Über Tomasz Konieczny und Piotr Beczala braucht man eigentlich keine Worte verlieren. Der Heldenbariton und der Tenor von Weltrang machen aus der selten aufgeführten Oper „Halka“ ein wahres Musikfest.
Foto: Piotr Beczala (als Jontek), Halka (Corinne Winters), (c) Monika Rittershaus
Theater an der Wien, 20. Dezember 2019
Stanislaw Moniuszko, Halka
von Herbert Hiess
Interessant, wenn eine Oper einmal so beginnt, wie heute ein „Tatort“-Krimi oder sonst viele Thriller. Also einmal mit einer Szene und nach cirka einer Minute dann mit dem Hauptteil („Drei Monate davor“ oder so).
Auch wenn sich heute noch so viele Filmregisseure auf den Zug draufschmeißen – so neu ist das nicht. Offenbar hatte der Librettist Wlodzimierz Wolski schon bei seiner 1958 uraufgeführten Oper die gleiche Idee. Denn die tragische Geschichte um das Bauernmädchen Halka handelt von der Verwirrtheit von Halka, die in den reichen Janusz verlobt war, der sie geschwängert hat und sie wegen der anstehenden Hochzeit mit der Tochter des reichen Gutsbesitzers Stolniks einfach sitzengelassen hat.
Der Regisseur Trelinski transferierte das Werk in die sogenannte Neuzeit; das Knechtvolk und die Mägde sind Kellner, Dienstboten und Stubenmädchen in jenem Hotel, wo die Hochzeit stattfinden soll. Aus der Volksoper wird schon fast eine „Revolutionsoper“; man merkt deutlich, wie sich die Dienstboten immer mehr gegen die reiche Herrschaft auflehnen. Sie singen zwar die allerlieblichsten Worte; ihre Gesichtsausdrücke und Körperhaltungen verraten genau das Gegenteil.
Die Musik Moniuszkos kann man schlichtweg als genial bezeichnen. So wie Smetana tschechische Nationalwerke schrieb, so ist die „Halka“ eigentlich DIE polnische Nationaloper. Tänze, Mazurken, Polkas, Volkslieder – der Komponist baute sie alle in seine Oper ein. Und schafft mehr als beeindruckend das Wechselspiel zwischen mitreißender Dramatik, lyrischen Liebes- und Trauergesängen und feuriger Tanzmusik.
Recht brav Dirigent und Orchester und leider eben nicht mehr. Maestro Borowicz hält das Orchester zwar zusammen – man hätte sich gerade bei so einer selten aufgeführten Oper dann doch mehr erwartet. Oftmals war es wenig präzise und echt dramatische Klänge wären oftmals angebracht gewesen. Die Schlussakkorde waren manchmal eher in Richtung „morendo“ (Anm.: ersterbend) als mitreißend. Dafür waren manche solistische Leistungen wieder formidabel – ganz großartig vor allem das Solocello. Leider war der Chor auch nicht auf voller Höhe; da gab es schon Passagen, die man sich besser erwartet hätte.
Und stimmlich war es hinsichtlich der drei Protagonisten ein Fest für Stimmfetischisten. Die Amerikanerin Corinne Winters beweist mit ihrem durchschlagskräftigen Sopran, dass sie weit über das lyrische Fach hinausgewachsen ist – auch wenn sie (noch?) nicht dramatisch klingt; das Zwischenfach ist deutlich hörbar. Polnisch ist nicht gerade eine leicht zugängliche Sprache. Hut-ab vor der großen sprachlichen Leistung noch dazu. Exzellent, wie sie sowohl die lyrischen Stellen phrasiert und gleich darauf in eine grandiose Attacke „explodiert“.
Über Tomasz Konieczny und Piotr Beczala braucht man eigentlich keine Worte verlieren. Der Heldenbariton und der Tenor von Weltrang machen aus der selten aufgeführten Oper ein wahres Musikfest. Konieczny spielt überaus beeindruckend den egoistischen Säufer, der mehr aus Dummheit als aus Bösartigkeit das Leben Halkas zerstört. Er ist da nichts anderes als ein billiger Opportunist. Auch das hat der Regisseur grandios in Szene gesetzt. Und Beczala ist der unglücklich verliebte Bauernbursch (hier Kellner), der mit herzzerreißenden Phrasierungen und einem unnachahmlichen Schmelz die Hörer verzaubert.
Die Produktion ist eine Kooperation mit dem Teatr Wielki Opera Narodowa in Warschau, die im Februar dort gezeigt wird (https://www.opernreisefuehrer.de/teatr-wielki-warschau/?tx_operabooking_events%5Bevent%5D=1461&cHash=bf0a6a6f92a1856655613ef0f9d6ba9e). Da können sich die Musikfreunde schon darauf freuen!
Herbert Hiess, 20. Dezember 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Arnold Schoenberg Chor
ORF Radiosymphonieorchester Wien/Lukas Borowicz
Regie: Mariusz Trelinski