Bild aus der George Grantham Bain-Sammlung der Library of Congress
von Peter Sommeregger
Die Biographie der am 26.Juni 1884 in Leipzig geborenen Frieda Hempel nahm während ihres 71 Jahre dauernden Lebens immer wieder unerwartete Wendungen. Ursprünglich wurde sie am Leipziger Konservatorium als Pianistin ausgebildet, wechselte aber bald an das renommierte Stern’sche Konservatorium in Berlin, um bei Selma Nicklaß-Kempner Gesang zu studieren. Während ihrer Ausbildung hörte sie ein Talent-Scout der New Yorker Met und wollte sie vom Fleck weg engagieren, wovon ihr die Lehrerin erfolgreich abriet.
Als sie 1905 an der Berliner Hofoper auftrat, erregte sie die Aufmerksamkeit Kaiser Wilhelms II., der ein großer Liebhaber der Oper, aber auch ihrer Interpretinnen war. Er soll sie als seine Lerche bezeichnet haben, dieser Name blieb ihr zeitlebens treu. Um sich zu perfektionieren nahm Hempel für zwei Jahre ein Engagement in Schwerin an. Zurückgekehrt nach Berlin avancierte sie zum Publikumsliebling und Star der Hofoper. Ihre gute Technik ermöglichte ihr, auch Rollen außerhalb des klassischen Koloraturfaches erfolgreich zu singen.
In der Berliner Erstaufführung des „Rosenkavalier“ von Richard Strauss sang sie die Rolle der Marschallin. Sie gastierte in London, Paris und anderen Städten und war auf dem Weg zu einer internationalen Karriere. Einem zweiten Ruf der Metropolitan Opera in New York folgte sie, und verlegte ihren Lebensmittelpunkt nach den USA.
Sieben Jahre wirkte Frieda Hempel erfolgreich an der Met, glänzte in Rollen wie der Traviata, der Rosina im „Barbier von Sevilla“, dem Oscar in Verdis „Maskenball“, der Königin in Meyerbeers „Hugenotten“, ihrer Debütrolle am Haus. Ihr häufiger Partner war der große Enrico Caruso. Wie damals üblich war sie auch Teil der Met-Gastspiele in die amerikanische Provinz, was bei ihr Widerwillen auslöste, und zu ihrem frühen Abschied von der Bühne führte. 1920 hatte sie ein Gedenkkonzert für ihre historische Kollegin Jenny Lind gegeben, bei dem sie in Maske und Kostüm Linds auftrat. Der überwältigende Erfolg dieses Konzerts veranlasste Hempel, in den folgenden Jahren zahllose „Jenny-Lind-Konzerte“ zu geben und ihre Bühnenkarriere endgültig aufzugeben. Sie war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 37 Jahre alt. Als Konzertsängerin trat sie aber noch viele Jahre lang auf.
Bald erfand sich Frieda Hempels abermals neu und eröffnete eine Manufaktur für Kosmetika, die dem großen Börsenkrach zum Opfer fiel, aber ein zweites Unternehmen gleicher Art konnte sich dauerhaft behaupten.
Als sich ihr 70. Geburtstag näherte, begann Frieda Hempel, ihre Memoiren unter dem Titel „Mein Leben dem Gesang“ zu schreiben. Ein Berliner Verlag wollte das Buch im Herbst 1955 veröffentlichen. Gegen den Rat ihrer Ärzte reiste sie im Spätsommer 1955 krebskrank nach Deutschland. In Berlin unterzog sie sich einer Notoperation, die sie aber nicht überlebte.
Begraben ist sie auf dem Friedhof Heerstraße im Berliner Westend. Ihr Grabstein ist ein relativ wuchtiger Findling, der etwas unpassend für die zarte Frau wirkt. Es ist nicht die einzige Merkwürdigkeit im Leben Frieda Hempels, die durch eine große Zahl ausgezeichneter Schallplatten akustisch immer noch präsent ist.
Peter Sommeregger, 22. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.