von Peter Sommeregger
Am 22. Dezember 1991 starb der Komponist Ernst Krenek hoch betagt im kalifornischen Palm Springs. Mit seiner Bestattung in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof schloss sich der Kreis eines Lebens, das im Jahr 1900 in Wien begonnen hatte.
Der Sohn eines aus Böhmen stammenden K.u.K.-Offiziers besuchte in Wien das Gymnasium und begann schon während seiner Schulzeit mit 16 Jahren zu komponieren. Er wurde Schüler Franz Schrekers, dem er 1920 nach Berlin folgte und durch den er in den Kreis bedeutender Zeitgenossen Schrekers wie Ferruccio Busoni und Hermann Scherchen Aufnahme fand. Seine frühen Kompositionen sind in freier Atonalität entstanden, seine erste Oper von insgesamt 22, „Der Sprung über den Schatten“, erlebte ihre Uraufführung 1924.
In diesem Jahr heiratete Krenek Anna, die Tochter Gustav Mahlers, allerdings trennte sich das Paar noch im gleichen Jahr wieder. Unter dem Einfluss u.a. Igor Strawinskys änderte er seinen Kompositionsstil mehr in Richtung des Unterhaltsamen.
Während seiner Zeit als Assistent des Direktors des Opernhauses in Kassel entstand 1927 die Jazz-Oper „Johnny spielt auf“, die unmittelbar nach der Leipziger Uraufführung zum Welterfolg wurde, und in kürzester Zeit an allen bedeutenden Opernhäusern der Welt gegeben wurde. An der New Yorker Met dagegen fiel das Werk durch, und der ursprünglich große Erfolg der Oper ließ danach schnell nach.
Nach Wien zurückgekehrt beschäftigte Krenek sich intensiv mit der Musik Franz Schuberts, was in seinen Kompositionen einen neoromantischen Niederschlag fand. Abgelöst wurde diese Phase durch eine intensive Beschäftigung mit der Zwölftontechnik Arnold Schönbergs, die in der Folgezeit sein Schaffen prägen sollte. In den Jahren 1930 bis 1933 arbeitete Krenek an der Oper „Karl V.“, einem Auftragswerk der Wiener Staatsoper, deren Uraufführung für 1934 vorgesehen war, durch die Intervention politischer Gegner des Komponisten aber verhindert wurde, und erst 1938 in Prag stattfinden konnte. Erst im Jahr 1984 erschien das Werk auf der Bühne der Wiener Staatsoper, die Premiere wurde von Erich Leinsdorf dirigiert, der seinerseits 1938 als Jude aus Wien emigrieren musste und später an der Metropolitan Opera New York zu einem der führenden Dirigenten aufstieg.
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich emigrierte Krenek in die USA, deren Staatsbürger er 1945 wurde. Er nahm seinen dauerhaften Wohnsitz in Kalifornien, wo er unter anderem eine rege Lehrtätigkeit entfaltete. Inzwischen hatte er sich der seriellen Musik zugewandt, ungebrochen war seine Bereitschaft, sich in immer neuen Formen der Musik zu versuchen.
Zeitlebens hatte Krenek regen Austausch mit künstlerischen und intellektuellen Zeitgenossen wie Rilke, Thomas Mann, Arnold Schönberg, Igor Strawinsky und Theodor W. Adorno. Sein ungewöhnlich reiches und vielfältiges Oeuvre umfasst nahezu sämtliche musikalische Gattungen. Neben 22 Opern schrieb er auch Ballettmusik, fünf Symphonien, Chorwerke und Lieder.
In seinen späten Jahren verfasste der Komponist seine Memoiren, geschrieben in englischer Sprache wurden sie in deutscher Übersetzung erst posthum 1998 unter dem Titel „Im Atem der Zeit- Erinnerungen an die Moderne“ veröffentlicht. Ein faszinierendes Buch, das Krenek als wichtigen Zeitzeugen besonders der künstlerischen Entwicklungen des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts und dessen Protagonisten ausweist.
Kreneks Wiener Grabstelle ist mit einer abstrakten Skulptur aus Granit geschmückt, die einen etwas schroffen Eindruck macht. Dies war sicherlich so beabsichtigt, war der Mensch Ernst Krenek doch auch ein vielschichtiger, gebrochener Charakter. Die Beschäftigung mit seinem Werk ist ausgesprochen lohnend!
Peter Sommeregger, 22. Dezember 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at