von Peter Sommeregger
Richard Wagner, dessen gedruckt erschienene Biographien ganze Regale füllen würden, wurde früh auch schon zum Helden verschiedener Filme. Zum 100. Geburtstag Wagners, erschien 1913 ein abendfüllender Stummfilm, der noch heute durch seine Qualität besticht, aber auf das begleitende Abspielen von Kompositionen Wagners aus urheberrechtlichen Gründen verzichten musste. Ein findiger Arrangeur komponierte immer haarscharf am Original vorbei, so blieb die von Bayreuth missbilligte Unternehmung rechtlich unangreifbar.
Es konnte nicht ausbleiben, dass auch Hollywood sich des dankbaren Stoffes annahm. Dabei wurde der Fehler begangen, Wagners Biographie mit dem Schwerpunkt auf seinen Beziehungen zu Frauen darzustellen, was der Produktion eine gewisse Oberflächlichkeit verleiht. Dramaturgisch geschickt werden nicht gezeigte Ereignisse durch einen Sprecher aus dem off geschildert, trotzdem sind die Sprünge in den biographischen Abläufen manchmal ziemlich abrupt. Gedreht wurde 1954 an deutschen Originalschauplätzen in englischer Sprache, wobei man immer wieder improvisierte, was die Schauplätze betraf. Was als Dresdner Hofoper ausgegeben wird, ist in Wahrheit das barocke Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth, so genau konnte und wollte man es damals nicht nehmen.
Interessant ist die Begegnung mit zahlreichen deutschen Schauspielern, auch in größeren Rollen. So ist der hauptsächlich aus deutschen Heimatfilmen bekannte Gerhard Riedmann als König Ludwig II. besetzt, als Hans von Bülow begegnet man Erik Schumann, Charles Regnier gibt Giacomo Meyerbeer den polyglotten Charme dieser Figur. Man wagt gar nicht sich vorzustellen, was für eine babylonische Sprachenverwirrung bei den Dreharbeiten geherrscht haben muss. Hilfreich vielleicht, dass der Regisseur William Dieterle ja ein ausgewanderter Deutscher war. Auffallend ist aber auch, dass sich manche der deutschen Schauspieler für die deutsche Filmfassung nicht selbst synchronisierten.
Sehr interessant sind die kurzen Ausschnitte aus Opern Richard Wagners. Für die Regie bei diesen kurzen Passagen zeichnet Rudolf Hartmann verantwortlich, der damalige Intendant der Münchner Oper. Die Musikaufnahmen entstanden mit dem Chor und Orchester der Bayerischen Staatsoper unter Alois Melichar. Die ausgezeichneten Solisten werden ärgerlicherweise nicht erwähnt, aber zumindest Hans Hopf und Leonie Rysanek meint man zu erkennen.
Ein kleines Detail am Rande kann man dem Booklet zu dem Film entnehmen: der Komponist Erich Wolfgang Korngold, nach einer europäischen Karriere unfreiwillig in Hollywood als Filmkomponist gelandet, übernahm auch für diesen Film das Arrangement der Wagner’schen Musik. In einer Szene sollte der Dirigent Hans Richter die Uraufführung des Nibelungenrings dirigieren. Nachdem der betreffende Schauspieler nicht zum Dreh erschien, übernahm spontan Korngold die winzige stumme Rolle mit angeklebtem Bart.
Fast schon liebenswert ist ein kleines Detail: beim Blick in den originalen Garten der luxuriösen Villa Wesendonck in Zürich besteht die scheinbare Blumenpracht aus lieblos nebeneinander gestellten kleinen Blumentöpfen. So wenig opulent ging es damals sogar in Hollywood-Filmen zu.
Aus heutiger Sicht erscheint der Film sehr oberflächlich, auch folgt er keineswegs immer den historischen Fakten. Ein Pluspunkt ist allerdings der Hauptdarsteller Alan Badel. Neben einer deutlichen physiognomischen Ähnlichkeit mit Richard Wagner ist er auch im Spiel überzeugend und nuanciert.
Zu Wagners 100. Todestag 1983 wurde ein für das Fernsehen produzierter Dreiteiler zum großen Erfolg. Richard Burton und eine illustre Starbesetzung malen die Details von Wagners Biographie sehr viel facettenreicher und stimmiger aus. Es wird dies bestimmt nicht der letzte Versuch gewesen sein, dieses spannende Leben filmisch aufzubereiten.
Magic Fire
Die Richard Wagner Story – DVD Filmjuwelen
Peter Sommeregger, 8. Juli 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Ladas Klassikwelt (c) erscheint jeden Montag.
Frau Lange hört zu (c) erscheint jeden zweiten Dienstag.
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Ricardo Muti und Anna Netrebko. Seit 25 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.