Galina Wischnewskaja gehörte zu einer Sängergeneration, der das problemlose Reisen zwischen dem sowjetischen Einflussbereich und westlichen Ländern noch kaum möglich war. Aber auch Probleme mit Behörden konnten diese willensstarke Frau und Künstlerin nicht aufhalten. In ihrer Autobiographie „Galina“ beschreibt sie eindrucksvoll ihren schier unglaublichen Lebensweg. Der französische Komponist Marcel Landowski schrieb die Oper „Galina“ nach diesen Memoiren als Hommage an die Sängerin.
Foto: Galina Wischnewskaja (c) Wikipedia
von Peter Sommeregger
Auch wenn die russische Sopranistin Galina Wischnewskaja bereits vor neun Jahren, am 11. Dezember 2012 im hohen Alter von 86 Jahren gestorben ist, wirkt ihr Ruhm und ihre Persönlichkeit noch heute nach.
Die 1926 im damaligen Leningrad geborene Künstlerin hat in ihrer Jugend alle erdenklichen Härten der Zeitläufte erlebt. So überlebte sie knapp die Blockade Leningrads durch deutsche Truppen während des zweiten Weltkriegs. Als Kind liebloser Eltern war sie bei ihrer Großmutter aufgewachsen, die aber während des Krieges an den Folgen eines Unfalls starb. Ganz allein musste sich die Halbwüchsige nun durchbringen. Ihre schöne Singstimme verhalf ihr zu einer Verpflichtung an ein Operettentheater. Die 18-jährige flüchtet sich in die Ehe mit dem viel älteren Direktor dieser Truppe und findet in dieser Beziehung zum ersten Mal Geborgenheit. Sie bekommt einen Sohn, der aber bereits mit vier Monaten an Unterernährung stirbt. Mit dem Ehemann tingelt sie als Soubrette über die Lande, was aber das materielle Elend kaum mildert.Durch Zufall erfährt sie von einem Talentwettbewerb des Moskauer Bolschoi-Theaters, übersteht dessen erste Runde, wird nach Moskau eingeladen und gewinnt dort am Ende auch die finale Runde. Sie wird an diese wichtigste Bühne des Landes engagiert, was aber die Sorgen des Ehepaares nicht löst. Auch die nächsten Jahre, in denen die Wischnewskaja schnell Karriere macht, müssen sie sich mit einem kleinen Zimmer in einer überbelegten Wohnung bescheiden.
Als die Sängerin Mitte der 1950er Jahre beim Prager Frühling auftritt, tritt sie auf den Cellisten Mstislaw Rostropowitsch, dem sie zuvor schon kurz in Moskau begegnet war. Schnell gibt sie seiner Werbung nach, und verlässt für ihn ihren Ehemann. Die schnell geschlossene Ehe der beiden gestaltet sich sehr glücklich, Galina schenkt zwei Töchtern das Leben.
Die Kunde von der großartigen neuen Primadonna des Bolschoi-Theaters dringt auch in den Westen. Unter starker, misstrauischer Beobachtung der sowjetischen Behörden nimmt sie Einladungen zu Gastspielen in Westeuropa an, singt in London, an der Mailänder Scala, in Paris. Benjamin Britten wählt sie für die Uraufführung seines „War-Requiem“ aus, die Behörden verbieten aber ihre Ausreise, und sie kann diesen Part erst viel später in der Schallplatten-Aufnahme Brittens singen.
Das Ehepaar Wischnewskaja und Rostropowitsch hat immer wieder Ärger mit den strengen Behörden. Als bekannt wird, dass sie dem Schriftsteller Alexander Solschenizyn, der beim Regime in Ungnade gefallen ist, Asyl in ihrer Datsche geben, eskaliert die Situation. In der Folge war das Künstlerehepaar zahlreichen Schikanen ausgesetzt, sie konnten praktisch keine Engagements im Ausland mehr annehmen. Im Jahr 1974 beantragte Rostropowitsch schließlich die Ausreise mit seiner Frau. Vier Jahre später wurde dem Paar auch die russische Staatsbürgerschaft entzogen.
Beide konnten im Westen ihre glanzvollen Karrieren weiter fortsetzen. Unvergessen ist z.B. eine Tournee mit Puccinis Tosca, von der Sopranistin gesungen, von ihrem Ehemann dirigiert. Diese Aufführung ist auch auf Schallplatten verewigt.
Obwohl der russische Staat nach dem Ende der Sowjetunion das Paar um Verzeihung bat, kehrten sie nicht mehr in ihre Heimat zurück. Der ursprüngliche Bruch war nicht mehr zu heilen. In den Jahren des Exils waren die Künstler zu Weltbürgern geworden.
Im Jahr 1982 nahm die Wischnewskaja als Tatjana im „Eugen Onegin“ in Paris Abschied von der Opernbühne. Als Konzertsängerin und später Gesangspädagogin blieb sie bis in ihre späten Jahre aktiv. Rostropowitsch starb 2007, seine Frau am 11. Dezember 2012.
In ihrer Glanzzeit spielte die Sängerin viele ihrer Glanzrollen für das staatliche russische Plattenlabel Melodia ein. Diese Aufnahmen wurden zum größten Teil von westlichen Firmen übernommen, und geben zusammen mit erfreulich zahlreichen Live-Mitschnitten einen Eindruck von dem wunderbar weichen Timbre und der Wandlungsfähigkeit der Stimme der Wischnewskaja. Herbert von Karajan spielte mit ihr „Boris Godunow“ ein, von ihrem hoch gerühmten „Fidelio“ in Moskau existiert ein Live-Mitschnitt.
Galina Wischnewskaja gehörte zu einer Sängergeneration, der das problemlose Reisen zwischen dem sowjetischen Einflussbereich und westlichen Ländern noch kaum möglich war. Aber auch Probleme mit Behörden konnten diese willensstarke Frau und Künstlerin nicht aufhalten. In ihrer Autobiographie „Galina“ beschreibt sie eindrucksvoll ihren schier unglaublichen Lebensweg. Der französische Komponist Marcel Landowski schrieb die Oper „Galina“ nach diesen Memoiren als Hommage an die Sängerin.
Opernfreunden und Liebhabern des Gesangs bleibt sie unvergessen.
Peter Sommeregger, 10. Dezember 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Ladas Klassikwelt (c) erscheint jeden Montag.
Frau Lange hört zu (c) erscheint unregelmäßig.
Schweitzers Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Dienstag.
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Pathys Stehplatz (c) erscheint jeden zweiten Donnerstag
Hauters Hauspost (c) erscheint unregelmäßig.
Daniels Antiklassiker (c) erscheint jeden Freitag.
Dr. Spelzhaus Spezial (c) erscheint unregelmäßig.
Ritterbands Klassikwelt (c) erscheint unregelmäßig.
Der Schlauberger (c) erscheint jeden Sonntag.
Sommereggers Klassikwelt 114 : Irmgard Seefried zum Gedenken, klassik-begeistert.de