Heute wurde bekannt, dass die Opernsängerin Grace Bumbry am 7. Mai in ihrer Wahlheimat Wien gestorben ist.
Mit Grace Bumbry starb eine der letzten großen Sängerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Künstler wie sie behielten stets ihre Geheimnisse für sich, die heute übliche Anbiederung an die Medien war ihr fremd. Ruhe sanft, „Amazing Grace“!
von Peter Sommeregger
Die am 4. Januar 1937 in Missouri geborene Afroamerikanerin entschied sich schon früh für eine musikalische Ausbildung und setzte dies konsequent durch. Bereits mit 17 Jahren gewann sie einen Talentwettbewerb für junge Sänger. Der Preis beinhaltete ein Stipendium für das St. Louis Institute of Music, welches sie aber nicht zum Studium zuließ, weil sie schwarz war. Ereignisse wie dieses bestärkten aber Bumbry nur in ihrem festen Willen, Sängerin zu werden.
Schicksalhaft wurde für sie die Begegnung mit der berühmten Sängerin Lotte Lehmann, mit der sie in Santa Barbara ihr Gesangstudium abschloss, und die sie in den Anfängen ihrer Karriere aktiv unterstützte. Ihr voller, klangschöner und mit erstaunlich sicherer Höhe ausgestatteter Mezzosopran führte zu einer ungewöhnlich schnellen Entwicklung einer internationalen Karriere. Bereits mit 23 Jahren debütierte sie als Amneris an der Pariser Oper. Wieland Wagner lud sie nach Bayreuth ein, um 1961 die Venus im Tannhäuser zu singen. Ihr Auftritt dort geriet zur Sensation und machte die Sängerin als „Schwarze Venus“ schlagartig weltbekannt. Konservativen Kritikern entgegnete Wieland Wagner „Mein Großvater hat für Stimmfarben, nicht für Hautfarben komponiert“.
Nach dem Bayreuther Erfolg engagierten alle bedeutenden Opernhäuser Grace Bumbry, ihr Londoner Debüt erfolgte 1963, 1964 folgte die Mailänder Scala, 1965 die Wiener Staatsoper. Auch die amerikanischen Opernhäuser zogen nach, 1966 sang sie die Carmen an der San Francisco Opera.
Die gleiche Rolle hatte sie zuvor bei den Salzburger Festspielen unter Herbert von Karajan interpretiert, diese Produktion wurde später verfilmt.
Wie die meisten dramatischen Mezzosopranistinnen hatte Bumbry Ambitionen, für sich auch das Sopranfach zu erobern. 1970 sang sie ihre erste Salome, 1971 debütierte sie als Tosca an der Metropolitan Opera New York. Bumbry profitierte davon, dass vor ihr Marian Anderson den Bann schwarzer Sänger an diesem Haus gebrochen hatte, mit Leontyne Price sogar eine Afroamerikanerin der Star des Hauses geworden war.
Meriten erwarb sich die Sängerin auch mit Liederabenden, über die Jahre erarbeitete sie sich ein breites Repertoire von Schubert, Brahms und Schumann bis zu den französischen Liedkomponisten des 19. Jahrhunderts.
Ihre ausdrucksstarke, dunkel leuchtende Stimme hatte ein unverwechselbares Timbre, das zu ihrem Markenzeichen wurde. Natürlich kam auch die Schallplattenindustrie an der aparten Sängerin nicht vorbei, viele ihrer Glanzrollen sind auf Schallplatten, manche auch auf Videos für die Nachwelt erhalten.
Mit 60 Jahren hatte Grace Bumbry ihren letzten offiziellen Opernauftritt in Lyon, als Klytämnestra in Richard Strauss’ Elektra, das bedeutete aber noch längst nicht ihr komplettes Karriereende. Oft war sie noch auf dem Konzertpublikum zu erleben, auch ihren Rückzug von der Opernbühne machte sie rückgängig, noch 2012 sang sie in Berlin die Old Lady in Leonard Bernsteins Candide, in Wien 2013 die alte Gräfin in Pique Dame. Damit hatte ihre Bühnenkarriere über 50 Jahre gedauert, die Zahl der von ihr verkörperten Rollen ist ebenfalls eindrucksvoll.
Ihr Privatleben hielt die bis ins hohe Alter attraktive Sängerin stets aus den Schlagzeilen. Bekannt ist nur, dass sie ab 1963 mit dem deutschen Tenor Andreas Jaeckel verheiratet war, die Ehe wurde 1972 geschieden.
Mit Grace Bumbry starb eine der letzten großen Sängerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Künstler wie sie behielten stets ihre Geheimnisse für sich, die heute übliche Anbiederung an die Medien war ihr fremd. Ruhe sanft, „Amazing Grace“!
Peter Sommeregger, 9. Mai 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
Sommereggers Klassikwelt 125: Leontyne Price zum 95. Geburtstag, klassik-begeistert.de