Die Zeit, in der Opernregisseur noch eine eigenständige Berufsbezeichnung war, liegt gar nicht so lange zurück. Es waren Kenner der Materie, die vor allem mit den Bedürfnissen eines Opernbetriebes mit ständig wechselndem Programm und häufig wechselnden Rollenbesetzungen vertraut waren.
von Peter Sommeregger
Die Freudlosigkeit der heutigen Theaterästhetik, insbesondere jener des Musiktheaters, hat sicherlich mehrere Ursachen. Bei der Ursachenforschung stößt man aber relativ schnell darauf, dass Regieaufträge für Opernproduktionen heute häufig an mehr oder minder bekannte Filmregisseure vergeben werden. Übersehen wird dabei gerne, dass die Dramaturgie der Oper eine völlig andere als die des Films ist. Oper hat ihre eigenen Gesetze, das Primat der Musik schafft gewisse Zwänge, die vom Film oder Sprechtheater kommende Regisseure oft nicht erkennen können oder wollen.
Unvergessen ist in Berlin die Blamage, die sich ein Bernd Eichinger als Regisseur einer Parsifal-Produktion an der Staatsoper einhandelte. Jahre später endete am gleichen Haus Jürgen Flimms hartnäckiges Bemühen, den prominenten Filmemacher Wim Wenders zu einer Opernregie zu überreden, in einem Debakel. Wenders, der Oper nicht allzu nahe stehend, hatte sich Bizets „Perlenfischer“ auserkoren und kam über eine dröge, dilettantische Präsentation dieses Randwerkes der Opernliteratur nicht hinaus.
Die Zeit, in der Opernregisseur noch eine eigenständige Berufsbezeichnung war, liegt gar nicht so lange zurück. Es waren Kenner der Materie, die vor allem mit den Bedürfnissen eines Opernbetriebes mit ständig wechselndem Programm und häufig wechselnden Rollenbesetzungen vertraut waren. Mag sein, dass das Resultat solcher Arbeiten nicht immer eine künstlerische Sternstunde war, aber es waren Arbeiten von Praktikern, die wussten, dass Sänger in musikalisch heiklen, die ganze Konzentration verlangenden Momenten nur ungern komplizierte und anstrengende szenische Aktionen ausführen. Auch das Publikum wünscht sich an musikalischen Höhepunkten oder bei den großen Arien eher Ruhe fürs Auge, statt unsinniger Aktionen.
Ausgetüftelte, komplizierte Produktionen müssten eigentlich grundsätzlich in der Premierenbesetzung gespielt werden, der Aufwand der Probenarbeit bei Besetzungsänderungen wäre zu groß. Bei plötzlicher Erkrankung eines Sängers muss er heute oft genug die Rolle zumindest darstellerisch verkörpern, während der Einspringer von der Seite oder vom Orchestergraben aus singt. Die Wiener Staatsoper und die Deutsche Oper Berlin wissen sehr gut, warum sie ihre jeweiligen Tosca-Inszenierungen seit gefühlten Ewigkeiten im Programm belassen. Diese sind zeitlos stimmig, und ganze Sängergenerationen haben sich darin schnell zurecht gefunden.
Gerne greifen vom Film kommende Regisseure auch zu Video-Einspielungen. Auch das ist eine für die Oper nur bedingt passende Ausdrucksform, sofern man sie nicht ohnehin grundsätzlich ablehnt. Eine vierte Dimension hat auf dem Theater eigentlich nichts verloren, eingesetzt wird sie ohnehin zumeist von Regisseuren, die schon mit dreien nicht klar kommen. Rein theoretisch müsste auch bei jeder Besetzungsänderung ein neues Video gedreht werden, was ein weiterer Beweis dafür ist, dass heutige Produktionen ein allzu schnelles Verfalldatum haben. Häufig kann man inzwischen Opernbesucher mit Ausdrucken der Wikipedia-Artikel über die jeweilige Oper beobachten. Die Zeiten, in denen die Handlung klar wie der Tag präsentiert wurde, gehören der Vergangenheit an.
Peter Sommeregger, 13. November 2019 für
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Ricardo Muti und Anna Netrebko. Seit 25 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de .
Lieber Kollege Sommeregger, waren Sie etwa auch Wasa-Gymnasiast? Dann hatten Sie vielleicht Friedrich Cerha im Schubert-Look eine Zeit als Musiklehrer.
Lothar Schweitzer
Nein, Wasa-Gymnasiast war ich nicht. Ich besuchte das Humanistische Gymnasium in der Gymnasiumstraße!
P.S.