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Schade, dass sang- und klanglos zwei Nummern einfach nicht gespielt wurden; so hätte beispielsweise die Trompeterin Selina Ott bei Dulcamaras Arie „Udite, o rustici“ das Trompetensolo locker spielen können. Und das Duett Zerlina-Don Giovanni aus Mozarts gleichnamiger Oper wäre beiden Sängern mehr als „auf den Leib geschrieben“ gewesen. Schade um diese verpassten Gelegenheiten!
Grafenegg, Wolkenturm, 24. Juni 2022
Werke von Leonard Bernstein, Wolfgang A. Mozart, Gioachino Rossini, Vladimir Peskin, Charles Gounod
Solisten: Marlis Petersen, Erwin Schrott, Selina Ott
Tonkünstler Orchester Niederösterreich
Yutaka Sado, Dirigent
von Herbert Hiess
Mit dieser Sommernachtsgala 2022 begann das 15. Jahr des musikalischen Sommerreigens in der fantastischen Location Grafenegg, wo schon allein der Wolkenturm als „Open-Air-Bühne“, das Auditorium und das Schloss ein gebäudemäßiges Gesamtkunstwerk bilden.
Im Übrigen hörte man bei den einleitenden Worten von Landeshauptfrau Mikl-Leitner und Intendanten Buchbinder, dass aktuell die Reitschule (das war früher beim Schloss der Konzertsaal) umgebaut wird und danach als „Rudolf-Buchbinder-Saal“ eingeweiht wird.
Die Sommernachtsgala ist hier im Weinviertel immer ein Kultur- und Society-Event; hier lassen sich immer viele Prominente (und die sich dafür halten), Politiker und Kulturverantwortliche blicken, photographieren und hofieren.
Dieses Mal war es leider viel mehr ein Society-Ereignis als ein Kultur-Ereignis; da dürfte viel zusammengekommen sein. Einerseits waren die Proben teilweise heftig verregnet und auch für den aktuellen Abend schwebte immer das Damoklesschwert der Gewitterwolken über dem Wolkenturm. Aber das schöne Wetter hatte durchgehalten und somit stand der reibungslosen Abwicklung des Programmes nichts mehr im Wege.
Und tatsächlich hatte man zeitweise das Gefühl, dass hier mehr abgewickelt denn musiziert wurde. Absolutes Highlight waren hier die Sopranistin Marlis Petersen und der uruguayische Bariton Erwin Schrott. Hier konnte Yutaka Sado und die ausgezeichneten Tonkünstler ihre Fähigkeiten als hervorragende Begleiter unter Beweis stellen, wenn auch Strauss „Cäcilie“ vielleicht etwas mehr Subtilität und Präzision vertragen hätten.
Erwin Schrott brillierte sowohl als Leporello aus Mozarts „Don Giovanni“ und vor allem mit dem lateinamerikanischen Lied „Bésame mucho“ in einer Bearbeitung, wo sogar ein Bandoneon mitspielte (ein von Heinrich Band konstruiertes akkordeonähnliches Instrument), das Erwin Schrott offenbar Heimatgefühle vermittelte.
Großartig auch die junge Österreicherin Selina Ott, die auf ihrer Trompete mehr als brillierte; schade, dass mit der Bearbeitung von Vladimir Peskins Trompetenkonzert Nr.1 in c-moll (1. Satz) ein relativ uninteressantes Werk gebracht wurde; da hätte die Literatur schon mehr hergegeben. Aber mit Hermann Bellstedts Bearbeitung des Liedes „Napoli“ (bekannt unter „Funiculì, funiculà“) konnte Selina Ott ihre ganze virtuose Bandbreite vorstellen.
Das Programm war überhaupt weder logisch (zeitbezogen, regionalbezogen usw.) noch sonst wie spannend. Natürlich gab es einzelne „Reißer“ wie Bernsteins „Candide“-Ouvertüre oder Gounods „Faust-Walzer“. Aber insgesamt war es trotz der großartigen Sänger keine wirklich aufregende Sache.
Marlis Petersen brillierte mit einigen Liedern und Arien und zeigte ihre enorme Bandbreite; Höhepunkt waren der Csardas „Wenn die Zigeunergeige singt“ aus Fred Raymonds Operette „Perle von Tokaj“ und „Somewhere over the rainbow“ aus Harold Arlens „Der Zauberer von Oz“.
Zur optischen Untermalung wurden während dieses Liedes jede Menge Seifenblasen losgelassen, die dann bei dem finalen „Pomp and Circumstance“-Marsch Nr. 1 offenbar das früher zu dieser Gelegenheit abgespielte Feuerwerk ersetzen sollten.
Insgesamt ein netter Abend mit herausragenden Künstlern, einem phantastischen Orchester, das zeitweise hätte präziser und ausgewogener spielen können und ihrem Chefdirigenten.
Schade, dass sang- und klanglos zwei Nummern einfach nicht gespielt wurden; so hätte beispielsweise die Trompeterin Selina Ott bei Dulcamaras Arie „Udite, o rustici“ das Trompetensolo locker spielen können. Und das Duett Zerlina-Don Giovanni aus Mozarts gleichnamiger Oper wäre beiden Sängern mehr als „auf den Leib geschrieben“ gewesen. Schade um diese verpassten Gelegenheiten!
Herbert Hiess, 25. Juni 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at