Sommereggers Klassikwelt 239: Wir gratulieren Ileana Cotrubaș zum 85. Geburtstag

Sommereggers Klassikwelt 239: Ileana Cotrubaș zum 85. Geburtstag  klassik-begeistert.de, 12. Juni 2024


von Peter Sommeregger

Kaum zu glauben, dass die rumänische Sopranistin Ileana Cotrubaș in diesen Tagen ihren 85. Geburtstag feiern konnte. In Erinnerung geblieben ist sie nicht zuletzt durch ihre jugendliche, mädchenhafte Ausstrahlung, die besonders in Rollen wie Mimì, Violetta, Susanna oder Gilda zur Geltung kam. Ihre Rollengestaltungen profitierten alle von der Intensität ihres Spiels und einer gewissen scheuen Zartheit, die sie nie ablegte.

Sie wurde am 9. Juni 1939 geboren, ausgebildet wurde sie am Ciprian-Porumbescu-Konservatorium in Bukarest. Bereits ab 1948 sang sie im Kinderchor von Radio Bukarest und der dortigen Nationaloper. Im Jahr 1964 debütierte sie schließlich als Knabe in Debussys Pelléas et Mélisande. Sie begann mit kleineren lyrischen Rollen wie Blondchen, aber auch bereits Gilda. Schon 1964 hatte sie den George-Enescu-Gesangswettbewerb gewonnen. Der erste Preis beim ARD-Gesangswettbewerb 1966 in München öffnete ihr schließlich die Türen zu einer internationalen Karriere.

In den folgenden Jahren eroberte sie sich nach und nach die wichtigsten Opernbühnen Europas, ab 1977 sang sie auch an der Metropolitan Opera New York, dort war die Mimì ihre Antrittsrolle. Im Londoner Opernhaus Covent Garden hatte sie sich bereits 1970/71 als Tatiana in Eugen Onegin vorgestellt, an der Wiener Staatsoper sang sie seit 1969, hauptsächlich Rollen in Opern von Mozart und Richard Strauss.

An der Mailänder Scala war sie 1975 in letzter Minute für Mirella Freni als Mimì eingesprungen, und eroberte sich auch diese bedeutende Opernbühne im Sturm. Natürlich nahm auch die Schallplattenindustrie die rasante Karriere der Künstlerin wahr, und verpflichtete sie für eine große Zahl von Aufnahmen. Ihre bedeutendste ist wohl eine komplette La Traviata unter Carlos Kleiber mit Plácido Domingo als Partner, die bis heute Kultstatus genießt.

Wiener Kammersängerin, später Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper sind nur ein Teil der zahlreichen Auszeichnungen, die Ileana Cotrubaș im Laufe ihrer Karriere erhielt. Allgemein galt die Künstlerin allerdings als schwierig, sie folgte stets ihrem künstlerischen Gewissen, was durchaus problematisch werden konnte. Verschiedentlich stieg sie aus Produktionen aus, weil sie mit der Regie nicht einverstanden war, auf Grund ihrer Prominenz konnte sie sich das leisten.

Völlig überraschend zog sich die Cotrubaș 1990 mit nur 51 Jahren von der Bühne zurück.

Seit 1972 war sie mit dem Dirigenten Manfred Ramin verheiratet. Zusammen mit ihm veröffentlichte sie 2017 das Buch Die manipulierte Oper, 1998 hatte sie bereits mit dem Buch Opernwahrheiten großes Aufsehen erregt, weil sie darin Missstände und Schattenseiten des internationalen Opernbetriebes schonungslos kritisierte. Im letzten Jahr erhielt sie als Würdigung für ihr Lebenswerk den Österreichischen Musiktheaterpreis.

Charakteristisch für Ileana Cotrubaș war das zarte, silbrige Timbre ihrer Stimme, die über viele Farbschattierungen verfügte. Ihren Figuren gab sie immer eine gewisse Zerbrechlichkeit mit, was ihre Interpretationen interessant machte. Sie in verschiedenen Rollen gehört zu haben, zähle ich zu meinen schönsten Opern-Erinnerungen.

Peter Sommeregger, 10. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

Sommereggers Klassikwelt 238: Anton Dermota war ein Pfeiler des Wiener Mozart-Ensembles klassik-begeistert.de, 5. Juni 2024

Sommereggers Klassikwelt 237 : Der große Wagner-Sänger George London verstummte viel zu früh klassik-begeistert.de, 29. Mai 2024

Sommereggers Klassikwelt 236: Paul Sacher ging als Mäzen in die Musikgeschichte ein klassik-begeistert.de, 21. Mai 2024

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert