Sommereggers Klassikwelt 237 : Der große Wagner-Sänger George London verstummte viel zu früh

Sommereggers Klassikwelt 237 : Der große Wagner-Sänger George London verstummte viel zu früh  klassik-begeistert.de, 29. Mai 2024

George London 1953

von Peter Sommeregger

Der gefeierte Bassbariton George London wurde am 30. Mai 1920 als George Burnstein in Montreal in eine russisch-jüdische Familie geboren – seine Jugend verlebte er allerdings in Los Angeles.

Bereits mit 21 Jahren betrat er zum ersten Mal eine Opernbühne, er debütierte als George Burnson in einer kleinen Nebenrolle in Verdis „La Traviata“.

Ein wichtiger Schritt zu seiner späteren Karriere war eine umfangreiche Tournee, die er mit dem Tenor Mario Lanza und der Sopranistin Frances Yeend als „Belcanto Trio“ während der Jahre 1947 und 1948 unternahm.

Dadurch wurde er schnell bekannt, was 1949 zu einem Engagement an die Wiener Staatsoper führte, wo er zum Publikumsliebling avancierte und sich schnell ein breites Repertoire an Rollen seines Stimmfaches erarbeitete. Sein großer Stimmumfang, vor allem aber seine balsamisch weich timbrierte Stimme machte ihn zu einem perfekten Interpreten der Heldenbariton-Rollen in Wagners Opern, aber auch Verdi-Partien wurden von ihm erfolgreich gesungen.

Ab 1951 streckten auch die neu erstandenen Bayreuther Festspiele ihre Fühler nach ihm aus, für die nächsten Jahre wurde er zum unverzichtbaren Teil der Inszenierungen Wieland Wagners. Vor allem in der Partie des „Fliegenden Holländers“ hatte er international Erfolg, spielte die Oper auch mit Leonie Rysanek für die Schallplatte ein.

Die Metropolitan Opera in New York engagierte ihn ab 1951, er debütierte dort als Amonasro in „Aida“. In den Jahren der Blütezeit seiner Karriere sang er an dem Haus 270 Vorstellungen in unterschiedlichen Rollen.

Eine Sensation war sein Auftreten am Moskauer Bolshoi-Theater, wo er 1960, am Höhepunkt des Kalten Krieges, als erster Amerikaner Mussorgskys „Boris Godunov“ sang. Als George Solti 1958 die erste Studio-Einspielung von Wagners „Ring des Nibelungen“ mit dem „Rheingold“ begann, wurde der Wotan mit George London besetzt, bei den späteren Teilen des Rings stand er dafür leider nicht mehr zur Verfügung.

Londons glänzende Karriere erlitt erste Einbrüche, als seine stimmliche Kondition Anfang der 1960er Jahre rapide einbrach. Ursache war eine partielle Stimmbandlähmung, die London zu einer längeren Pause zwang. Zwar konnte die Lähmung teilweise behoben werden, aber seine Verfassung genügte den eigenen hohen Ansprüchen Londons nicht mehr.

In den Folgejahren widmete sich George London der Ausbildung junger Sänger, mit der 1971 gegründeten George London Foundation wurden und werden bis heute Talente gefördert, auch ein Gesangswettbewerb findet regelmäßig statt.

Im Jahr 1977 erlitt London einen ersten schweren Herzinfarkt, der seine Aktivitäten stark einschränkte, seinem insgesamt dritten Infarkt erlag George London am 24. März 1985 im Staat New York. Seine Witwe Nora, die ihn um ganze 37 Jahre überlebte, hielt die Erinnerung an ihn mit vielen Aktivitäten wach. Mitschnitte von Opernaufführungen und Konzerten sind auf dem Graumarkt zu finden, aber auch eine größere Zahl von offiziellen Studio-Einspielungen sind bis heute erhältlich.

Sie erinnern an eine große, unverwechselbare Stimme, die leider viel zu früh verstummte.

Peter Sommeregger, 27. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

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