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von Peter Sommeregger
Die am 4. April 1859 in Florenz als Medea Mei geborene Sängerin wird bis heute als Russin wahrgenommen. Das liegt hauptsächlich daran, dass sie während und nach ihrer Ehe mit dem russischen Tenor Nikolai Figner den Doppelnamen Mei-Figner führte und einen großen Teil ihrer großen Sängerkarriere an russischen Bühnen absolvierte.
Bereits im Teenager-Alter debütierte sie als Azucena in Verdis „Troubadour“ und begann eine internationale Karriere als Mezzosopran, die sie auch an die Bühnen des russischen Zarenreiches führte. Dort lernte sie 1886 den erfolgreichen Tenor Nikolai Figner kennen, mit dem sie häufig gemeinsam auftrat, und den sie 1889 heiratete.
Das Ehepaar Figner feierte international große Erfolge, wobei Medea auf Grund ihres großen Stimmumfanges sowohl Partien des Mezzo- als auch des Sopranfaches übernahm. Sie war sowohl eine gefeierte Carmen, als auch die Tosca von Puccini. Das Ehepaar zeigte sich flexibel, und übernahm manchmal auch kleinere Rollen in Opern, in denen der Partner die Hauptrolle sang.
Operngeschichte schrieben die beiden Sänger mit der Uraufführung von Tschaikowskys „Pique Dame“ 1890, in denen Nikolai den Hermann, Medea die Lisa kreierte. Der Komponist hatte die Komposition als Gast auf dem Landgut des Sängerehepaares vollendet. Zwei Jahre später kreierte Medea auch die Rolle der „Jolanthe“ in der gleichnamigen Oper Tschaikowskys.
Als um die Jahrhundertwende die gerade erst erfundene Schallplatte nach prominenten Sängern für Aufnahmen suchte, verpflichtete das Label G&T die beiden Sänger, mit denen zahlreiche Einspielungen entstanden, darunter Lisas Arie aus „Pique Dame“, was uns einen historischen Blick auf die Uraufführung ermöglicht. Bemerkenswert ist, dass Medea Mei-Figner den hohen Schlusston der Arie nach unten transponiert. Man wüsste zu gerne, ob sie das auch in der Uraufführung gewagt hat.
Insgesamt sind diese frühen Tondokumente aber kostbare Reminiszenzen an den Gesangsstil des 19. Jahrhunderts, mit dessen Technik und in dessen Stil die Figners sangen. Die Tochter des Ehepaares, Renée Radina-Figner wurde von ihrer Mutter ebenfalls als Sängerin ausgebildet. Auf den wenigen Aufnahmen, die von ihr existieren, ist sie kaum von der Stimme ihrer Mutter zu unterscheiden.
Im Jahr 1903 trennte sich das Ehepaar und setzte seine Karrieren getrennt fort. Nikolai Figner starb 1918, Medea sang noch bis 1912, unterrichtete bis 1923 Gesang. Sie verließ Russland 1930 und zog nach Paris, wo sie hoch betagt 1952 starb.
Speziell durch die zahlreichen hinterlassenen Schallplatten sind die beiden Sänger als Beispiele für eine verschwundene Gesangskultur heute noch interessant.
Peter Sommeregger, 6. April 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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