Mit Schubert trifft Franz Welser Möst ins Schwarze

The Cleveland Orchestra, Franz Welser-Möst, Dirigent, Igor Levit, Klavier  Musikverein Wien, Großer Saal, 15. September 2022

Foto: Franz Welser-Möst, The Cleveland Orchestra, © Claudia Höhne

Musikverein Wien, Großer Saal, 15. September 2022

The Cleveland Orchestra
Franz Welser-Möst,
Dirigent
Igor Levit, Klavier

von Jürgen Pathy

„Sehr leger!“. Damit hatten die Damen hinter mir Igor Levits Kleidungsstil gemeint. Zum Glück nicht dessen Klavierspiel. Dass dieses „einmalig“ sei, dem kann man wohl kaum widersprechen. Auch wenn man hinterfragen muss, wer an diesem Donnerstagabend die Entscheidung getroffen hatte, das Andante bei Mozarts C-Dur Klavierkonzert KV 467 derart rasch zu gestalten. „Beide“, ließ Igor Levit im Anschluss an das Abonnementkonzert im Musikverein wissen.

Ein Kompromiss, der nach hinten losging. Dabei hatte der Kopfsatz so viel Hoffnung verkündet. Levit, wie gewohnt im Anschlag äußerst kultiviert, flog perlend leicht hindurch. Durch all die Läufe, Girlanden und chromatischen Figurationen, die Mozart in diesem Werk virtuos verarbeitet hatte. Welser-Möst und das Cleveland Orchestra standen da um nichts hinten nach. Ließen diesem doch schon verstärkt orchestral gewichteten Klavierkonzert den nötigen Fluss, ohne das Korsett der Wiener Klassik allerdings wirklich sonderlich zu sprengen.

Warum man dem Andante, dem so berühmten langsamen Satz, dann jeglichen Raum zur Entfaltung gestohlen hat, bleibt ungewiss. „50:50“, sei die Entscheidung gefallen, das Tempo so forsch zu wählen – zwischen ihm und Welser-Möst. Diese Info schoss Igor Levit noch hinten nach, bevor er in Windeseile aus dem Künstlerzimmer verschwand. Ein fauler Kompromiss, ganz gewiss!

Schubert kann er

Alles anders dann bei Schubert. Bei dem traf Welser-Möst dann voll ins Schwarze. Ließ die Spannung, den nötigen Zauber, den er zuvor so derart hat vermissen lassen, nun einwandfrei einfließen. Dass ihm Schubert liegt, überrascht auch nicht. Als er am 19. September 1978, vor mittlerweile über 40 Jahren, bei einem Verkehrsunfall beinahe sein Leben ließ, war es die Messe von Schubert, die er nach der Verlegung von der Intensivstation aus dem Radio vernommen hatte. Drei Wirbel hatte er sich damals gebrochen. Zwölf Wochen war sein Oberkörper eingegipst.

Kein Zufall also, dass er mit Schuberts großer C-Dur Symphonie D 944 die Wogen wieder glätten konnte. Dass ihm dabei der Frack auch noch besser stünde als dem Thielemann, sei’s drum. Das hatten die beiden Damen hinter mir ebenso kommentiert. Ob der Levit darin auch eine gute Figur hinterlassen würde, wiederum ein anderes Paar. Keine Ahnung.

Fest steht nur, dass der mit der Aria aus den Goldberg-Variationen sein unwiderstehliches Gespür für Bachs Musik unter Beweis stellen konnte. Mit der hatte Igor Levit sich als Zugabe schon vor der Pause verabschiedet. Franz Welser-Möst und das Cleveland Orchestra letzten Endes zumindest eindrucksvoll mit Schubert.

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 17. September 2022, für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Cleveland Orchestra, Franz Welser-Möst, Strauss und Berg Köln, Philharmonie, 5. September 2022

The Cleveland Orchestra Franz Welser-Möst  Dirigent Philharmonie Berlin, 3. September 2022

The Cleveland Orchestra, Franz Welser-Möst, Rihm, Schubert Elbphilharmonie, 1. September 2022

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