„Warner weiß sehr gut, was für Schätze sie in ihren Archiven hat, zu Barbirollis 50. Todestag im letzten Jahr legte die Firma eine große Zahl von Barbirollis Aufnahmen „remastered“ neu auf. Ein besonderes Highlight darunter ist die Einspielung der vier Brahms-Symphonien mit den Wiener Philharmonikern, eine Aufnahme die ich persönlich der Mitnahme auf die sprichwörtliche einsame Insel für würdig halte.“
von Peter Sommeregger
Obwohl er Kind italienischer Eltern war, ist sein Geburtsort 1899 London. Seine ursprünglichen Vornamen Giovanni Battista änderte er später in John und wurde damit endgültig zum Briten. Der Sohn einer Musikerfamilie verschrieb sich selbst früh der Kunst. Als Cellist erwarb er sich einen frühen Ruhm als Wunderkind, als Orchestermusiker sammelte er bereits wichtige Erfahrungen für seinen späteren Dirigentenberuf, er hatte noch unter dem legendären Sir Thomas Beecham gespielt.
Barbirolli war technischen Innovationen gegenüber sehr aufgeschlossen, was dazu führte, dass er bereits in der Frühzeit der Schallplattenindustrie zahlreiche Werke für das neue Medium einspielte. Durch seine menschliche Wärme und Empathie besaß er das Vertrauen von damals berühmten Solisten wie den Geigern Fritz Kreisler, Jascha Heifetz und des Pianisten Artur Rubinstein, mit denen er zahllose Schallplatten einspielte. Auch als Begleiter von Sängern fungierte er bei deren Aufnahmesitzungen, die Londoner Arienplatten der gefeierten Frida Leider fanden ebenfalls unter seinem Dirigat statt.
Er war Vertragskünstler der Plattenfirma „His Master’s Voice“ und blieb diesem Label, der späteren EMI, sein Leben lang treu. Ähnlich hielt er es mit seinen Orchestern: ab 1937 wirkte er für fünf Jahre in der Nachfolge Arturo Toscaninis als Chefdirigent des New York Philharmonic Orchestra. Eine weitere Verlängerung seines Vertrages dort scheiterte daran, dass er dafür die amerikanische Staatsbürgerschaft hätte annehmen müssen, was Barbirolli ablehnte.
Zu diesem Zeitpunkt erreichte ihn ein Angebot des Halle-Orchesters in Manchester. Für 25 Jahre blieb er Chefdirigent dieses Orchesters und formte es zu einem der besten britischen Klangkörper. Es ist erstaunlich, und auch in der Rückschau schwer verständlich, dass Barbirolli verglichen mit den großen Dirigentenpersönlichkeiten wie Otto Klemperer oder Herbert von Karajan so sehr ins Hintertreffen geriet. Das mag auch daran gelegen haben, dass er mit den Genannten zumindest zeitweise für die gleiche Plattenfirma arbeitete. Klemperer und Karajan hatten die erste Wahl, Barbirolli war sich nicht zu schade, das aufzunehmen, was die anderen übrig ließen. Was dazu führte, dass wir heute über einen reichen Schatz an zum Teil herausragenden Einspielungen des Italo-Briten verfügen.
Speziell in seinen letzten Lebensjahren verstärkte er seine Aufnahmetätigkeit noch einmal. So entstanden teilweise Referenzaufnahmen wie z.B. eine“ Madame Butterfly“ mit Renata Scotto und Carlo Bergonzi und ein „Otello“ mit James McCracken und Gwyneth Jones. Die Nachfolgefirma der EMI, Warner, weiß sehr gut, was für Schätze sie in ihren Archiven hat, zu Barbirollis 50. Todestag im letzten Jahr legte die Firma eine große Zahl von Barbirollis Aufnahmen „remastered“ neu auf. Ein besonderes Highlight darunter ist die Einspielung der vier Brahms-Symphonien mit den Wiener Philharmonikern, eine Aufnahme die ich persönlich der Mitnahme auf die sprichwörtliche einsame Insel für würdig halte.
Am 29. Juli 1970 starb Sir John Barbirolli in London. Allen Musikfreunden sei eine Beschäftigung mit seinem akustischen Nachlass wärmstens empfohlen!
Peter Sommeregger, 28. Juli 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
Titelbild: Von Joost Evers / Anefo – Nationaal Archief, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=37104536