Sieben Jahre nach Fukushima: Die Oper "Stilles Meer" überzeugt in Hamburg

Toshio Hosokawa, Stilles Meer
Staatsoper Hamburg
, 31. Januar 2018
Premiere: 24. Januar 2016
Musikalische Leitung: Kent Nagano
Inszenierung: Oriza Hirata

von Bianca Heitzer

Eine Erschütterung. Ein Tosen und Rauschen, umspült von Klängen, die in den Raum getragen werden, anschwellen und dann wieder verschwinden. So eindrucksvoll erklangen die ersten Takte aus Toshio Hosokawas Oper Stilles Meer, einer Wiederaufnahme aus dem Jahr 2016, die das Publikum der Hamburgischen Staatsoper erneut in ihren Bann zog.

Dreh- und Angelpunkt des Stücks sind das Erdbeben, der Tsunami und der Reaktor-Unfall von Fukushima, einer Katastrophe, die uns in Europa vor allem in Form von Zahlen und Fakten erreichte: Der 11. März 2011, ein Erdbeben mit der Momenten-Magnitude 9,0 – 16.000 Tote, von denen 2.500 bis heute als vermisst gelten. Tatsachen, die so schwer wie Blei wiegen und die man sich zunächst kaum in Form einer Oper vorstellen kann. Dass dies aber möglich ist, bewiesen der Komponist Toshio Hosokawa und das Regieteam um Oriza Hirata, die das Hamburger Auftragswerk realisierten und zur Aufführung brachten.

Wie Dramaturgin Janina Zell erklärte, war das Ziel dieses außergewöhnlichen Projekts weniger das Aufzählen der katastrophalen Fakten, sondern viel eher das Zeigen des individuellen Menschenschicksals, das in Japan bis heute anhält. Und so handelt Stilles Meer von der deutschen Ballettlehrerin Claudia, die ihren Mann und ihren kleinen Sohn verloren hat und, zwar den Tod des Mannes verstehen und begreifen kann, nicht jedoch den des Kindes. Ihre Schwägerin Haruko und ihr früherer Geliebter Stephan versuchen sie mithilfe des Nô-Stücks Sumidagawa (Am Sumida-Fluss) von der Wirklichkeit zu überzeugen, jedoch ohne Erfolg. Am Ende schlägt Claudia vor, dass besser jeder wieder in sein eigenes Zuhause zurückkehren solle.

Ganz deutlich spürbar waren an diesem Abend die Brücken, die zwischen Japan und Hamburg im Rahmen von Stilles Meer gebaut wurden, sowohl auf inhaltlicher, als auch auf musikalischer Ebene. Hosokawas „Japanisierung“ der Orchesterinstrumente sorgte für schillernde Klangfarben und beeindruckende Klangteppiche, die das Orchester unter der Leitung von Kent Nagano brillant umsetzte. Das hochkonzentrierte und aufmerksame Spiel der Musikerinnen und Musiker und die starke Sängerbesetzung machten dieses Stück sinnlich erfahrbar und den Abend zu einem außergewöhnlichen musikalischen Ereignis.

Da in Japan besonders Frauen in der Lage sind, erweiterte Bewusstseinszustände zu erreichen, erklingen drei hohe Stimmen in den Hauptpartien: Claudia (Mojca Erdmann), Haruko (Mihoko Fujimura) und Stephan (Bejun Mehta). Die Sopranistin Mojca Erdmann glänzte dabei in den Höhen, Mihoko Fujimura überzeugte mit ihrer samtig warmen Stimme, und der US-amerikanische Countertenor Bejun Mehta füllte die Rolle des Stephan mit Klarheit und musikalischer Schönheit. Ebenso kraftvoll präsentierten sich der Bariton Jóhann Kristinsson in der Rolle des Hiroto und der Bass Alin Anca als Fischer.

Der Komponist Toshio Hosokawa, dessen Musik in tiefem Einklang mit der Natur entsteht, sieht seine Oper Stilles Meer als Anstoß, über das Verhältnis zwischen Mensch und Natur nachzudenken, und so kann man sich nur wünschen, dass dieses besondere Stück noch viele weitere Zuhörerinnen und Zuhörer erreicht.

Bianca Heitzer, 2. Februar 2018, für
klassik-begeistert.de

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