbilder und die prächtigen Kostüme bewundert und die inhaltliche Leere übersehen haben. Wäre nicht so stilrein und so sicher von allen Mitwirkenden getanzt worden, könnte man die gesamte Aufführung als nahe am Kitsch stehend bezeichnen.

Royal Opera House, Royal Ballett, 12. April 2023

Cinderella, Ballett in drei Akten
Choreographie: Frederick Ashton

Musik: Sergej Prokofjew
Bühne: Tom Pye
Kostüme: Alexandra Byrne

von Dr. Ralf Wegner

Es war ein enttäuschender Ballettabend beim Royal Ballett in London. Bekanntlich gehört zum Märchen Cinderella bzw. Aschenputtel eine böse Stiefmutter als Gegenpart zur Hauptperson. An diesem Abend verheiratete sich Cinderellas Vater nicht neu, und bei dem zänkischen Geschwisterduo handelte es sich offensichtlich nur um die älteren leiblichen Geschwister Cinderellas (Gary Avis, Luca Acri), die mit weitgehend travestieartigem Slapstick das Publikum zum Lachen brachten. Marianela Nuñez gab als Cinderella im ersten Akt einige Kostproben ihres tänzerischen Könnens, wenngleich immer nur portionsweise. Den größten Teil nimmt das Auftreten mehrerer Feen ein, bezeichnet mit Frühling (Anna Rose O’Sullivan), Sommer (Melissa Hamilton), Herbst (Yuhui Choe) und Winter (Mayara Magri), die unter der Leitung einer Oberfee verschiedene, nicht sehr lange Soli zeigen, außerdem treten 12 wie Sterne glitzernde Tänzerinnen in Tutus auf, die mal mehr und mal weniger die Bühne füllen. Cinderella sieht derweil zu. Am Schluss wird sie als Prinzessin verkleidet von einer pompösen Kutsche abgeholt.

Auch der vor einer Schlosskulisse spielende zweite Akt zeigt weitgehend inhaltlich unmotivierte Tänze verschiedener Gruppen von Festgästen, die immer wieder auf- und abtreten. Endlich erscheint auch der Prinz (Vadim Muntagirov), vom Publikum mit Applaus begrüßt, und zeigt einzelne perfekte Doppeldrehungen, die auch seinen prinzlichen Begleitern (Joseph Sissens, Nicol Edmonds, Benjamin Ella, Calvin Richardson) gelingen. Cinderella fährt märchenhaft mit ihrer Kutsche vor. Es werden von ihr und dem Prinzen einige Soli geboten, auch tanzen sie ab und an, technisch perfekt, zusammen. Immer mal wieder zeigt auch eine Art Haushofmeister (Taisuke Nakao) sein Spagatsprungvermögen. Um Mitternacht verlässt Cinderella, wie gewohnt, das Fest.

Der dritte Akt spielt wieder im Hause Cinderellas, der Prinz erscheint, die Schuhe werden mit den Geschwistern getauscht, Cinderella schließlich als die Richtige erkannt und in einer Apotheose von den Feen mit dem Prinzen auf eine Sternentreppe geleitet.

Artists of The Royal Ballet in Cinderella, The-Royal-Ballet-© 2023 Tristram-Kenton

Die Choreographie ist aus dem Jahre 1948, wurde für diese Serie völlig neu eingerichtet und mit der heutigen Aufführung in 977 Kinos in 19 Länder übertragen. Im Kino wird man wohl die schönen Bühnenbilder und die prächtigen Kostüme bewundert und die inhaltliche Leere übersehen haben. Warum und wieso so und nicht anders getanzt wird, erschließt sich nicht, von choreographisch ausgearbeiteten psychologischen Beziehungen keine Spur. Die Tänzerinnen und Tänzer zeigen eigentlich nur kurze Piecen wie in der Abfolge einer Circus-Aufführung.

Auch auf eine der in anderen klassischen Balletten übliche Hochleistungsartistik im Sinne eines schon technisch-tänzerisch überwältigenden Pas de deux wartet man vergebens. Wäre nicht so stilrein und so sicher von allen Mitwirkenden getanzt worden, könnte man die gesamte Aufführung als nahe am Kitsch stehend bezeichnen. Das Publikum im ausverkauften Haus applaudierte begeistert, aber nur kurz.

Dr. Ralf Wegner, 13. April 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sergej Prokofjew, Cinderella, Inszenierung Christopher Wheeldon, Bayerische Staatsoper, 19. November 2021

MacMillan | McGregor | Ashton, Ballett, Dmitri Schostakowitsch, Steve Reich, Franz Liszt, Wiener Staatsoper, 21. Juni 2019

 

Ballettabend, Khatchaturians „Masquerade“ Alexander Spendiarjan Opern- und Ballett-Theater, Jerewan, 30. März 2023

Ballett, Othello 2 nach William Shakespeare Theater Kiel, Opernhaus, 2. April 2023

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