Porträt des österreichischen Komponisten Alexander von Zemlinsky
von Peter Sommeregger
Am 14. Oktober 1871 wurde Alexander Zemlinsky in eine sephardisch-jüdische Familie in Wien geboren. Seine erste Berührung mit der Musik verdankte er einem Zufall: ein Untermieter seines Vaters brachte ein Klavier mit in die Wohnung, für das Alexander großes Interesse zeigte.
Mit zehn Jahren sang er im Tempelchor der sephardischen Gemeinde seiner Eltern, mit dreizehn Jahren wurde er in die Klavierklasse des Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde aufgenommen, nach drei Jahren erhielt er dort ein Rubinstein-Stipendium, das seine weitere Ausbildung finanzierte. Mit Auftritten und Klavierstunden hielt er sich zusätzlich über Wasser, bis er 1890 sein Diplom ablegte, aber zwei weitere Jahre Kompositionsunterricht am Konservatorium nahm.
Danach entstanden in rascher Folge Kompositionen verschiedener Gattungen, auch eine erste Oper, „Sarema“ wurde mit Erfolg in München uraufgeführt, seine zweite, „Es war einmal“ kam unter Gustav Mahler im Jahr 1900 an der Wiener Hofoper heraus. Seit den späten 1890er Jahren verband ihn eine lebenslange Freundschaft mit Arnold Schönberg, der 1901 Zemlinskys Schwester Mathilde heiratete.
Im Jahr 1900 lernte Zemlinsky die junge Alma Schindler kennen, der er Klavierunterricht gab. Daraus entwickelte sich eine Liebesbeziehung, aber Alma heiratete schließlich 1902 den Hofoperndirektor Gustav Mahler. Zemlinsky wurde allgemein als körperlich wenig attraktiv beschrieben, soll aber eine erstaunliche erotische Wirkung auf Frauen ausgeübt haben. Zemlinsky heiratete 1907 Ida Guttmann, mit der er die 1908 geborene Tochter Johanna Maria hatte.
Nach mehreren Engagements als Kapellmeister an Wiener Bühnen holte Gustav Mahler in 1907 an die Hofoper, unter Mahlers Nachfolgern Felix von Weingartner verließ er das Haus aber bereits 1908 wieder, und wirkte anschließend an der Wiener Volksoper. 1911 erreichte ihn schließlich ein Ruf als Musikdirektor an das Neuen Deutschen Theater in Prag. Dort feierte er große Erfolge als Dirigent, seine kompositorische Tätigkeit kam darüber aber zu kurz. Nach dem ersten Weltkrieg hatte der neue Tschechische Staat das Theater übernommen, Zemlinsky blieb aber bis 1926 am Haus. In den Jahren davor hatte er mit zwei Operneinaktern „Eine florentinische Tragödie“ und „Der Zwerg“ Achtungserfolge, heute sind dies seine am häufigsten aufgeführten Werke. 1922 entstand die „Lyrische Symphonie“, ein Zyklus von sieben Gesängen für Sopran, Bariton und Orchester, der in seiner Form an das „Lied von der Erde“ Gustav Mahlers erinnert. Zemlinsky arbeitet darin seine traumatische Beziehung zu Alma Schindler auf.
Mitte 1927 wechselte Zemlinsky an die Kroll-Oper in Berlin, die von Otto Klemperer geleitet wurde, und sich eine Erneuerung der Oper zum Ziel gesetzt hatte. Die Berliner Tätigkeit ließ ihm Zeit für Gastauftritte u.a. in Barcelona, Paris und Rom. Während dieser Zeit begann er neben seiner Ehe ein Liebesverhältnis mit einer Sängerin, Louise Sachsel , die er 1930 nach dem Tod seiner ersten Ehefrau Ida heiratete.
Folgend auf den politischen Umbruch 1933 ging Zemlinsky zurück nach Wien. Nach künstlerisch fruchtbaren Jahren dort musste er nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 seine Heimat verlassen und reiste mit seiner Frau in die USA aus.
Dort verfiel er zeitweise in tiefe Depressionen, auch seine physische Gesundheit war angeschlagen, was einen ursprünglich geplanten Umzug nach Kalifornien verhinderte. Nach mehreren Schlaganfällen, die ihn zu einem Pflegefall machten, starb Alexander Zemlinsky am 15. März 1942 in Larchmont bei La Rochelle.
Seine Asche wurde 1985 nach Wien überführt, wo er ein Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof erhielt. Über diese Praxis der „Heimholung“ ursprünglich vertriebener Künstler kann man geteilter Meinung sein, aber auf diese Weise ist Alexander Zemlinsky wieder mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt worden. Inzwischen werden einzelne seiner Werke wieder regelmäßig aufgeführt.
Peter Sommeregger, 10. Oktober 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.