Mary Garden © wikipedia.org
von Peter Sommeregger
Die im schottischen Aberdeen 1874 geborene Mary Garden wuchs in den USA auf, wohin ihre Eltern übersiedelten, als Mary neun Jahre alt war. Ihre Gesangsausbildung begann sie in Chicago. Gefördert von den Mäzenen David und Florence Mayer setzte sie ihre Studien in Paris fort. Dort wurde der Direktor der Opéra-Comique, Albert Carré, auf sie aufmerksam und engagierte sie an sein Haus, wo sie im Jahr 1900 in Gustave Charpentiers Oper „Louise“ debütierte, die erst kurz davor ihre Uraufführung erlebt hatte.
In der Folgezeit kreierte sie noch einige weitere Werke von Zeitgenossen, die aber heute weitgehend vergessen sind. Bedeutend war dagegen ihre Kreation der Mélisande in Debussys Oper „Pélleas et Mélisande“, der Komponist hatte sie selbst für die Uraufführung seines Werkes im Jahr 1902 ausgewählt. Eine persönliche Bekanntschaft verband Garden auch mit dem Komponisten Jules Massenet, in einigen seiner Opern, z.B. in „Thaïs“ feierte sie große Erfolge. Erfolgreich trat sie auch in der französischen Fassung von Richard Strauss’ Oper „Salomé“ auf.
Im Jahr 1907 wechselte Garden nach New York an das Manhattan Opera House, das als Konkurrenzunternehmen zur New Yorker Metropolitan Opera gegründet wurde. Dort sang sie bevorzugt französisches Repertoire, neben einigen Opern von Massenet auch in der amerikanischen Erstaufführung von Debussys „Pélleas et Mélisande“.
Für eine Saison sang Garden 1908 an der Nationaloper in Paris, kehrte aber bereits 1909 wieder nach New York zurück, wo sie in ihrer freizügigen Darstellung der Salome einiges Aufsehen erregte.
Von 1910 bis 1913 war sie Ensemblemitglied der Chicago Grand Opera, wo sie hauptsächlich wieder ihr französisches Repertoire sang. Ende April 1912 nahm sie gemeinsam mit u.a. Enrico Caruso an einem Wohltätigkeitskonzert für die Opfer der Titanic-Katastrophe teil. Weiterhin wirkte sie an verschiedenen Opern-Uraufführungen mit, hervorzuheben wäre davon Montemezzis „L’amore dei tre re“ 1920. Neben ihren Gesangspartien drehte Garden, die eine blendend aussehende Frau war, auch zwei Stummfilme. 1921/22 fungierte sie auch als Direktorin der Chicago Opera Association, dieses Amt behielt sie auch nach der Gründung der Chicago Civic Opera bei. 1931 hatte sie dort ihren letzten Auftritt in der Rolle der Carmen. Ihren endgültigen Bühnenabschied feierte sie 1934 an der Opéra-Comique in Paris als Katyusha in Alfanos „Risurrezione“. Bis 1949 gab sie noch gelegentlich Konzerte, hielt Meisterklassen und unterstützte auch junge Sänger.
Im Gegensatz zu anderen Sängern hatte Mary Garden noch Gelegenheit, im Vollbesitz ihrer Stimme Aufnahmen für das neue Medium Schallplatte zu machen. Dadurch ist uns das erotische Flair und die Schönheit ihrer Stimme in authentischen Aufnahmen, zum Teil von Claude Debussy begleitet, erhalten geblieben.
Im Jahr 1951 erschien ihre Autobiographie Mary Garden’s Story, die aber ein geschöntes und wenig exaktes Bild ihres Lebens gibt. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war Garden auch bereits an Demenz erkrankt. Gestorben ist sie am 3. Januar 1967 in ihrer schottischen Heimat, in die sie sich nach ihrem Bühnenabschied zurückgezogen hatte.
Nach eigener Aussage hatte Garden zahlreiche Affären mit teilweise bedeutenden Männern, die ihr das Image einer Femme fatal eintrugen, ein Ruf, den sie bewusst pflegte. Geheiratet hat Mary Garden nie, aber das hätte wohl auch nicht zu dem von ihr angestrebten Image gepasst. Nicht zuletzt durch ihre Tonaufnahmen hat sich Garden bis heute eine gewisse Bekanntheit bewahrt.
Peter Sommeregger, 2. Januar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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