Mit Mozart zurück in die „neue Normalität“ – ein Abend voller Leben und Leidenschaft in der schönsten deutschen Stadt

Sylvain Cambreling, Akiko Suwanai, Symphoniker Hamburg  Laeiszhalle, Hamburg, Großer Saal, 31. Mai 2021

Laeiszhalle, Hamburg, Großer Saal, 31. Mai 2021

W. A. Mozart Violinkonzert Nr. 1 B-Dur KV 207
W. A. Mozart Symphonie Nr. 40 g-Moll KV 550

Sylvain Cambreling Dirigent
Akiko Suwanai Violine
Symphoniker Hamburg

von Dr. Heide Niesalla und Sonja Kraschin

Die leider verfallenen Karten des Barenboim-Konzerts vom letzten Jahr hingen bis gestern noch an meiner Pinwand und erinnerten mich wehmütig daran, auf was wir alle in den letzten Monaten haben verzichten müssen – jetzt konnte ich mich endlich von ihnen trennen: Hamburgs Konzerthäuser öffnen und der erste Weg führte in die Laeiszhalle – Hamburgs traditionsreichem Konzerthaus und Paradebeispiel des bürgerlich-hanseatischen Mäzenatentums der alten Stadtrepublik, zu dem wir, meine Co-Autorin und ich, uns eng verbunden fühlen.

In diesem vom Hamburger Reeder Carl Laeisz gestifteten Konzerthaus im neobarocken Stil, das 1908 als damals größtes und modernstes Konzerthaus Deutschlands eröffnet wurde, proben wir normalerweise einmal in der Woche mit dem Symphonischen Chor Hamburg. Viele unserer Konzerte führten wir im Großen Saal auf – oft gemeinsam mit den Symphonikern Hamburg. Von daher verbindet uns gefühlt sehr viel mit diesem Haus und den „Hamburger Symphonikern“. Aus diesem Grund war unsere Freude umso größer, in dieser «unserer Laeiszhalle» das erste Konzert nach einer gefühlten Ewigkeit erleben zu dürfen.

Es war eine große Erleichterung für alle: Für das Publikum, das sich nach hartem Lockdown, nicht enden wollendem Home-schooling und Home-Office-Vereinsamung nach etwas Abwechslung und einem schönen musikalischen Abend sehnte, für das Orchester, für das Team der Laeiszhalle und für den Intendanten Daniel Kühnel, der mit aller Kraft seit Beginn der Corona-Krise das Beste aus der vertrackten Situation zu machen versuchte. Daniel Kühle eröffnete den Abend mit einer emotionalen, wie gewohnt auf den Punkt gebrachten Rede, «Die Hamburger Symphoniker kehren auf die Bühne zurück, und die Sonne scheint», in der er auf die fast 100 online gestreamten Konzerte und die weiteren Aktionen während des Lockdowns hinwies und sich nicht nur bei dem Publikum im Saal und den Musikern, sondern ausdrücklich auch bei der Stadt Hamburg und der Kulturbehörde für die Unterstützung bedankte. Mit den Worten «Wir haben nicht gelernt Sie, unser wertes Publikum, zu vermissen, lassen Sie das den Beginn eines neuen Aufschwungs sein.» Dann übergab er die Bühne den Musikern und der Musik.

© Thies Rätzke

Für diesen besonderen Abend durfte es kein geringerer sein als Meister Mozart selbst. «Es gäbe kaum einen geeigneteren Komponisten als Mozart für diese sehr lang ersehnte Wiedereröffnung», so der Intendant. «Ein frühes, frisches Werk und ein tief empfundenes aus seiner Spätphase: Wir freuen uns unendlich, unserem treuen Publikum diese Musik präsentieren zu können. Und zwar live.»

Mozart komponierte sein erstes Violinkonzert 1773 als musikalisches Dokument seiner Italienreise. Die Lebensfreude und Leichtigkeit, die er dort empfunden hat und die überwiegend in seiner Komposition zum Ausdruck kommen, übertrugen sich auf die Symphoniker. Schwungvoll und voller Elan gaben sie sich der Musik hin, dirigiert vom bestens aufgelegten Sylvain Cambreling.

Der Star des Abends war Akikio Suwanai, deren Ausstrahlung und Bühnenpräsenz die Laiszhalle mitsamt dem Publikum zum Strahlen brachten. Die japanische Geigerin gewann 1990 als damals 18-Jährige und jüngste Gewinnerin den Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb und genießt seither eine internationale Karriere, bei der sie auf höchstem Niveau mit renommierten Dirigenten und Orchestern zusammenarbeitet. Diese Erfahrung bringt sie nuanciert zum Ausdruck. Im ersten Satz des Violinkonzerts Nr.1 B-Dur KV 207 setzt sie zarte und dabei akzentuiert spritzige Koloraturen, im zweiten Satz voller rhythmischer Vielfalt mit längeren arienhaften Tönen wie auch verzierenden Koloraturen weiche emotionale Passagen. Im dritten Satz folgt das Finale – ein Presto-Satz mit rhythmisch abwechselnden Momenten – alles in perfekter Harmonie mit dem Orchester und dem Dirigenten.

Vor dem zweiten Stück des Abends, der Symphonie Nr. 40 in g-Moll KV 550, die Mozart im Juli 1782 in Wien komponierte und die heutzutage zu den beliebtesten und meistgespielten Orchesterwerken des Komponisten zählt, ließ es sich Sylvain Cambreling nicht nehmen, trotz zu Beginn technischer Probleme mit dem Mikrofon, persönliche Worte an das Publikum zu richten. Er wies unter anderem darauf hin, dass diese vorletzte Symphonie Mozarts, obwohl in g-Moll geschrieben, nicht unbedingt als traurig zu interpretieren sei, sondern eher voller Lebendigkeit sei: «Ich weiß nicht, es ist Lebendigkeit, ein bisschen traurig zu sein, aber dann doch wieder weiterzumachen. Ich danke Ihnen, dem Publikum, den Musikern und Mozart, dass wir das gemeinsam erleben dürfen.»

© Yomiuri Nippon Symphony Orchestra

Diese von ihm angesprochene Lebendigkeit kam sowohl musikalisch als auch visuell in seinem äußerst dynamischen Dirigat zum Ausdruck und wurde von der um die Holzblasinstrumente ergänzten Besetzung hervorragend angenommen und intoniert. Seine vorletzte Symphonie wurde noch zu Mozarts Lebzeiten in seinem Beisein bei Baron Gottfried von Swieten aufgeführt. Leider entsprach sie so gar nicht seinen Ansprüchen. Mozart verliess die Aufführung vorzeitig. Ein Jammer, dass er die Aufführung der Hamburger Symphoniker verpasste. Sie spielten wunderbar präzise und kraftvoll, voller Elan – dass sie die letzten sieben Monate kaum proben konnten, merkte man ihnen überhaupt nicht an.

Das Publikum bedankte sich mit langanhaltendem lautem Applaus, der dank der geltenden Hygienevorschriften nur sehr dünn besetzten Saals, dem eines vollbesetzten Hauses in nichts nachstand. Man konnte förmlich spüren, wie schwer es dem Publikum fiel, die Musiker in den Feierabend zu entlassen und wie sehr das gemeinschaftliche Erleben der Musik und der damit verbundenen Emotionen vermisst worden war.

Fazit: Auch wenn sie nicht mehr das größte Konzerthaus Hamburgs ist – die Laeiszhalle bleibt aufgrund ihrer Atmosphäre und der Akustik einmalig und ist jederzeit einen Besuch wert.

Dr. Heide Niesalla und Sonja Kraschin, 1. Juni 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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