von Peter Sommeregger
Wiens Ruf als Musikstadt besteht schon seit Jahrhunderten, viele der großen Komponisten lebten hier, was irgendwann kein Zufall mehr war. Mozart war nicht zuletzt Joseph Haydns wegen in die Stadt gekommen, Beethoven später Mozarts wegen, obwohl dessen früher Tod einen künstlerischen Kontakt verhinderte. Zum Teil sind die Gebäude, in denen die großen Meister lebten, noch erhalten, von Franz Schubert existiert sogar noch das Geburts- und Sterbehaus in originaler Form. Mozarts und Beethovens letzte Wohnungen in denen sie starben, existieren zwar heute nicht mehr, aber man kennt den genauen Ort. In Mozarts Fall steht heute an der Stelle seines Todes ein Kaufhaus, was dazu führte, dass eine entsprechende Gedenk-Plakette in der Sportschuh-Abteilung des Hauses angebracht wurde. Es wirkte so, als hätte den vielleicht größten Komponisten aller Zeiten zwischen Adidas und Nike-Modellen der Tod ereilt.
Inzwischen hat die Stadt Wien eine Reihe von Gedenkstätten eingerichtet, die sich alle an authentischen Orten befinden. In Franz Schuberts Geburtshaus an der Nußdorferstraße kann man sogar den genauen Platz von Schuberts Geburt besichtigen: direkt an der Feuerstelle des Hauses brachte ihn seine Mutter zur Welt, so wie 13 weitere Kinder vor und nach ihm. Persönliche Gegenstände aus Schuberts Besitz, mit Ausnahme einer seiner Brillen, findet man hier nicht. Aber die wesentlichen Elemente der damaligen Wohnverhältnisse sind noch zu besichtigen, so auch der Ziehbrunnen im Hof, die einzige Wasserstelle für bis zu 40 Personen, die in dem eher kleinen Haus lebten.
Beethoven war berüchtigt für seine zahlreichen Wohnungswechsel, eine große Zahl von Gedenktafeln kann man in Wien an den jeweiligen Häusern finden. In dem einstigen Dorf Heiligenstadt, das inzwischen längst von der Stadt Wien vereinnahmt wurde, hat Beethoven mehrere Sommer verbracht. In einer seiner damaligen Wohnungen befindet sich ein liebevoll eingerichtetes Museum, das zwar völlig ohne originale Objekte auskommen muss, dafür aber reiches Bild-und Tonmaterial bereit hält, das anschaulich die Lebensumstände und das persönliche Umfeld des Komponisten abbildet. Auch hier besticht der Ort durch seine Authentizität , die den Besucher auf eine spannende Zeitreise schickt. Als Faksimile ist auch das berühmte Heiligenstädter Testament zu sehen, jenes erschütternde Dokument, in dem Beethoven seinen Brüdern das eigene misantrophische Wesen durch seine Krankheit erklärt, die ihn schließlich ertauben ließ.
Ganz in die Atmosphäre vom Wien der Barockzeit kann man im so genannten Mozarthaus in der Domgasse hinter dem Stephansdom eintauchen. Hier befindet sich auf Nummer 5 das Haus mit der einzigen Wohnung Mozarts, die erhalten ist. Mozart lebte hier in den 1780er Jahren, in einer persönlich und materiell glücklichen Phase seines Lebens. Gerade war die Hochzeit des Figaro erfolgreich uraufgeführt, Mozart konnte sich vor Kompositionsaufträgen nicht retten. In der geräumigen Wohnung, die den gesamten ersten Stock des dreigeschossigen Gebäudes einnimmt wurde auch einer der Söhne des Komponisten geboren, der das Erwachsenenalter erreichen sollte. Nichts vom Mozart’schen Interieur ist erhalten, aber trotzdem ist es ein erhebendes Gefühl, so unmittelbar in die Lebenswelt dieses Genies einzutauchen. Auch hier müssen zeitgenössische Abbildungen, Tondokumente und Schrifttafeln das Fehlen persönlicher Gegenstände ersetzen, aber die kompetent und klug zusammengestellten Informationen haben letztlich doch höheren Informationswert, als ein Kleidungs- oder Möbelstück.
In der Stadt befinden sich noch weitere Musiker-Gedenkstätten, eine jeweils für Joseph Haydn, für Johann Strauss, eine zweite für Beethoven. Sie alle befinden sich unter dem organisatorischen Dach des Wien-Museums, das auch über archäologische Sehenswürdigkeiten verfügt. Dem Wien-Besucher aber auch den Wienern selbst kann man einen Besuch dieser Orte nur wärmstens empfehlen!
Peter Sommeregger, 28. Juli 2020, für
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Peter Sommeregger, 21. Juli 2020, für
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Ricardo Muti und Anna Netrebko. Seit 25 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.