„Als Kissin nach langem Applaus schließlich als Zugabe meisterhaft einen Walzer von Chopin spielt, streift die Kamera die freudig erhellten Gesichter einzelner Musiker im Orchester.“
Salzburg, Großes Festspielhaus
Arte-Livestream zeitversetzt
Evgeny Kissin, Klavier
Gustavo Dudamel, Dirigent
Wiener Philharmoniker
Franz Liszt
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 Es-Dur
Igor Strawinsky
L’Oiseau de feu (Der Feuervogel)
von Peter Sommeregger
Franz Liszts 1. Klavierkonzert Es-Dur ist ein klassisches Virtuosenstück. Der zu seinen Lebzeiten vor allem als Pianist gefeierte Liszt brachte es selbst als Solist 1855 in Weimar zur Uraufführung. Niemand Geringerer als Hector Berlioz stand damals am Dirigentenpult. Nach einer weiteren Umarbeitung erhielt es seine heutige Gestalt.
In diesem letzten großen Konzert der diesjährigen Salzburger Festspiele wird es von Evgeny Kissin interpretiert, der seit seinem Debüt 1987 unter Herbert von Karajan ein immer wieder gerne gesehener Gast bei diesem Festival ist. Auch dreißig Jahre später hat der Pianist nichts von seiner Brillanz eingebüßt, im Gegenteil, die inzwischen altersmäßig erreichte Reife überträgt sich auch auf sein Spiel.
Der melodiöse Grundgedanke des Werkes kehrt in sämtlichen Sätzen wieder, allerdings in vielfach modifizierter Form. Kissin zieht alle Register seines pianistischen Könnens, der anspruchsvolle Klavierpart bietet dafür auch ausreichend Gelegenheit. Der Pianist Liszt wusste schon, womit man glänzen kann. Immer wieder überraschen filigrane, zarte Passagen, die sich im Allegretto mit kecken, fröhlichen Wendungen abwechseln. Kissins Spiel ist bei aller Virtuosität von erstaunlicher Leichtfüßigkeit und Zartheit, darin vom Dirigenten Dudamel bestens unterstützt, der den großen Orchesterapparat der Wiener Philharmoniker sehr differenziert einsetzt.
Hier haben alle Beteiligten Freude am Musizieren, und als Kissin nach langem Applaus schließlich als Zugabe meisterhaft einen Walzer von Chopin spielt, streift die Kamera die freudig erhellten Gesichter einzelner Musiker im Orchester.
Als zweites Werk steht Strawinskys Ballettmusik „Der Feuervogel“ auf dem Programm. Diese Orchestersuite ist ein häufig im Konzertsaal anzutreffendes Werk, obwohl die Illustration der Musik durch den Tanz streckenweise doch fehlt. Nach verhaltenem Beginn, bei dem die leiseren Töne überwiegen, steigert sich die flirrende, höchst anspruchsvolle Instrumentation kontinuierlich, wobei das Orchester aber auch immer wieder fast kammermusikalisch zurückgenommen wird.
Erst gegen Ende kommt die große Steigerung zum Finale. Dudamel holt aus dem Orchester alle solistischen Raffinessen heraus, zu denen die Musiker dieses Spitzenorchesters fähig sind. Der Dirigent, auch bereits seit 2013 regelmäßiger Gast in Salzburg, scheint eine starke Affinität zu dieser Musik zu haben und überträgt diese auch auf das Orchester und das Publikum. Im großen Festspielhaus großer Jubel und Begeisterung.
Peter Sommeregger, 30. August 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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