Foto: © Lisa Marie Mazzucco
Auch Wunderkinder und stets jugendlich wirkende Menschen werden täglich älter. So konnte der große Geiger Itzhak Perlman am 31. August seinen unglaublichen 75. Geburtstag feiern.
von Peter Sommeregger
Dass dieses, von einer frühen Lebenskatastrophe betroffene Kind einmal ein weltberühmter Künstler werden könnte, haben wahrscheinlich nicht einmal seine optimistischen Eltern geglaubt. Perlman, 1945 als Kind polnischer Einwanderer noch vor der Staatsgründung Israels in Tel Aviv geboren, erkrankt schon als Kleinkind an Polio. Von seinen Eltern wird ihm ein optimistischer, kämpferischer Umgang mit seiner Erkrankung vermittelt, davon getragen entwickelt er selbst einen Kampfgeist, der ihn sein ganzes Leben begleiten wird.
Die Eltern erkennen früh die Begabung des Sohnes, bereits mit fünf Jahren nimmt Perlman in Tel Aviv Geigenunterricht, mit neun Jahren wird er in die Academy of Music in Jaffa aufgenommen. Aber es wird schnell klar, dass er für weiterführende Studien Israel verlassen muss. Die Familie zieht 1958 nach New York, wo Itzhak an der Juillard School of Music weiter studiert. Er ist auf Gehhilfen angewiesen, kann nur im Sitzen spielen, aber beginnt schon in den ersten Jahren in den USA Tourneen zu unternehmen. Einen ersten Durchbruch erreicht er, als er 1964 in der New Yorker Carnegie Hall den begehrten Leventritt-Gedenkpreis gewinnt. Im Lauf der Jahre wird er noch unzählige Auszeichnungen erhalten, hauptsächlich Grammy- und Emmy-Awards für viele seiner Schallplatten-Einspielungen.
Über die Jahre gibt es kaum Künstler oder Orchester, mit denen Perlman nicht zusammen gearbeitet hat. Zum Teil verbinden ihn enge Freundschaften mit Musiker-Kollegen. Eine besonders intensive Zusammenarbeit pflegt er mit dem Israel Philharmonic Orchestra, das er bei mehreren Gelegenheiten auch dirigiert. Seine schwere Behinderung scheint er als besondere Herausforderung zu betrachten, dem Leben all das abzutrotzen, was für ihn wichtig ist. Ich erinnere mich gut an ein Mozartprogramm bei den Berliner Philharmonikern, das er als Solist und Dirigent bestritt. Er ersparte sich und dem Publikum nicht die Mühsal und die Kraftanstrengung, für jeden Hervorruf den Saal auf Krücken zu verlassen, und erneut zu betreten.
Man sagt, hinter jedem bedeutenden Mann stünde eine Frau. Im Falle Perlmans scheint das zuzutreffen. Bereits 1967 heiratet er Toby Lynn, die sich schon als Schülerin in ihn verliebt hatte. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor, und ein Teil des Geheimnisses von Perlmans Kraftreserven ist bestimmt in dieser glücklichen Ehe und Partnerschaft zu finden.
Neben der Anerkennung für seine künstlerischen Leistungen wurde er auch mehrfach für sein soziales Engagement ausgezeichnet, so erhielt er 1986 von Ronald Reagan die Medal of Liberty, 2015 von Barack Obama die Presidential Medal of Freedom.
Ein Kuriosum am Rande ist seine Mitwirkung an der Tosca-Einspielung seines Freundes James Levine, in der er 1980 die winzige Nebenrolle des Schließers übernahm. Sehr viel Persönliches vermittelt dagegen der Film „The Trout“, der Perlman mit Daniel Barenboim, Jacqueline du Pré und weiteren Kollegen bei der Vorbereitung einer Aufführung von Schuberts „Forellenquintett“ in London begleitet. Bereits 1978 entstand der Film „Virtuoso Violinist“ von Christopher Nupen, ein aktuellerer Film „Ein Leben für die Musik“ stammt von 2017.
Ein Ausnahmegeiger wie Perlman will natürlich auch ein Ausnahmeinstrument besitzen und spielen. Perlman erwarb 1986 von Yehudi Menuhin die Stradivari Soil von 1714, ein Instrument, das selbst unter den Stradivaris noch einen besonderen Nimbus besitzt. Wünschen wir ihm und uns, dass er sie noch bei vielen Gelegenheiten zum Klingen bringen kann.
Mazel tov, Itzhak Perlman !
Peter Sommeregger, 31. August 2020, für
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Ricardo Muti und Anna Netrebko. Seit 25 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.