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von Peter Sommeregger
Der am 12. Mai 1842 in einem kleinen Ort im Departement Loire geborene Jules Massenet kann mit Fug und Recht neben Georges Bizet und Charles Gounod als bedeutendster Opernkomponist Frankreichs im 19. Jahrhundert bezeichnet werden. Vom Umfang seines Oeuvres her liegt er noch deutlich vor seinen Zeitgenossen, von denen Gounod neben Ambroise Thomas auch sein Lehrer war. Am Conservatoire de Paris begann er bereits mit elf Jahren seine Ausbildung, nachdem er ersten Klavierunterricht von seiner Mutter erhalten hatte. Sein Studium beendete Massenet 1863, nachdem er den begehrten Prix de Rome erhalten hatte, der ihm ein dreijähriges Stipendium in der Villa Medici in Rom einbrachte.
In dieser Zeit lernte er Franz Liszt kennen, der ihm die junge Louise-Constance de Gressy als Klavierschülerin vermittelte, die später Massenets Ehefrau werden sollte. Nach Paris zurückgekehrt begann Jules Massenet mit der Komposition von Opern. Sein erstes Opernwerk war die Komödie „La Grandtante“, das 1867 mit mäßigem Erfolg aufgeführt wurde. Nach einigen weiteren erfolglosen Werken konnte er 1877 endlich mit „Le Roi de Lahore“ einen ersten großen Erfolg feiern. Schnell folgte eine ganze Reihe von Opern, die sich teilweise bis heute auf den internationalen Spielplänen gehalten haben, wie „Hérodiade“ (Brüssel 1881), „Manon“ (Paris 1884), „Le Cid“ (Paris 1885).
Auch Opernhäuser außerhalb Frankreichs erteilten ihm Kompositionsaufträge, so entstand „Werther“ 1877 für Wien, „La Navarraise“1894 für London. Die 1894 für Paris geschriebene Oper „Thaïs“ enthält die berühmt gewordene Orchesterpassage „Méditation“, der man auch häufig im Konzertsaal begegnen kann.
In späteren Jahren wurde das Opernhaus von Monte Carlo mit seinem fashionablen Publikum die wichtigste Bühne für Massenets Opern. Nicht weniger als sieben seiner Opern wurden in dem Fürstentum uraufgeführt. „Le jongleur de Notre-Dame“ 1902, „Chérubin“ 1905, „Thérèse“ 1907, der für Fjodor Chaljapin, den berühmten russischen Bassisten geschriebene „Don Quichotte“ 1910, und „Roma“ 1912. Auch zwei nachgelassene Werke Massenets erlebten in Monte Carlo ihre posthumen Uraufführungen: „Cléopâtre“ 1914 und schließlich „Amadis“ 1922.
Jules Massenet, den man stilistisch der Spätromantik zuordnen kann, entwickelte für seine Opern, den Regeln der Opéra comique folgend, einen speziellen Stil. Die verlangten gesprochenen Dialoge unterlegte er mit Musik, und wurde damit sowohl den Regeln, als auch dem Fluss der Musik gerecht. Es gelang dem Komponisten, eine doch sehr charakteristische Tonsprache, einen persönlichen Stil zu finden, der seine Werke authentisch erscheinen lässt. Gerade in den letzten Jahren begegnet man seinen bühnenwirksamen Werken wieder häufiger, „Werther“ und „Manon“ gehören eigentlich zum Kernrepertoire großer Opernhäuser, auch außerhalb Frankreichs .
Massenet war Mitbegründer der Société Nationale de Musique, 1878 wurde er Mitglied der Académie des Beaux-Arts. Am Pariser Conservatoire unterrichtete er bis 1893 Komposition, seine berühmtesten Schüler waren dort George Enescu und Gustave Charpentier. Nach dem Tod Ambroise Thomas’ bot man ihm die Leitung des Institutes an, er lehnte aber ab, um sich ganz seinen Kompositionen widmen zu können.
Im Gegensatz zu seinen Opernhelden war Jules Massenet ein geordnetes, von Dramen verschontes Leben beschieden. Er starb im Alter von siebzig Jahren 1912 als hoch geachteter Künstler. Seine Ehefrau Louise-Constance überlebte ihn noch um 26 Jahre. In seinem, beinahe 30 Opern umfassenden Werk ließen sich noch einige lohnende Entdeckungen machen.
Peter Sommeregger, 11. Mai 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.