Viele Tonaufnahmen haben ihre schlanke, agile Stimme bewahrt. Sie seien allen Freunden des Operngesanges wärmstens empfohlen!
von Peter Sommeregger
Auf einer Bühne oder in einem Konzertsaal wird wohl niemand mehr die großartige Sopranistin Margarete Teschemacher live gehört haben. Schließlich wäre die Sängerin heute 120 Jahre alt und ist bereits 1959 gestorben.
Aber ihre Stimme ist uns durch viele Tonträger erhalten, die bis heute erhältlich sind, auch bei YouTube kann man Aufnahmen von ihr hören. Oft relativieren solche Hörerlebnisse die Einschätzung aktuell populärer Sänger. Man kann auch viel über die Veränderungen der Gesangskultur und der Vortragsweise lernen.
Margarete Teschemacher, 1903 in Köln geboren, sang anfangs Rollen des lyrischen Stimmfaches, wie etwa die Micaëla in „Carmen“. Sie ließ ihre Stimme langsam reifen, nach ihrem Kölner Debüt ging sie Engagements an den Opernhäusern von Aachen, Dortmund, Mannheim und Stuttgart ein. Mozart-Partien stellten in dieser Phase ihrer Karriere den Schwerpunkt ihres Repertoires dar.
Ab 1934 begann ihre internationale Karriere. Teschemacher wurde an das berühmte Teatro Colón in Buenos Aires verpflichtet, wo sie die Arabella von Richard Strauss sang. Es folgten Engagements in London, wo sie als Gräfin in Mozarts „Figaro“ und Donna Elvira im „Don Giovanni“ auftrat. Ab 1935 war Teschemacher Mitglied des Dresdner Ensembles. Dort baute sie Ihr Repertoire im jugendlich-dramatischen Sopranfach weiter aus. Den Höhepunkt ihrer Karriere bedeutete die Uraufführung der Oper „Daphne“ von Richard Strauss, deren Titelrolle sie in der Premiere am 15. Oktober 1938 kreierte. Dirigent der Aufführung war Karl Böhm, dem der Komponist das Werk widmete. Partner der Teschemacher war u.a. der schwedische Tenor Torsten Ralf, der von Dresden aus auch internationalen Ruhm erlangte. Man muss es bedauern, dass diese Uraufführung nicht aufgezeichnet wurde, die technischen Möglichkeiten dafür hätten durchaus bestanden. Teschemacher und Ralf nahmen jeweils nur kurze Ausschnitte aus der Oper für die Schallplatte auf, aber sie geben einen guten Eindruck, wie die Uraufführung vokal geklungen hat.
In der Dresdner Zeit Teschemachers entstanden auch die meisten Aufführungsmitschnitte mit ihr, auch Produktionen für den Reichsrundfunk. Darunter befindet sich ein „Freischütz“, eine fulminante Einspielung von Webers „Oberon“, „Der Widerspenstigen Zähmung“ von Götz, u.a.m.
Neben dem ausgesprochen schönen Timbre von Teschemachers Sopran, hört man in jeder Phrase ihre technische Sicherheit, die sie auch in exponierten Lagen sicher und souverän erscheinen lässt.
Verheiratet war Margarete Teschemacher in erster Ehe mit dem Tenor Gustav Wünsche, von dem sie sich später trennte, um 1943 den Maler Richard Panzer zu heiraten.
Bis 1946 blieb die Sängerin in Dresden im Engagement, nach dem Krieg wechselte sie an das Opernhaus von Düsseldorf, wo sie begann, auch dramatische Rollen wie die Kundry im „Parsifal“ in ihr Repertoire aufzunehmen. Gelobt wurde neben ihren vokalen Qualitäten auch die Intensität ihrer darstellerischen Rollengestaltung. Auch als Konzertsängerin feierte die Künstlerin große Erfolge.
Plötzlich und unerwartet verstarb die Sängerin am 19. Mai 1959 in Bad Wiessee an den Folgen eines Schlaganfalles. Man kann sie mit Recht unter die großen Sängerpersönlichkeiten ihrer Zeit einreihen.
Viele Tonaufnahmen haben ihre schlanke, agile Stimme bewahrt. Sie seien allen Freunden des Operngesanges wärmstens empfohlen!
Peter Sommeregger, 25. Mai 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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